Die Zensurposse der Berliner Zeitung: Angst als Instrument der Gleichrichtung

von Norbert Häring

Mit Nachtrag | Die Berliner Zeitung veröffentlicht einen Gastbeitrag von Juraprofessoren und Anwälten, der das Zulassungsverfahren der mRNA-Impfstoffe kritisiert. Kurz darauf lässt sie ihn kommentarlos wieder verschwinden. Fast eine Woche später kommt der Beitrag zurück, zusammen mit einer Gegenrede: eine Posse, die im Kleinen zeigt, wie die Gleichrichtung der öffentlichen Meinung in Sachen Corona und Impfung auch im Großen umgesetzt wurde.

Am 10. Februar um 7:30 Uhr veröffentlichte die Berliner Zeitung den Gastbeitrag „Das Zulassungsdesaster: Lobbyarbeit und Rechtsbruch im Fall der mRNA-Präparate“ von sieben Rechtsanwälten und Rechtsprofessoren. Etwa acht Stunden später verschwand der Beitrag kommentarlos wieder von der Netzseite der Zeitung. Die Autoren wurden nicht konsultiert.

Unter dem Link, unter dem der Beitrag gestanden hatte, kam zwei Tage lang nur eine Fehlermeldung. Erst am 12.2. setzte Chefredakteur Tomasz Kurianowicz auf den bisherigen Platz des Beitrags den nicht sehr transparenten „Transparenzhinweis“:

„An dieser Stelle hat die Redaktion der Berliner Zeitung einen Text der Autoren RA René M. Kieselmann, Prof. Dr. Gerd Morgenthaler, Dr. Amrei Müller, Prof. Dr. Günter Reiner, RA Dr. Patrick Riebe, RAin Dr. Brigitte Röhrig und Prof. Dr. Martin Schwab zu möglichen Verfehlungen bei den Zulassungen der mRNA-Impfstoffe veröffentlicht. Die Redaktion wurde nach der Veröffentlichung mit starken Argumenten konfrontiert, die die Richtigkeit des Textes in Frage stellen. Auf dieser Grundlage hat sich die Chefredaktion der Berliner Zeitung dazu entschlossen, den Text zu depublizieren und die Vorwürfe zu prüfen. Mehr in Kürze.“

Depublizieren ist ein schönfärbendes Wort für löschen oder zensieren. Das Vorgehen der Zeitung war unüblich und unjournalistisch. Man zensiert keinen Gastbeitrag, weil von außen jemand Einwände äußert. Man stellt vielleicht eine Gegenmeinung dazu. Wenn man meint, dass wirklich irreführende Falschbehauptungen von Bedeutung in dem Beitrag sind, dann blendet man einen Einblocker mit einer Distanzierung und einem Warnhinweis ein. Aber man löscht nicht einfach kommentarlos.

Das panikartige Handeln der Chefredaktion der Zeitung ist in zweierlei Hinsicht ein Glücksfall. Zum einen hat der Beitrag dadurch sicherlich viel mehr Aufmerksamkeit erhalten, als bei normaler Publikation, denn diese und andere Netzseiten machten auf den Vorgang aufmerksam und verlinkten auf den Artikel im Web-Archiv. Durch das skandalbehaftete Vorgehen erhielt er sehr viel Aufmerksamkeit.

Zum anderen wirft der Vorgang ein seltenes Schlaglicht auf Mechanismen der Gleichrichtung, die sonst im Hintergrund ablaufen.

Dazu schauen wir uns an, wie es weiterging:

Aus „In Kürze“ wurden nochmal zwei Tage, dann wurde der Transparenzhinweis ergänzt um:

„(…) Auf dieser Grundlage hatte sich die Chefredaktion der Berliner Zeitung dazu entschlossen, den Text zu depublizieren und die Vorwürfe zu prüfen. Nun hat die Redaktion die Entscheidung getroffen, den Text bald zu republizieren und eine Gegenrede hinzuzufügen, damit der Leser sich selbst einen Eindruck macht, welches Argument stärker wiegt. Wir sind in Verhandlung mit allen beteiligten Autoren. Die beiden Beiträge finden Sie in den nächsten Tagen hier.“

Aus den „starken Argumenten, die die Richtigkeit des Textes in Frage stellen“ und „Vorwürfen“, werden nun im gleichen Absatz gegensätzliche Argumente, deren relatives Gewicht zu beurteilen, man den Lesern überlässt.

Trotz dieser verbalen Abrüstung ließ die Zeitung den Text weitere zwei Tage „depubliziert“, bis sie ihn am 16.2. zusammen mit einer Gegenrede von Emanuel Wyler republizierte. Wyler ist Molekularbiologie am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin des Helmholtz-Zentraums.

Die gemeinsame Überschrift über den beiden Artikeln rüstet noch weiter ab. Sie lautet:

Gab es bei den Impfungen ein „Zulassungsdesaster“? Zwei Perspektiven.

Jetzt sind es also nur noch zwei Perspektiven, die sich gegenüberstehen, eine juristische und eine mikrobiologische, nicht mehr richtig und falsch. Und dafür musste ein Zeitungsartikel sechs Tage lang zensiert werden?

Auf meine Anfrage hin lässt Chefredakteur Kurianowicz die Gründe, die zur Löschung des Beitrags geführt haben, sogar noch profaner erscheinen. Die Wissenschaftsredaktion sei sich wegen der undurchsichtigen Faktenlage uneins gewesen, ob der Text überhaupt gebracht werden sollte. Im Laufe des Veröffentlichungstages hätten ihn Mails erreicht, „dass der Text missverständlich sei und in einer Passage unrichtig“.

Er habe dann den Entschluss gefasst, den Text zu depublizieren, bis bis er feststellen konnte, wer Recht hat, denn:

„Ich wollte sicher gehen als Fachfremder, dass wir keine Fake News verbreiten. Im Laufe der Tage stellte sich heraus, dass eine Kontroverse um den Begriff „Gentherapie“ tobt. Ich habe Herrn Wyler, der bei uns schon mal Autor war und sich als Biochemiker mit diesen Dingen auskennt, angeschrieben und ihn gebeten, eine Gegenmeinung zu publizieren.“

Auf meine ungläubige Nachfrage bekräftigte er, dass Emanuel Wyler, der Autor der Gegenmeinung, nicht einer der Email-Schreiber oder Anrufer gewesen sei.

Gleichrichtung durch Angst

Die Zeitungen und Magazine, in denen kritische Wissenschaftler und Experten, wie die Juristen in diesem Fall, eine Chance haben, gehört und publiziert zu werden, lassen sich an einer Hand abzählen. Die Berliner Zeitung gehört zu den ganz wenigen, die mehr als nur ganz ausnahmsweise auch kritische Stimmen zur Pandemiepolitik und zu den experimentellen Impfungen zulassen.

Deshalb ist sie heftigen Angriffen ausgesetzt, die erkennbar nicht ohne Einfluss auf die Redaktion bleiben. So stellte die taz, die Sittenpolizei des Wokismus, schon vor einem Jahr in einem langen Artikel fest, die Berliner Zeitung verbreite Kreml-Narrative und habe eine Nähe zum Schwurbler-Millieu. Letzteres machte die taz unter anderem daran fest, dass die Berliner Zeitung den Virologen Klaus Stöhr, laut taz „wegen schriller Abweichungen vom wissenschaftlichen Konsens recht beliebt bei Clickbait-Journalisten“, eine der Bauch-Prognosen von Karl Lauterbach kritisieren ließ. Der behauptete nämlich, dass Omikron dazu führen werde, dass mehr Kinder ins Krankenhaus kommen würden. Das war tatsächlich kompletter Unsinn, wie sich bald herausstellte.

Der taz-Beitrag strotzt nur so von wildem Auskeilen gegen inzwischen oft im Mainstream angekommene Positionen und primitiven Kontaktschuldanwürfen. Ein Zeitzeugnis des totalitären Haltungsjournalismus. Aber wer bis heute unter Druck steht, sind nicht die taz-„Journalisten“ für derartige Entgleisungen, sondern die der Berliner Zeitung, wegen unvollständiger Unterordnung unter das politisch-medial postulierte Narrativ. Der taz-Beitrag ist nur ein besonders schlimmes Beispiel der Attacken gegen ein Blatt, das sich nicht am Verschweigekartell beteiligt. Es gab eine ganze Reihe weiterer Angriffe.

Das schüchtert nicht nur direkt die Redakteurinnen und Redakteure ein, die Ausgrenzung durch die Kollegen fürchten müssen. Es ist auch eine Bedrohung für den wirtschaftlichen Bestand der Zeitung, denn nach solchen Schmierkampagnen bleiben Anzeigenkunden weg und wollen potentielle Interview- und Gesprächspartner nichts mehr mit dem betroffenen Medium zu tun haben.

Wer auf dem Hochseil der Nichtunterordnung unter einen aggressiv intoleranten Mainstream balanciert, von dem jeder Fehltritt zum tiefen Sturz ins Querdenker-Lager führen kann, neigt eher zu Panikreaktionen als eine Redaktion, die sich sicher im Schoß des Mainstreams wähnt.

Freie Bahn für Heckenschützen

Und weil alle, die Kritik an den Regierungsmaßnahmen und -deklarationen üben, dadurch zu unwissenschaftlichen Scharlatanen geworden sind, mit denen man als Journalist bei Strafe der eigenen Ausgrenzung nicht reden darf, haben die Berliner Zeitung agitierende Wissenschaftler bei der Verbreitung und Durchsetzung des herrschenden Narrativs freie Bahn.

Sie können Redakteurinnen und Redakteure ungestört von den sonst üblichen Gegenmeinungen mit ihrem Spin füttern. Wenn welche aus der Reihe tanzen und mit wissenschaftlichen Dissidenten reden, können sie diese mit Anrufen und Emails überziehen, in denen sie kein gutes Haar an diesen Gesprächspartnern oder Gastautoren lassen. So lange, bis die Journalisten kleinbeigeben und sich lieber darauf verlegen, Agenturmeldungen umzuformulieren oder brav die akzeptierten Experten nachzubeten – und nur diese.

In der Regel wirkt sich der Totalitarismus der von Gegenmeinungen befreiten Pandemie- und Impfagitatoren aus der Wissenschaft so aus, dass viele abweichende Stimmen erst gar nicht publiziert werden. Das bleibt für das Publikum weitgehend unsichtbar. Dass es in diesem Fall dazu kam, dass ein angsterfüllter Chefredakteur auf dilettantische Weise einen bereits publizierten Text löschen ließ, ist insofern ein Glücksfall, als er den Mechanismus sichtbar machte.

So richtig stolz scheint Emanuel Wyler nicht auf seine Gegenmeinung in der Berliner Zeitung zu sein. Auf Twitter äußerte er sich weder zu dem Juristen-Beitrag in der Berliner Zeitung, noch war ihm das Erscheinen seiner Gegenmeinung dort auf Twitter eine Erwähnung und Verlinkung wert. Wer will schon gern mit einem Zensurskandal in Verbindung gebracht werden? Oder geht es darum, sich der Diskussion nicht stellen zu müssen? So wie auch diejenigen, die den Chefredakteur der Zeitung zur Zensur drängten, sich offenbar abseits der öffentlichen Diskussion am wohlsten fühlen und diese gerade verhindern wollen.

Kurze Erwiderung der Autoren auf Wyler

Die Autoren des Gastbeitrags würdigen auf Anfrage in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass die Berliner Zeitung immerhin bereit gewesen sei, ihren Beitrag zu publizieren, und dass sie den Fehler der zwischenzeitlichen Depublikation am Ende wieder behoben habe. Zum Inhalt der Kontroverse schreiben sie:

„Es bedarf keiner naturwissenschaftlichen Ausbildung zu erkennen, dass ein zentral diskussionswürdiger Punkt im Zulassungsrecht liegt, nämlich die juristische Herausnahme der „Impfstoffe“ aus der Gruppe der Gentherapeutika (div. Pharmaunternehmen schreiben selbst in Stellungnahmen an die US-Börsenaufsicht SEC von „gene therapy“). Dies, und diverse andere Regelungen und Anreize, führen zu schlechterer Überwachung schädlicher Folgen. Und das ist wiederum unser zentraler Vorwurf: Gerade „Impfstoffe“, die einer eher gesunden Bevölkerung verabreicht werden, müssen besonders gut auf potenziell langfristiges Schadenspotenzial untersucht werden. Diese Pharmakovigilanz hat man durch diverse Handlungen und Unterlassungen verhindert, teilweise vorsätzlich. Dies wird man aufarbeiten müssen, zumal die nächsten Pandemien ja schon angekündigt/erwartet sind.“

Dem sei von meiner Seite noch kurz hinzugefügt, dass niemand weniger als die Amerikanische Gesellschaft für Gen- und Zelltherapie (ASGCT) im November 2020 die damals gerade neu entwickelten mRNA-Impfstoffe von Pfizer und Moderna ausdrücklich als Beweis dafür gepriesen hat, dass man mit Mitteln der Gentherapie wirksame Impfstoffe gegen Covid-19 entwickeln kann. Wylers zentrales Gegenargument, die mRNA-Impfstoffe entsprächen nicht den üblichen Definitionen von Gentherapie, darf damit als mindestens sehr einseitig und unvollständig dargestellt gelten.

Nachtrag: Nicht publizierter Leserbrief

Der Leipziger Physikprofessor Klaus Kroy hat mir einen Leserbrief an die Berliner Zeitung zum Beitrag “Das Zulassungsdesaster: Lobbyarbeit und Rechtsbruch im Fall der mRNA-Präparate” vom 12.02. und dessen Aktualisierung am 16.02.2023 zukommen lassen, der dort seit vier Tagen – offenbar vergeblich – der Veröffentlichung harre:

„Vom Zulassungs- zum Zensurdesaster?
Als Universitätsprofessor, der in den letzten Jahren schmerzlich erfahren hat, wie schwer es sein kann, Leserbriefe mit sachlichen Richtigstellungen in Tageszeitungen unterzubringen, bestaune ich Herrn Wylers buchstäblich durchschlagenden Erfolg. Hervorgetreten ist der Angestellte eines Instituts der Helmholtzgemeinschaft (einer Dachorganisation zur Programmsteuerung staatlicher Auftrags-Großforschung mit über 5 Milliarden Euro Jahresbudget) bislang als telegener Covid- und Paxlovid-Erklärer. Als Warner vor der “Pandemie der Ungeimpften” begrüßte er es, dass schnell und “recht unbürokratisch viel Geld” an die Großindustrie floss. Seine Reputation als zuständiger Experte erwarb er weitgehend als Drosten-Adlatus und Mitglied unübersichtlicher Autorenkollektive. Wenn nun sieben hochqualifizierte Juristen “staubtrocken, substantiiert und ordentlich abgesichert” (RA Carlos Gebauer) die Blitzzulassung von Corona-Impfarzneien auf bedenkliche Ungereimtheiten hin abklopfen (die “Welt” vom 17.2. berichtet derer sogar viele!), muss der Molekularbiologe nicht mit Leserbriefen um Gehör für seine Unbehagensbekundungen betteln. Bis er mit einer großen Gegenrede aufwarten kann, wird der kritisierte Text einfach kurzerhand “depubliziert” (laut Wikipedia ein paradoxer Neologismus, der in den Rechtsgrundlagen nicht verwendet wird, dem man aber als Euphemismus für Zensur eine große Zukunft prophezeien möchte). Als Wissenschaftler bestürzt es mich einerseits, wie fehlerhaft und irreführend die (teils mit unangemessen herablassendem Unterton vorgetragene) Gegenrede geraten ist — die fachliche Berichtigung würde einen eigenen Artikel füllen. Andererseits mit welcher Unverfrorenheit die Chefredaktion einer Tageszeitung hier mit Publikation, klammheimlicher Löschung, eingestandener “Depublikation” und schließlich “betreuter” Republikation als wirrer Wahrheitswärter waltet und damit Herrn Wylers fachliches Fastnachtsspiel um ein publizistisches erweitert. Ob dies alles noch mit Schlamperei und Unwissenheit oder nur mit Unredlichkeit erklärbar ist, möge der aufmerksame Leser selbst entscheiden.“

Mehr

Rechtsanwalt Carlos A. Gebauer hat sich unter der Überschrift „Haarscharf vorbei am Zeitungsdesaster“ mit Laienkritik bei Rechtsfragen im Fall der mRNA-Präparate befasst.

Dossier zu Propaganda und Zensur

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Die Zensurposse der Berliner Zeitung: Angst als Instrument der Gleichrichtung
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1 Kommentar

  1. Betreffend: Gegendarstellung von Emmanuell Wyler. Helmholtz Institut.

    Das Helmholtz Institut hat 50 Jahrelang die Steinsalz Lager Methode für Atomabfall propagiert. Die in den USA längst „erledigt“war. Sie hat damit den Wünschen der Regierung, ein wissenschaftliches Mäntelchen umgehängt.
    In der Hochzeit des Corona Wahns hat die enge Merkel Beraterin, Melanie Brinkmann der Zentralratsvorsitzenden Merkel die „wissenschaftlichen Argumente“ für 2g, Lockdowns und No Covid Wahn geliefert. Auch diese hysterische vollkommen abgehobenene Person gehört zum Hemholtz Clan.
    Wenn jetzt eine Gegenrede von dort kommt, sollte man zunächst durchatmen und den Helm in die Stirn ziehen.

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