Zentralbanken: Ritt auf der 10.000er-Welle

Henning Lindhoff (ef-magazin)

Am morgigen Donnerstag wird die Europäische Zentralbank ihre mit Spannung erwartete Entscheidung zur Höhe des zukünftigen Leitzinses bekanntgeben. Befürchtet wird gar ein Rutsch auf 0,1 Prozent und die Etablierung eines negativen Einlagenzinses. Käme es tatsächlich zu seinem solchen Negativzins, müssten Eigentümer von Bankguthaben zukünftig eine Art Aufbewahrungsgebühr an ihr Geldinstitut zahlen. In den Tagen vor der Entscheidung mehren sich die Warnungen vor der zukünftigen Euro-Entwicklung und all dem, was die Geldsozialisten noch so alles aus dem Zauberhut ziehen könnten.

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Michael Hüther warnte am gestrigen Dienstag in der „Bild“ vor einer Senkung des Leitzinses. So erschwere eine solche die Rückkehr zu einer „neutralen Politik, zu der ein Zins von eher drei Prozent als von null passt“, so Hüther in seinem Gastbeitrag. Die Hoffnungen mancher Börsianer, eine weitere Zinssenkung könne den Dax endlich über die magische Marke von 10.000 Punkten katapultieren, teilte er nicht. Eine solche Blase stehe auf dünnem Eis. Dabei wird diesem historischen Moment bereits landesweit entgegengejubelt. Staatsfunkende Telebörsianer kommentieren „Schlagzeilen in der Zeitung mit den vier Buchstaben“ herbei, die Privatanleger animieren könnten, endlich auch einzusteigen. Dabei sollte spätestens seit Präsidentenvater Joseph Kennedy der Schuhputzer-Indikator nicht allzu unbekannt sein: Genauso wichtig wie der der optimale Einstieg zu einem möglichst niedrigen Kurs ist auch der Verkauf eines Wertpapiers zu einem Zeitpunkt, an dem alles und jeder an die Börsen drängt, um ja noch ein Krümelchen vom bald berstenden Kuchen zu ergattern. Doch Kennedy scheint vergessen. Der Hype geht weiter.

Auch der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark warnte bereits vor der lockeren Geldpolitik. Anlässlich der vergangenen Jahreskonferenz des Ludwig von Mises-Institut Deutschland sagte er, den Märkten dürfe nicht vermittelt werden, die EZB habe „kostenlose Wunderinstrumente mit noch niedrigeren Zinsen, dem fortgesetzten Fluten der Finanzmärkte und weiteren Markteingriffen, um die wirtschaftlichen Probleme des Eurogebiets zu lösen.“ In einem aktuellen Beitrag für die „FAZ“ vermutete er, Draghi und Genossen ahnten bei weitem nicht, welche Auswirkungen eine solch lange Periode niedriger Zinsen, wie sie aktuell zu beobachten ist, haben könne. Die EZB wage sich hier auf ein völlig neues Gelände.

In Übersee das gleiche Bild. Auch im Fed-Land lassen sich kleine Perlen der Vernunft finden. In seiner Analyse für CBS News stellte Anthony Mirhaydari am vergangenen Freitag unmissverständlich fest: „Der Markt ist eine Blase – nicht nur Aktien und Immobilien, es ist eine breite Schneise von Vermögenswerten, Regierungsanleihen, Unternehmenskrediten und Aktien. Das ist kein gewöhnlicher Konjunkturzyklus und keine gewöhnliche Hausse. Die Federal Reserve und die anderen großen Notenbanken haben die größte Flut an billigem Geld in der Geschichte der Menschheit in Gang gesetzt.“ Die „österreichische“ Erkenntnis, das Papiergeld kein wirkliches Wachstum, keinen nachhaltigen Wohlstand generieren kann, vielmehr die Zerstörungskraft künstlicher Konjunkturzyklen in Gang setzt, findet nun auch mit Vermögensverwalter Mirhaydari seinen Weg in den Hauptstrom. Er war nicht der Erste. Und er wird nicht der letzte vernunftbegabte Mahner bleiben.

Anthony Mirhaydari sieht das Spiel der US-Zentralbank in der letzten Phase angekommen. Die Geldbasis der Fed von derzeit vier Billionen Dollar habe die Zinsen so weit gesenkt, dass ein Kapitalfluss von Staatsanleihen zu Unternehmensanleihen die Folge gewesen sei, die wiederum über Aktienrückläufe in Unternehmensaktien geflossen sei. Gewaltige Steigerungen könnten derzeit lediglich die Unternehmensgewinne verzeichnen – genährt von billigem Papiergeld aus Industrie- wie Schwellenländern. Diese Blase des billigen Kreditgeldes werde allerdings schon bald platzen: „Die falsche Gewinn-Blase der Fed wird ein Ende finden, weil ihre Macher nicht mehr nachhaltig agieren. Die von der Fed sorgfältig konstruierte, aber letztlich nicht nachhaltige Vermögenspreisblase wird platzen.“

Doch dass die Geldsozialisten, entgegen den Vermutungen Jürgen Starks, bereits sehr konkret die Konsequenzen ihres Handelns erahnen, offenbarte schon kurz nach der EU-Wahl Mario Draghi. In seinem Finanzstabilitätsbericht vom 28. Mai warnte der Chef der Europäischen Zentralbank eindringlich vor Kurseinbrüchen an den Börsen. Die Renditejagd der Investoren provoziere die „Möglichkeit eines scharfen und ungeordneten Abbaus der jüngsten Kapitalflüsse.“ Und EZB-Vizepräsident Vitor Constancio pflichtete ihm gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bei: „Ich habe keine Empfehlung für die Investoren, aber sie sollten sich dieser Risiken bewusst sein und versuchen, sich zu schützen. Die Banken sollten vorbereitet sein.“

Die Banken sollten sich schützen. Von den Bürgern war keine Rede. Bail-out für die Einen. Bail-in für die Anderen.

 

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