Thesen zur Regierungsbildung in Sachsen und Thüringen

von Werner Müller (ansage)

Kompliziert bis unmöglich: Die Regierungsfindung in Sachsen. Den Ausweg eröffnet eine völlig neue Lösung: Eine parteilose Expertenregierung (Foto:Imago)

Die Abstimmungen vom 1. September 24 waren im Kern keine Landtagswahlen, sondern eine vorgezogene Bundestagswahl. Die Bürger haben der Ampel-Regierung das Misstrauen erklärt. 1930 hat der spanische König nach einer Kommunalwahl fluchtartig das Land verlassen, weil die damaligen republikanischen Parteien einen überwältigenden Wahlsieg errungen hatten. Nun verlangt niemand von Scholz, Habeck & Co., dass sie in die USA ins Exil gehen sollen. In einer funktionierenden Demokratie wären aber zumindest vorgezogene Bundestagswahlen eine angemessene Reaktion auf das Debakel von Sonntag gewesen.

Nach Artikel 21 Grundgesetz wirken die Parteien an der politischen Willensbildung mit. Dass die in einem Bundesland stärkste und in einem weiteren Bundesland fast stärkste Partei von der Willensbildung ausgeschlossen werden soll, ist glatt verfassungswidrig. Dieser Verfassungsbruch erfolgt durch ein Bündnis aus CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP. Sie repräsentieren das bisherige politische System. Sie als ”Systemparteien” zu bezeichnen ist eigentlich unklug, weil exakt so 1932 von der NSDAP die “Weimarer Koalition” tituliert wurde, womit der Begriff skandalisierbar ist und nicht über seine Aussage gesprochen wird. Auch der Begriff „Blockparteien“ für diesen Parteienblock ist skandalisierbar, weil er in der DDR für die in der “Nationalen Front” zusammengeschlossenen Parteien verwendet wurde. Der Verfasser spricht hier deshalb lieber von der “Ampelunion”, also Ampel plus Union.

Das BSW als Durchlauferhitzer für die AfD?

Nach den Wahlergebnissen scheint eine Regierungsbildung gegen das BSW nicht möglich zu sein. Diesem geht es aber eigentlich nicht um die Länder, sondern nach dem guten Ergebnis bei der EU-Wahl um eine gute Positionierung für die Bundestagswahl im September 2025; es kann sich jetzt allerdings der Landespolitik nicht entziehen. In Sachsen und in Thüringen hat das BSW nur einen Schuss frei – und der muss treffen. Ein Schuss könnte aber auch nach hinten losgehen. Das wäre der Fall, wenn es seine Wähler enttäuschen würde.

Das BSW ist wohl nicht in der Lage, die CDU vorzuführen und sie zu Vereinbarungen zu zwingen, die den Positionen der Bundespartei widersprechen würden. Mit weniger darf sich das BSW aber nicht zufrieden geben, denn erschiene es in der Wahrnehmung der Wähler als Mehrheitsbeschaffer der Ampelunion. Es wäre dann im Ergebnis nur ein Durchlauferhitzer für die AfD, denn die BSW-Wähler würden nach dieser Erfahrung im September 2025 zu der einzigen Oppositionspartei wechseln. Die Zukunft des BSW wäre bereits Vergangenheit.

Moralische Pflicht

Weil das BSW vor der Wahl eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen hat, darf es diese nach der Wahl auch nicht eingehen. Jens Woitas hat in seinem Essay hier auf Ansage! gestern diese Frage ebenfalls angesprochen. Sein Einwand ist begründet: „In dem Moment, indem dies geschähe, würde bei den eigenen Anhängern die berechtigte Frage aufkommen, warum man eigentlich neben der AfD noch eine zweite populistische Oppositionspartei braucht.“ Das BSW hat aber auch erklärt, dass man sich gegenüber der AfD wie “erwachsene Menschen” verhalten müsse und dass BSW und AfD ein einzelnen Sachfragen, wo sie gleicher Meinung sind, auch gemeinsam abstimmen könnten. Dies ist gegenüber dem kindischen Verhalten der Ampelunion ein deutlicher Unterschied – und es ist von einer tödlichen Umarmung weit entfernt.

Ohne Verständigung der Fraktionen blieben die bisherigen Regierungen weiter geschäftsführend im Amt. In Sachsen könnte das BSW die Gespräche scheitern lassen und die Ampelunion auf ein Bündnis mit der Linken verweisen. Ob nun ein geschäftsführender oder gewählter Ministerpräsident Kretschmer regiert, würde auch keinen Unterschied machen. In Thüringen wäre eine Mehrheit ohne BSW oder AfD rechnerisch nicht möglich; ein geschäftsführender Ministerpräsident Ramelow würde auch dem Wählerwillen eklatant widersprechen. Hier wären also AfD und BSW in der moralischen Pflicht. Sie müssen sich schon aus Mitmenschlichkeit, ganz ohne Koalitionsabsichten, einmal Gedanken machen, wie man Bodo Ramelow aus seiner unbequemen Lage befreien könnte.

Die Lösung: Eine parteilose Expertenregierung?

In diesem “tkp”-Beitrag vom 24. August hat der Verfasser einige Überlegungen für eine Regierungsbildung gegen die Ampelunion angestellt. Er hatte vorgeschlagen, einen parteilosen Kandidaten aus dem reichhaltigen Reservoir der qualifizierten Persönlichkeiten unter den Corona-Maßnahmenkritikern zum Ministerpräsidenten zu wählen, der dann ohne Koalition Personen aus beiden Lagern in sein Kabinett berufen würde. Natürlich müsste dieser intensiv mit den AfD- und BSW-Fraktionen kommunizieren. Von beiden Parteien und den Ministern würde aber nur ein – eben unter erwachsenen Menschen übliches – Verhalten verlangt, nämlich, dass man sachlich auch mit den Menschen redet, die eine andere Meinung haben. Eine solche Regierung sollte auf etwa ein Jahr angelegt werden. Nach der Bundestagswahl könnten sich die Verhältnisse geändert haben. In dieser Zeit sollte sich die unabhängige Regierung folgende Themen vornehmen:

Bekenntnis zur Gewaltenteilung Pflicht

Nun gibt es aber auch eine Vielzahl verfassungsfeindlicher Aktivitäten der Ampelunion; etwa den planmäßigen Verstoß gegen Artikel 33, Absatz 2 GG. Öffentliche Ämter werden aktuell sehr häufig nicht nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vergeben, sondern nach Quote und Parteibuch. Politische Parteien, die sich als Vereine zur Vergabe von Posten verstehen, sind im Sinne des Artikels 21, Absatz 2 GG ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Mitglieder nach darauf ausgerichtet, mit dieser Schaffung korrupter Strukturen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. Der Verfassungsschutz müsste also den klaren Auftrag erhalten, diese Fehlentwicklungen aufzuklären und die Ampelunion zu beobachten.

Die gesetzgebende Gewalt ist, nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung, das Parlament. Die Regierung muss sich nur ausdrücklich zur Gewaltenteilung bekennen: Nicht die Regierung soll das Parlament kontrollieren, sondern das Parlament die Regierung. Die Fraktionen müssen ausdrücklich eingeladen werden, in wechselnden Mehrheiten einzelne Gesetzgebungsprojekte anzustoßen. Auf der Grundlage einer Entschließung des Landtags mit der Aufforderung an die Landesregierung, einen Gesetzentwurf mit bestimmten Inhalten vorzulegen, würde die Regierung dem Wunsch nachkommen.

Nur ein “Zweifrontenkrieg” gegen die Ampelunion verspricht Erfolg

Aus der Perspektive des BSW, aber auch der AfD stellt sich die Frage nach der Auswirkung einer solchen Anti-Ampelunion-Expertentegierung auf die Chancen bei der Bundestagswahl. Die Ablehnung der jeweils anderen Partei durch die eigene Anhängerschaft darf nicht unterschätzt werden. Das erfordert eine gewisse Distanz. Wahrscheinlich müsste der Kandidat offiziell vom BSW vorgeschlagen und von der AfD dann unterstützt werden. Wenn es keinen Minister Björn Höcke geben darf, dann darf es auch keine Ministerin Katja Wolf geben.

Andererseits würden die Wähler verstehen, dass man die Ampelunion langfristig nur in einem „Zweifrontenkrieg“ besiegen könnte: Wer die aktuelle Verkrustung des politischen Systems aufbrechen will, hat also keine Alternative. Die AfD wird nach der Wahl auf “Die-Mauer-muss-weg”-Forderungen aus der Union hoffen, wo eine Mehrheit der Parteibasis im Osten diese Abgrenzung ohnehin ablehnt. Mögliche Hoffnungen der BSW-Anhängerschaft, aus den Ruinen von SPD, Grünen und Linken möge eine neue Kraft auferstehen, sind dagegen wenig konkret. Beim BSW kann man vielmehr darauf hoffen, diese Überreste einzusammeln. Man müsste danach aber wohl einige Zeit mit einer AfD-CDU-Koalition leben müssen. Aus diesen Einsichten kann man erwarten, dass die Anhänger von AfD und BSW einen Coup in Thüringen unter dem Strich positiv bewerten würden. Das gilt erst Recht dann, wenn die Regierung ihre Ziele mindestens teilweise erreichen würde. Gert Ewen Ungar schreibt: „Die Gefahr für die Demokratie besteht eben nicht darin, dass die Wähler sich für eine andere Politik entscheiden. Sie besteht darin, dass diejenigen einfach so weitermachen wollen, deren Politik gerade abgewählt worden ist. Der Wählerwille soll aus der Politik verschwinden. Hier liegt die eigentliche Bedrohung für die Demokratie: die vollständige Entmündigung des Souveräns. Betrieben wird das von einer breiten Parteienallianz. Weder die AfD noch das BSW sind indes am Demokratieabbau beteiligt.

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3 Kommentare

    • Das würde ich nun nicht so bestätigen… Ich es gab schon die Analyse von mehreren ehemaligen US-Sicherheits- und Aussenpolitikanalysten, die folgendes gesagt haben:

      Sowohl AfD als auch BSW haben eine Antikriegshaltung. Auch wenn jetzt die Regierungsbeteiligung der beiden Gruppen verhindert wird, wird das zu weiterem Ansteigen der Zustimmung bis zur nächsten Bundestagswahl im nächsten Jahr führen.

      Und dann wird das unmittelbaren Einfluss auf die Politik nicht nur Deutschlands sondern die EU haben, denn wenn Deutschland seine Unterstützung für die Ukraine beendet, dann werden auch die anderen EU-Staaten nachziehen.

      Zudem sei es wahrscheinlich, dass weder AfD noch BSW die Vertuschung des Anschlags auf Nordstream 2, die von der jetzigen Regierung betrieben wird, fortführen werden. Selbst wenn es dann nur eine Regierungsbeteiligung einer der beiden Parteien gibt, könnte das nachhaltige Folgen für das Verhältnis zwischen Washington und Berlin haben.

      Um die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, sei es notwendig, dass Deutschland wieder günstiges russisches Gas in Russland über die noch bestehenden Teile der Pipeline bezieht.

      Und auch da sind sowohl AfD als auch BSW klar für ein Ende der Sanktionen, die nicht Russland sondern v.a. Deutschland geschadet haben.

      Auch könnten die beiden Parteien die Aufrüstung (das Kriegstauglich machen) vereiteln.

      Im Moment sind die USA nur sehr begrenzt handlungsfähig bis zum Ende der Wahlen. Aber die werden dann sicher überlegen, wie sie die Entwicklung (und nächste Bundestagswahl) beeinflussen können.

      • Na ja, selbst die AfD íst, was Verteidigungsfähigkeit angeht, gewollt oder nicht, durchaus in erwünschter Spur. Alles andere, wie einst verlautbart, „Rußland draußen und die Deutschen unten halten zu wollen“, worauf immer es sich gründen mag, es hat wohl eine durchaus erwartbare Gegenreaktion ausgelöst!

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