Der Fluch des billigen Geldes

von Frank Schäffler

Prosit Neujahr! Wer zur Jahreswende die Wirtschaftsnachrichten verfolgte, musste den Eindruck gewinnen, dass auf ein wirtschaftlich gutes Jahr ein sehr gutes Jahr folgen wird. Die Aktienkurse erklimmen immer neue Höchststände, die Eurokrise scheint überwunden, das Wirtschaftswachstum stimmt, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Steuereinnahmen steigen und die Verschuldung nimmt ab. Alles wird gut. STOPP!

Irgendwie erinnert das an das Jahr 2000, als der Deutschen Börsenindex DAX ebenfalls zu immer neuen Höhenflügen ansetzte. Das Wirtschaftswachstum war mit 3,1 Prozent so gut wie seit vielen Jahren nicht mehr. Es war die Zeit der spektakulären Börsengänge. Erinnern werden sich nur die, die in der Folge viel Geld verloren haben. Es war die Hochzeit des “Neuen Marktes” mit Lieblingen wie Intershop oder EM-TV. Danach ging es bergab. Wirtschaftswachstum blieb aus, die Arbeitslosigkeit stieg und der DAX verlor in den nächsten Jahren bis zu 70 Prozent seines Wertes.

2008 war es nicht wesentlich anders. Die Börsen boomten, der DAX war wieder bei 8.000 Punkten und bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung waren alle optimistisch. So schrieb der Sachverständigenrat der Bundesregierung in seinem Jahresgutachten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung damals optimistisch: “Die Gefahr eines Abrutschens in eine Rezession im Jahr 2008 erscheint als äußerst gering.“ Danach brach die Konjunktur ein. Nach Wachstumsraten von 3,7 Prozent 2006 und 3,3 Prozent 2007 leitete das Jahr 2008 die Rezession ein, die 2009 ihren Höhepunkt mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung von 5,1 Prozent erreichte.

Jetzt ist wieder so eine Hochstimmung. Alle meinen, es könne nur nach oben gehen. Für viele ist es nur eine Frage der Zeit, bis der DAX die 10.000er Marke knackt. Das wird vielleicht auch so kommen. Doch jeder durchzechten Silvesternacht folgt unweigerlich am Morgen danach der Kater. Um diesen zu lindern, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man macht die Nacht zum Tag und feiert munter weiter, so als gäbe es kein Morgen – oder man denkt an morgen.

Alle drei Wachstumsphasen haben eine wesentliche Gemeinsamkeit. Jede ging mit niedrigen Leitzinsen der Notenbanken einher. Und jede erneute Wachstumsphase musste mit noch niedrigeren Leitzinsen der Notenbanken erkauft werden. Alle drei Phasen haben auch die Gemeinsamkeit, dass das billige Geld investiert wurde – in Immobilien und Aktien. Die beiden Rezessions-Phasen in den 2000er Jahren haben ebenfalls eine Gemeinsamkeit. Immer dann, wenn Investoren den Glauben an immer weiter steigende Immobilien- und Aktien-Preise verlieren und sich zurückziehen, folgt die Rezession.

Jetzt sind die Notenbanken bei faktischen “Null-Zinsen” angekommen. Das Pulver ist verschossen. Auch jetzt gibt es wieder zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist, die Notenbanken feiern weiter Silvester und machen die Nacht zum Tag. Sie kratzen alles Pulver zusammen, was sie in irgendeiner Ecke noch finden können und verschießen es. So geschieht es derzeit. Die amerikanischen Notenbank FED druckt Geld und kauft damit private und staatliche Schulden auf, ähnlich machen es alle anderen Notenbanken auf dieser Welt Doch immer weniger „Pulver“ ist da.

Deshalb ist die zweite, die wahrscheinlichere Möglichkeiten. Es ist die Anpassungsrezession. Denn die Politik des billigen Geldes ist in vielen Fällen nicht Segen, sondern Fluch. Wenn Kredit und Schulden billig, gleichzeitig Sparen und Eigenkapital teuer sind, dann machen alle Schulden: Staat, Banken, Unternehmen und private Haushalte. Doch Schulden machen, ohne dass jemand anderes für einen vorher gespart hat, kann auf Dauer nicht funktionieren. Das ist der Wesenskern der Überschuldungskrise von Staaten, Banken und allen anderen. Diese Schulden hat niemand vorher gespart. Sie sind aus dem „Nichts“ entstanden. Wer die nächste Rezession überstehen will, muss sich daher anders verhalten. Am besten so wie unsere Großeltern uns das gelehrt haben: spare in der Zeit, dann hast du in der Not.

Dieser Beitrag wurde zuerst in meiner exklusiven Kolumne ‘Ich bin so frei!’ in der Samstagsausgabe der Fuldaer Zeitung veröffentlicht.

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