Überwachung: Das „Internetz“ rückt näher

von Henning Lindhoff (ef-magazin)

Morgen vertiefen Merkel und Holland die Details

In den vergangenen Monaten hat sich eigentümlich frei immer wieder kritisch zu Edward Snowden geäußert und nach seiner wahren Rolle im geopolitischen Spiel von Regierungen und Geheimdiensten gefragt. So nicht zuletzt auch im November des vergangenen Jahres, als erste Meldungen in den Kommunikationsnetzen kursierten, nach denen die Deutsche Telekom eine Allianz von Internetdienstleistern zur strategischen Begrenzung eines europäischen Internets schmieden soll.

Nun wartete die Bundeskanzlerin höchstpersönlich mit einem weiteren Steinchen für die digitale Mauer auf. In ihrem staatstragenden Podcast vom 15. Februar 2014 antwortete sie auf die Frage nach ihrer Haltung zu einem „deutsch-französischen beziehungsweise europäischen Datenschutz-Netzwerk“ bedeutungsschwanger: „Wir werden vor allen Dingen auch darüber sprechen, welche europäischen Anbieter wir haben, die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger bieten: Dass man nicht erst mit seinen E-Mails und anderem über den Atlantik muss, sondern auch innerhalb Europas Kommunikationsnetzwerke aufbauen kann.“ Laut der Internetzeitung „EUobserver“ aus Brüssel würde ein solchermaßen geschlossenes Netzwerk die 26 Schengen-Staaten umfassen. In dem von der Deutschen Telekom schon im November 2013 angepeilten Netz sollen Daten aus Deutschland diese Schengen-Grenzen nicht verlassen können. Die Gespräche zwischen dem rosafarbenen Riesen und dem mutmaßlichen technischen Kooperationspartner Orange aus Frankreich laufen nach Angaben von Telekom-Vertretern seit drei Monaten. Am morgigen Mittwoch womöglich schon werden die Einzelheiten auf exekutiver Ebene verhandelt, wenn Angela Merkel in Paris auf den französischen Staatspräsidenten Francois Holland zu den schon berühmt-berüchtigten deutsch-französischen Regierungskonsultationen treffen wird. Aus Merkels Sicht wäre es nur der konsequente nächste Schritt, nachdem im November 2013 ihr Vorstoß zur Aufnahme in die westliche Abhör-Allianz „Five Eyes“ in Washington auf wenig Gegenliebe stieß.

Im Zusammenschluss mit Francois Holland könnte sie nun erfolgreicher sein. Laut einigen Telekom-Managern seien die technischen Vorbereitungen zudem weniger aufwändig als bisher gedacht. Das Projekt „E-Mail made in Germany“, bei dem die Deutschen Telekom, United Internet und Freenet die Nachrichten in nationalen Grenzen fließen lassen wollen, wurde schon vor wenigen Wochen gestartet.

Als Aufhänger dient den Planern dabei natürlich die Farce um NSA, GCHQ, Five Eyes, Politikerhandys und um bürgerlichen Datenschutz. Geheimdienste aus Übersee sollen nicht mehr auf europäische Kommunikationsdaten zugreifen können. Möglich wird dies eben nur durch ein konsequentes Abschirmen der Hardware. Doch dass ein EU-Internet Sicherheit für die Bürger garantieren wird, ist absolut fraglich. Immerhin existieren auch in Deutschland rechtliche Grundlagen, wie das „Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses“ (G10), mittels denen auch die Telekom und andere Internetdienstleister auf deutschem Boden dazu gezwungen werden können, Daten ihrer Nutzer an Geheimdienste weiterzureichen. Auf diese Weise ist eine flächendeckende Überwachung letztlich nur mit Hilfe auch jener Unternehmen möglich, die nun das „Internetz“ als Lösung des Überwachungsproblems präsentieren. Die Abspaltung eines europäischen Kommunikationsnetzes würde den europäischen Geheimdiensten die Arbeit zudem noch wesentlich erleichtern.

Die Enthüllungen rund um den PRISM-Planeten waren somit womöglich nur die von langer Hand geplanten Stimuli, um dem Internet nun als schwer unter Kontrolle zu bringenden Versammlungsort für Mainstream-Ungläubige ein Ende zu bereiten. Das Internet in seiner jetzigen Form war und ist steter Quell alternativer Ideen. Seit Aufflammen der Finanzkrise mehr denn je. Noch nie zuvor war es leichter, staatskritischen Widerstand weltweit zu organisieren. Noch nie zuvor war es leichter, auf die Ideen von Ludwig von Mises oder Friedrich August von Hayek zu stoßen. Noch nie zuvor war es leichter, sich zu vernetzen und passiven wie aktiven Widerstand zu formieren. Freisinnige Organisationen und Blogs schossen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem digitalen Boden. Auch ihre Möglichkeiten werden mittels Umsetzung der „Internetz“-Pläne deutlich eingeschränkt. Vielleicht wird es für EU-Bürger in Zukunft unmöglich sein, die umfassende digitale Textsammlung des US-amerikanischen Ludwig von Mises Institute zu ergründen. Und nicht nur das. Denn aus einem rein europäischen Netz wird es für EU-Bürger wahrscheinlich kein Entkommen mehr geben. Eine neue Mauer wird errichtet. Diesmal eine digitale. Ihr Bau ist eine Kampagne von staatsnahen Zirkeln, das Internet als wichtigstes und wirkungsvollstes Werkzeug des kritischen, freiheitlichen Widerstands zu vernichten. PRISM war nur ihr Prolog.

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