«Die USA und die NATO haben Russland zum Angriff provoziert»

Redaktion infosperber

Von einem «unprovozierten» Angriffskrieg zu reden, sei «falsch», sagt Professor Jeffrey Sachs von der Columbia University in N.Y.

upg. Jeffrey Sachs widerspricht der gängigen Darstellung in grossen Medien. Gerade deshalb kann seine Stimme zur Meinungsbildung beitragen.

Der ehemalige Berater von drei UNO-Generalsekretären ist überzeugt, dass die USA mit dem Putsch auf dem Maidan, der massiven Aufrüstung der Ukraine zwischen 2014 und 2021 und der Aussicht auf einen NATO-Beitritt der Ukraine eine rote Linie für die gesamte politische Elite in Russland überschritten haben. Bis kurz vor dem Einmarsch in die Ukraine habe Putin wiederholt versucht, die USA davon abzuhalten, sich der 2100 Kilometer langen Grenze zwischen der Ukraine und Russland militärisch zu nähern. Noch am 15. Dezember 2021 unterbreitete Russland einen Verhandlungsvorschlag. Doch die USA lehnten Verhandlungen darüber ab mit dem Argument, ein NATO-Beitritt der Ukraine sei nicht verhandelbar.

Noch am Gipfeltreffen in Bukarest im Jahr 2008 hätten die Europäer, namentlich Deutschland und Frankreich, Präsident Bush noch davon abhalten wollen, der Ukraine einen NATO-Beitritt in Aussicht zu stellen. Doch Bush sei den langfristigen geopolitischen Plänen der Neocons gefolgt, die sich mit der Erweiterung der NATO auf Ungarn, Polen, Tschechien, Rumänien, Bulgarien, Estland, Lettland und Litauen nicht zufrieden gaben.

Der frühere Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzeziński, habe schon im Jahr 1997 im «Foreign Affairs Magazine» dargelegt, dass sich die NATO um das Schwarze Meer herum ausdehnen müsse, damit die USA ganz Eurasien weiter dominieren können. Noch mehr als Brzeziński hätten dann die Neocons nach dem Zerfall der Sowjetunion sicherstellen wollen, dass die USA die einzige Grossmacht bleibt und jede Ecke der Erde kontrollieren können. Die Ukraine und Georgien galten dafür als Schlüsselländer.

Teil dieser Strategie sei die wochenlange Bombardierung Belgrads und Serbiens im Jahre 1999 gewesen. Es sei in erster Linie darum gegangen, Serbien auseinanderzureissen und in einem abgespaltenen Kosovo die grösste NATO-Basis in Südosteuropa einzurichten. Der Schutz von Muslimen sei zweitrangig gewesen.

Jeffrey Sachs

Professor Jeffrey Sachs ist Direktor des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University in New York. Er war Berater von drei Uno-Generalsekretären und amtet derzeit als SDG-Berater unter Generalsekretär Antonio Guterres. 

Sachs erinnert daran, dass sich die Mehrheit der Ukrainer nach dem Gipfel in Bukarest gegen einen Beitritt zur NATO aussprach und in demokratischen Wahlen Präsident Wiktor Janukowitsch zum Präsidenten wählte. Doch das hätten sich die Neocons nicht bieten lassen wollen und auf einen Putsch hingearbeitet.

Noch in den Abkommen von Minsk habe sich Russland mit einer gewissen Autonomie des eher Russland zugeneigten Donbas zufriedengegeben. Die angeblich imperialistische Absicht, die Sowjetunion wiederherzustellen, habe Putin, seit er an der Macht ist, mehrfach widerlegt.

Im jüngsten Interview mit Tucker Carlson geht Sachs im Detail auf all dies ein. Es sei «falsch» gewesen und habe nicht den Tatsachen entsprochen, als Präsident Biden, Vizepräsidentin Harris, verschiedene US-Minister und Medien den Textbaustein ständig wiederholten, Russland habe den Angriffskrieg «unprovoziert» angefangen. Im ersten Kriegsjahr habe allein die New York Times 26-mal von einem «unprovozierten» Krieg geschrieben.

Inzwischen seien in der Ukraine mehrere Hunderttausend Menschen «für nichts gestorben». Wahrscheinlich seien es bereits 500’000. Vertreter der US-Regierung würden sagen, sie wüssten es nicht. Für ihre Ziele hätten die Neocons solche «Kollateralschaden» schon mehrmals in Kauf genommen.

«Unsere Regierung lügt und lügt und lügt und versucht es nicht einmal mehr, die Wahrheit zu sagen», kritisiert Sachs die US-Regierung. Fast jeder, mit dem er rund um die Welt gesprochen habe, sei besorgt. «Unsere Leben sind in den Händen einiger weniger Leute. Diese sollten besser etwas Besonnenheit lernen.»

Aussagen wie jene des finnischen Präsidenten seien «verrückt». Dieser habe gesagt, der Weg zum Frieden führe über das Schlachtfeld. «Diese Leute verstehen nichts», sagt Sachs.

Jeffrey Sachs betont, wie wichtig Diplomatie sei und dass die USA auch mit ihren Gegnern reden müssten. Solange Biden nicht direkt mit Putin spreche, «sind unsere Leben hochgradig gefährdet.» Die Diplomaten hätten in den USA nicht mehr viel zu sagen. «Doch unsere Leben hängen von der Diplomatie ab.»

Das Interview von Tucker Carlson mit Professor Jeffrey Sachs (in Englisch):

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