Wissenswertes zur Hochfinanz

Wer immer noch nicht glaubt, dass die Hochfinanz die Politik bestimmt, sollte sich bitte folgenden Artikel durchlesen. Politiker, die ausgedient bzw. abgewählt wurden, dienen anschließend der Hochfinanz. Dieser Job ist wesentlich lukrativer und weniger nervenaufreibend.

Wie sagte Horst Seehofer (CSU), und das trifft den Kern:

„Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden“

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Es sollte eigentlich zu denken geben, dass diese in der Tagespresse weitgehend vor Angriffen gefeit ist.
Den Ausführungen von Wolfgang Berger ist zu entnehmen, dass wir, also der Steuerzahler, in Brüssel 700 Lobbyisten ausgesetzt sind, die mit einem Budget von 400 Millionen €  im Jahr die Interessen des Finanzsektors vertreten. Die Zahlen für den US-Bürger sind noch erschreckender, sind es in Washington doch 3.000 Lobbyisten, die dieser Sparte zudient, wofür ihnen ein Jahresbudget von mehr als 5 Milliarden $ zur Verfügung steht. Auch wenn am 30. Juni letzten Jahres die internationale Organisation Finance Watchals Gegengewicht in Brüssel gegründet wurde  – die natürlich aus unserem Steuerbudget entlöhnt werden muss –  ist in Anbetracht des jetzigen Verlaufs der Dinge auf dem Finanzsektor schwerlich davon auszugehen, dass hier eine Änderung eintritt.  [1]  Nun hat Geoffrey Geuens ein ausgezeichnetes Portrait dieser Kaste gezeichnet, das wir im nachfolgenden publizieren [2]:

Die Absahner – Who’s who in Hochfinanz und Politik
Europas Sozialisten wettern immer wieder heftig gegen das Finanzkapital und fordern schärfere gesetzliche Vorschriften, um die weltweite Herrschaft der Finanzmärkte einzudämmen. Dabei sollte man allerdings auch wissen, wovon und von wem man redet. Denn das Bild, das die Vokabel Märkte heraufbeschwört, läßt uns leicht übersehen, wer genau da eigentlich von der aktuellen Krise und den  Sparmaßnahmen profitiert. »Der Kapitalist ist zu einem schwer fassbaren Phänomen geworden«, schrieb Jean Peyrelevade, der ehemalige Wirtschaftsberater von Ministerpräsident Pierre Mauroy, in seinem Buch Le capitalisme total. [3] Und er stellte die Frage: »Von wem sagt man sich los, wenn man sich vom Kapitalismus abwendet? Gegen welche Institutionen geht man an, um die Diktatur des flüchtigen, global und anonym gewordenen Marktes zu beenden?« Darauf gebe es keine klare Antwort, meint er, um dann schlichtweg zu behaupten: »Marx ist wirkungslos geworden, weil es kein klares Feindbild mehr gibt.«

Es ist eigentlich nicht weiter verwunderlich, daß ein Vertreter der Hochfinanz, der unter anderem Vorstandschef der Investmentbank Leonardo & Co. (im Besitz der Familien Albert Frère, Agnelli und Michel David-Weill) ist und im Aufsichtsrat der Unternehmensgruppe Bouygues sitzt, leugnet, daß so etwas wie eine Oligarchie überhaupt existiert. Erstaunlicher ist, daß führende Medien dieses  wirklichkeitsfremde und entpolitisierte Bild der monetären Macht übernommen haben. Das perfekte Beispiel dafür bieten die Berichte über die Ernennung von Mario Monti zum italienischen Ministerpräsidenten. Mit Begriffen wie Technokraten- oder Experten-Regierung wird da im Prinzip nur verschleiert, daß es sich um eine Regierung der Banker handelt. Auf den Internetseiten mancher Tageszeitungen konnte man sogar lesen, in Rom seien jetzt Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft an der Macht. Daß Monti auch einige Universitätsprofessoren in seine Regierungsmannschaft berief, ließ manche Kommentatoren glauben, sein politisches Programm stütze sich auf ein wissenschaftliches Fundament. Dabei übersahen sie, daß die meisten der neuen Minister aus den Chefetagen der großen italienischen Konzerne stammen.

Einige Beispiele: Corrado Passera, der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, war Vorstandsvorsitzender der zweitgrößten italienischen Bankengruppe Intesa Sanpaolo. Auch Montis Ministerin für Arbeit und Soziales, Elsa Fornero, saß im Aufsichtsrat von Intesa Sanpaolo; im Hauptberuf lehrte sie Wirtschaftswissenschaften an der Universität Turin. Francesco Profumo, Minister für Bildung und Forschung, ist nicht nur Rektor der Technischen Universität Turin, sondern sitzt auch im Verwaltungsrat von UniCredit Private Banking und Telecom Italia (die von Intesa Sanpaolo, Generali, Mediobanca und Telefónica kontrolliert wird). Piero Gnudi, Minister für Tourismus und Sport, gehört dem Verwaltungsrat der UniCredit Group an; der für die Beziehungen des Kabinetts zum Parlament zuständige Piero Giarda ist Professor für Finanzwesen an der katholischen Universität Sacre Cuore in Mailand, war bis 2011 aber auch Vizepräsident des Banco Popolare di Milano und Mitglied des Verwaltungsrats von Pirelli. Regierungschef Mario Monti war Berater für Goldman Sachs und Coca-Cola und saß im Verwaltungsrat von Fiat und Generali. Dieselben sozialistischen und sozialdemokratischen Spitzenpolitiker, die sich gar nicht scharf genug über die Allmacht der Finanzmärkte äußern können, reagieren weitaus weniger empört auf die Tatsache, daß viele frühere Protagonisten der sozialliberalen Wende inzwischen die Seite gewechselt haben. Wim Kok, ehemals Ministerpräsident der Niederlande, sitzt heute im Aufsichtsrat von Shell und KLM wie auch des niederländischen Finanzdienstleisters ING. Exkanzler Gerhard Schröder hat ein neues Betätigungsfeld als Aufsichtsratsvorsitzender der Nord-Stream AG gefunden, an dem die Unternehmen Gazprom, E.ON, BASF, GDF Suez und Gasunie beteiligt sind; außerdem sitzt er im Aufsichtsrat beim Ölkonzern TNK-BP und ist Berater für das Europageschäft der Rothschild Investment Bank. Solche slalomförmigen Karrieren sind längst zur Regel geworden. Auch andere Sozialdemokraten aus Schröders Kabinett haben den Wandel vom Staatsmann zum Geschäftsmann vollzogen. Exinnenminister Otto Schily sitzt heute im European Advisory Board von Investcorp, einer Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Bahrain. In diesem Gremium trifft er gleich mehrere prominente Kollegen: den konservativen österreichischen Exkanzler Wolfgang Schüssel, den Sozialisten Giuliano Amato, einst Ministerpräsident Italiens und Vizepräsident des Europäischen Verfassungskonvents, und Ana Palacio, ehemals Außenministerin der konservativen spanischen Regierung Aznar. Selbst Kofi Annan, UN-Generalsekretär von 1997 bis 2006, ist mit von der Partie.

Wolfgang Clement, unter Schröder Minister für Wirtschaft und Arbeit, hat einen Sitz im Aufsichtsrat der RWE Power AG und fungiert als Senior Advisor der Citigroup Global Markets Deutschland und als Strategic and Operational Partner der Investmentfirma RiverRock European Capital Partners. Caio Koch-Weser, von 1999 bis 2005 Staatssekretär im deutschen Finanzministerium, sitzt seit 2006 im erweiterten Vorstand der Deutschen Bank. Und der SPD-Spitzenpolitiker Peer Steinbrück, Finanzminister im ersten Kabinett von Angela Merkel, ist seit 2010 Mitglied des Aufsichtsrats der ThyssenKrupp AG.

Auch die wahren Erben Margaret Thatchers aus der Führungsriege von New Labour haben sich der Hochfinanz angedient: Exaußenminister David Miliband ist heute als Berater für die Investmentgesellschaften VantagePoint Capital Partners (USA) und Indus Basin Holding (Pakistan) tätig; Peter Mandelson, Handelsminister unter Tony Blair und danach (2004 bis 2008) EU-Kommissar für Handel, berät seit 2011 die US-Investmentbank Lazard. Natürlich hat auch Tony Blair selbst eine erkleckliche Zahl von Ämtern angesammelt: Berater bei der Schweizer Finanzholding Zurich Financial Services (ZFS), Redner für den Hedgefonds Lansdowne Partners [4] und Vorsitzender des Internationalen Beraterstabs von JPMorgan Chase – dem auch Kofi Annan und Henry Kissinger angehören.

Diese Aufzählung mag etwas dröge sein, aber sie dokumentiert, was in den Medien nicht vorkommt: die privaten Interessen des politischen Personals. Dabei soll die Liste dieser Doppelagenten nicht nur die Durchlässigkeit zwischen den Bereichen Politik und Wirtschaft aufzeigen, die sich gern als völlig von einander getrennt (oder gar als verfeindet) darstellen, sondern auch dazu beitragen, die Funktionsweise der Finanzmärkte richtig zu verstehen. Entgegen gängigen Vorstellungen sind die Finanzmärkte nämlich keineswegs anonym, sondern identifizierbar – durch Personen, die ihnen ein Gesicht oder beziehungsweise viele Gesichter geben. [5] Damit meine ich nicht die der europäischen Kleinaktionäre, von denen in den Medien stets gesprochen wird, sondern die Gesichter der Oligarchen: der Anteilseigner und Verwalter riesiger Privatvermögen. Es ist ja so, daß nur 0,2 % der Weltbevölkerung die Hälfte des weltweit börsennotierten Kapitals halten. Diese Portefeuilles werden von Banken (wie Goldman Sachs, Deutsche Bank, Santander, BNP Paribas, Société Générale), Versicherungsgesellschaften (wie AIG, AXA, Scor) und Pensions- und Investmentfonds (wie Berkshire Hathaway, Blue Ridge Capital, Soros Fund Management) verwaltet. Lauter Institutionen, die auf dieselbe Weise auch eigenes Kapital anlegen. Diese winzige Minderheit spekuliert mit Aktien, Staatsanleihen oder Rohstoffen und kann sich dabei immer neuer Finanzprodukte bedienen, die sie dem unerschöpflichen Erfindungsgeist von Finanzingenieuren verdanken. Die Märkte für diese sogenannten Derivate sind keineswegs eine natürliche Folge der Entwicklung in den fortgeschrittensten Volkswirtschaften, sondern die Speerspitze eines Projekts, bei dem es allein darum geht, »den Oberschichten noch mehr Einkommen zu verschaffen«, wie es Gérard Duménil und Dominique Lévy formulieren. [6] Die Strategie ist offenbar erfolgreich. Heute gibt es weltweit etwa 63 000 Personen, deren Vermögen 100 Millionen US-$ übersteigt. Deren Privatvermögen addieren sich auf 40 Billionen $, was dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt aller Staaten der Welt entspricht. [7]

Sozialisten und Banker
Wenn die Märkte ein Gesicht bekommen, beginnt für die Politik die Stunde der Wahrheit, denn sie kämpft nicht mehr gegen die Windmühlen eines anonymen Systems wie François Hollande in seinem Präsidentschaftswahlkampf. »Ich sage Ihnen, wer mein Gegner in der bevorstehenden Schlacht sein wird«, erklärte er am 22. Januar in einer Wahlrede: »Er hat keinen Namen, kein Gesicht, gehört keiner Partei an und wird niemals kandidieren, also auch niemals gewählt werden. Dieser Gegner ist das Finanzkapital.« Hollande war einfach nicht bereit, sich mit den Führungsriegen der Bankwelt und der Großindustrie anzulegen, denn dann hätte er die Namen der Verwalter von Investmentfonds nennen müssen, die ganz gezielt auf die zunehmende Verschuldung südeuropäischer Länder spekulieren; oder auch die Namen seiner Berater, die ein zweites Standbein in der Wirtschaft haben. Und nicht zuletzt die Namen der (Ex-)Kollegen, die von der sozialistischen Internationale zu anderen globalen Organisationen übergelaufen sind. Daß der Sozialist Hollande zu seinem Wahlkampfmanager ausgerechnet Pierre Moscovici erkoren hatte, also den Vizepräsidenten der Lobby Cercle de l’Industrie, in der alle Führer der großen französischen Unternehmensgruppen vertreten sind, war jedenfalls ein wichtiges Signal: Der Wandel, von dem er sprach, sollte keinesfalls als Umsturz verstanden werden. Dementsprechend versicherte Moscovici den Finanzmärkten, unter einem Präsidenten Hollande werde die Staatsverschuldung ab 2013 koste es, was es wolle, auf unter 3 % sinken; dafür werde man die entsprechenden Maßnahmen ergreifen. [8] Nach dem Wahlsieg Hollandes ist für dafür der neue Finanzminister zuständig. Er heißt Pierre Moscovici.

Die routinemäßige Beschimpfung der Finanzmärkte ist eine von PR-Strategen ersonnene politische Rhetorik, die drastisch klingt, in der Praxis aber folgenlos bleibt. Wie schon Barack Obama, der den Verursachern der Krise in der USA die präsidentielle Absolution erteilt hat, werden auch die europäischen Politiker die gierigenSpekulanten, die sie noch unlängst an den Pranger gestellt haben, ziemlich rasch begnadigen. Sie kommen nicht umhin, das Image der ehrenwerten‹  Vertreter der Oligarchie  – das zu Unrecht gelitten hätte – wieder herzustellen. Das geht so: Man beruft diese Leute in genau jene Ausschüsse, die mit der Ausarbeitung eines neuen Verhaltenskodexes beauftragt werden. Paul Volcker (JPMorgan Chase), Mario Draghi (Goldman Sachs), Jacques de Larosière (AIG, BNP Paribas), Lord Adair Turner (Standard Chartered Bank, Merryll Lynch Europe) und Baron Alexandre Lamfalussy (CNP Assurances, Gortis) – all diese Schlüsselfiguren, die jetzt einen Ausweg aus der Finanzkrise finden sollen, waren direkt mit den großen Unternehmen der Branche verbandelt. Unterstützt von den Medien und einigen Intellektuellen, die noch vor kurzem die Selbstgefälligkeit und blinde Gier der Banker wortmächtig gegeißelt haben, mutieren die Verantwortungslosen von gestern plötzlich zu neuen Wirtschaftsweisen. Kein Mensch wird heute noch bestreiten, daß die Spekulanten die Krise der letzten Jahre zu profitablen Geschäften nutzen konnten. Aber bei aller Kritik am zynischen Opportunismus dieser Raubtierkapitalisten sollte man nicht vergessen, daß sie dabei von Vermittlerdiensten auf höchster staatlicher Ebene profitieren konnten. Ein schlagendes Beispiel: Der Hedgefondsmanager John Paulson hat in der US-Immobilienkrise mit Subprime-Krediten mehr Geld verdient als jeder andere: 2007 allein 3,7 Milliarden $. Im Januar 2008 verpflichtete er den langjährigen Chef der US-Zentralbank (1987 bis 2006), Alan Greenspan, als Berater; dieser hatte bereits einen Beratervertrag mit einem der wichtigsten privaten Gläubiger der USA, der Pacific Investment Management Company (Pimco, mehrheitlich im Besitz der Allianz). Ähnliches gilt für die international führenden Hedgefonds: Lawrence Summers, Finanzminister unter Bill Clinton und Präsident des Nationalen Wirtschaftsrats unter Präsident Obama, war von 2006 bis 2008 für das Finanzmanagement-Unternehmen D. E. Shaw tätig (dessen Hedgefonds mit 16 Milliarden $ operieren). Und Kenneth Griffin, Gründer der Citadel Investment Group, hat noch 2008 für den Wahlkampf Obamas 200.000 $ gespendet; heute ist er mit 2 Millionen $ einer der größten Sponsoren des republikanischen Kandidaten Mitt Romney. Was George Soros betrifft, so hatte er sich die Dienste von Lord Malloch-Brown gesichert, der 2006 kurzzeitig das UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP) leitete und bis 2009 als Staatsminister im britischen Außenministerium diente. [9]

Die Finanzmächte haben also ein Gesicht. Auf den Korridoren der Macht waren ihre Repräsentanten schon immer anzutreffen.

Anmerkung politonline:
Wie eng die Maschen dieser Vernetzung geknüpft sind, lässt sich allein schon daran ablesen, in welchem Ausmass die genannten Unternehmen und ihre Vertreter bei den jährlichen Bilderberger-Konferenzen vertreten sind. Selbst wenn die Ergebnisse der dortigen Unterhandlungen in der Regel seltenst nach draussen sickern, so wird doch immerhin die Teilnehmerliste seit einigen Jahren von Genf aus ins Internet gestellt. [10] Was den ehrenwerten Herrn Monti betrifft, so hat der Bundesbankchef Jens Weidmann soeben dessen Forderung, dass Italien indirekt Milliarden aus den Euro-Rettungsschirmen erhalten sollte, ohne die vorgesehenen Auflagen erfüllen zu müssen, zurückgewiesen. »Der Vorschlag Montis läuft auf eine durch die EU-Verträge verbotene Staatsfinanzierung durch die Notenpresse hinaus«, sagte Weidmann der Süddeutschen Zeitung vom 23. 6. 12. Es ist im übrigen mehr als seltsam, dass von keiner Seite je einmal die Frage gestellt wird, wohin die Abermilliarden, die die Banken zur Tilgung ihrer fauler Kredite fordern, überhaupt geflossen sind. Hierzu schweigt man sich beharrlich aus, wohl wissend, dass die Politiker kaum dazu bereit sind, hier klare Fakten zu schaffen.

Was nun die Spekulation betrifft, so ist wahrscheinlich längst vergessen, dass z.B. die Aktionäre der französischen Bank Société Générale einen Kursgewinn von 24 % verbuchten, als die Spekulanten 2010 die Eurostaaten zu einer Finanzspritze von 750 Milliarden € zwangen. Am selben Tag, nämlich am 10. Mai 2010, verkündete der französische Präsident, dass auf Grund der angespannten Haushaltslage ein Unterstützungsprogramm für bedürftige Familien nicht fortgeführt werden könne. »Mit jeder weiteren Finanzkrise«, schreibt Serge Halimi, »wird klarer erkennbar, dass die Politik nur für Aktionäre und Investoren gemacht wird. Die Bürger dürfen zwar in regelmäßigen Abständen zur Wahl gehen, stimmen dann allerdings für Parteien, denen die Märkte zuvor eine politische Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt haben. Zugleich aber verlieren die Politiker, die pausenlos das Gemeinwohl beschwören, jeglichen Kredit.«  [11]

Und die Bundestagsparteien? Nachdem die Financial Times bereits am 29. April, die Bild-Zeitung am 30. April und ein ganzes Medienspektrum Anfang Mai 2010 darüber berichtet hatten, »daß ein Hauptnutznießer des Mega-Rettungspakets der griechische Milliardär Spiro Latsis sein würde, dessen EFG-Bank rund 60 Milliarden an griechischen Staatsanleihen und privaten Obligationen verwaltet, sahen Bundestag und Bundesrat darin dennoch kein Hindernis, den deutschen Steuerzahler mit rund 150 Milliarden € zu belasten. Die EFG-Eurobank hatte ihren Sitz kurz vor Jahresende bequemerweise von Genf nach Luxemburg verlagert, wodurch sich die Belastung der Schweiz durch griechische Bankschulden um 60 Milliarden € verringerte und es für die Eurobank u. a. leichter wurde, im EU-Mitgliedsstaat Luxemburg – Junckers Steueroase – in den Genuß des Rettungsschirms zu kommen.«  [12]

Die Probleme der Euro-Zone, steht zu befürchten, eröffnen den Politikern unter Umständen die Möglichkeit, eine, wie es heisst, neue Form von Governance zu schaffen. So erklärte Wolfgang Schäuble am 21. November letzten Jahres: »Ich bin überzeugt, dass wir in weniger als 24 Monaten in der Lage sind und in der Lage sein werden, das europäische Regelwerk so zu verändern, dass wir die Grundzüge einer Fiskalunion für die Eurozone schaffen.«  Letztere bedeutet bekanntlich die Abgabe der Haushaltssouveränität an Brüssel, genauer: an diejenigen, die für das gegenwärtige Debakel haftbar zu machen wären. Die Volksvertreter, die mehr Macht für dieses Brüssel fordern, sind zahllos, was den Verdacht nährt, dass sie gedanklich über ihre Abgeordnetengehälter und Diäten gar nicht hinauskommen. So erklärt uns auch der frühere FDP-Vorsitzende und Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher, dass die Mitgliedstaaten bereit sein müssten, »weitere Zuständigkeiten auf die europäischen Organe zu übertragen.« Die Tragweite dieser Forderung bleibt ihm offensichtlich verschlossen, oder, vermutlich der Wahrheit näher liegend: Er will sie gar nicht aussprechen. Dies nicht nur zum Schaden, sondern geradezu zur Übertölpelung des Bürgers. Natürlich kommt auch er nicht ohne das obligatorische Heftpflaster aus: »Das«  – worunter die Abtretung der Macht zu verstehen ist –  »verlangt im Interesse der parlamentarischen Kontrolle auch eine Stärkung des Europäischen Parlaments«, so Genscher ferner. Gerade letzteres dürfte bei jedem, der verfolgt hat, in welchen Bereichen dieses EP jeweils vor den Forderungen der USA eingeknickt ist, nur noch ein Hohngelächter hervorrufen. Niemand, der sich das Machtstreben der Kommissare vergegenwärtigt, wird der  Vorstellung einer Stärkung des EP auch nur einen Hauch an Glauben schenken. Ganz selbstverständlich ist auch Mme Lagarde mit von der Partie: »Europa müsse sich auf eine stärkere Integration der Haushalte zubewegen und eine Währungsunion durch eine Finanzunion ergänzen.«

»Über die Extremverschuldung der Staaten, Gemeinden und Städte«, führt Prof. Michael Nier aus, »versuchen die Banken an die Steuergelder und an das öffentliche Eigentum zu kommen. Daß diese so verschuldet sind, liegt daran, daß das gesamte Steuersystem die Finanzwirtschaft begünstigt bzw. daß die Finanzbranche, die Konzerne und die Superreichen faktisch keine Steuern zahlen. Es handelt sich also um eine zielgerichtete Verarmung der öffentlichen Hand oder um eine zielgerichtete Verschuldung im Interesse der Finanzbranche. Aber leider erleben wir jetzt im Rahmen der sogenannten Schuldenkrise der Staaten Europas ein Zurückfahren aller staatlichen Leistungen, den letzten Verkauf des öffentlichen Eigentums und eine Erhöhung der Steuern für alle unterhalb der Schicht der Superreichen und der Finanzbranche. Austerität ist angesagt. Dies wird aber die Wirtschafts- und Finanzkrise nicht beenden, sondern verschärfen. Auch mit der Verelendung der Völker gibt es keine Bewältigung der Krise. Die heutige Krise ist wahrscheinlich im Rahmen des derzeitigen Geldsystems überhaupt nicht lösbar. Es könnte sich um die finale Krise eines Geldsystems handeln. ……. Und nun sollen die noch scheinbar solventen Staaten, wie vor allem Deutschland, für die ganzen Schulden in der EU haften. Für die Banken soll Deutschland sich weitere finanzielle Verpflichtungen aufbürden. Das wird auch über Euro-Anleihen und einen Europäischen Währungsfonds probiert werden; und dieser soll genauso wie der Internationale Währungsfonds in die EU-Staaten hineinregieren.«  [13]

Was die Möglichkeit angeht, dass die Politik zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Übermacht der Hochfinanz einschreiten könnte, so ist diese eher solange als unwahrscheinlich einzuschätzen, solange eine Feststellung, wie sie Mike Whitneys getroffen hat, unverändert fortdauert: »Das Council on Foreign Relations, das CFR, ist die handverlesene Versammlung westlicher Eliten der Sektoren Energie, Pressemonopol, Hochfinanz und Waffenindustrie. Es sind dies die etwa 4000 Mitglieder der regierenden amerikanischen Klasse, die die politische Richtung bestimmen und gewährleisten, dass das Management des globalen Wirtschaftssystems in den Händen der US-Blaublütler bleibt. Selbstverständlich haben das CFR und die Trilaterale Kommission das, was man als Unterorganisation bezeichnet, auch in Europa.« Natürlich kanzelt die Hochfinanz Insiderwissen, das ausnahmsweise in die Öffentlichkeit gesickert ist, gern als Verschwörung ab; ferner ist dem Volk im Rahmen der Umerziehung längst beigebracht worden, dieses Stichwort tunlichst zu ignorieren bzw. zu belächeln. Insofern beurteilt der gute Lemming lieber nur offiziell-freigegebenes Wissen und schaltet seine Gedankengang ansonsten ab.

»Seit zwanzig Jahren«, schreibt Serge Halimi, »hat sich die Politik der Finanzindustrie untergeordnet. Die Regierungen werden sich erst dann gegen deren Dominanz zur Wehr setzen, wenn die Banken sie direkt an einem Punkt angreifen, an dem sie das nicht mehr hinnehmen können.« Das erklärte Halimi im Juni 2010; eigentlich wäre der Zeitpunkt einer Revolte der Politiker im jetzigen Moment sozusagen zwangsgegeben. »Demnächst wird sich zeigen müssen«,so Halimi ferner, »ob die ständigen Demütigungen, die den Staaten von den Märkten zugefügt werden, und die allgemeine Wut über den Zynismus der Banken in unseren Politikern den kleinen Rest an Stolz, der ihnen noch verblieben ist, wachrüttelt. Der Test wird darin bestehen, wie einschneidend die Maßnahmen ausfallen, die Deutschland, Frankreich, die USA und die G-20-Staaten zur Eindämmung der Spekulation ergreifen werden.« [11]

[1]  http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1782    20. 8. 11 Die ehrenwerten Mafiabosse  –  Von Wolfgang Berger
[2]  Die Absahner  –  Who’s who in Hochfinanz und Politik  –  von Geoffrey Geuens
Le Monde diplomatique Nr. 9821 vom 8. 6. 2012; Geoffrey Geuens ist Dozent an der Universität Lüttich, ferner Autor von: »La Finance imaginaire. Anatomie du capitalisme: des marchés financiers à l’oligarchie«, Editions Aden, Brüssel 2011 ; aus dem Französischen von Edgar Peinelt
[3]  Jean Peyrelevade, »Le Capitalisme total«, Seuil, Paris 2005, S. 37
[4]  Für vier Reden vor Managern von Lansdowne Partners soll Blair 250 000 £ kassiert haben. Der größte Hedgefonds Europas kam in Verruf, als er mit seiner Wette auf die Insolvenz des Baufinanzunternehmens Northern Rock an die 100 Millionen £ verdiente.
[5]  Siehe dazu Heiner Ganßmann »Wir sind der Markt, Spekulation und Alltag«, Le Monde diplomatique, Oktober 2011
[6]  Gérard Duménil und Dominique Lévy, „The Crisis of Neoliberalism“, Cambridge, Massachusetts (Harvard University Press), 2011
[7]  www.thewealthreport.net/The-Wealth-Report-2012.pdf
[8]  Pierre Moscovici »Ne pas avoir peur de la rigueur«, 8. November 2011, www.lexpress.fr
[9] Mallock-Brown diente 2007 vier Monate als Vizechef von Soros‘ Quantum Funds, bevor der dezidierte Kritiker der US-Außenpolitik ins britische Foreign Office berufen wurde.
[10]  Siehe hierzu  http://www.bilderbergmeetings.org/participants2012.html  Teilnmehmerliste für die Zusammenkunft in Chantilly, Virginia, USA, vom 31. Mai bis 3. Juni 2012; unter dem Stichwort Bilderberger sind zahlreiche der zurückliegenden Konferenzen abgehandelt
[11]  Serge Halimi  Macht und Geld und Politik  Le Monde diplomatique Nr. 9210 vom 11. 6. 10
[12]  http://www.bueso.de/news/helga-zepp-larouche-nein-grenze-hat-tyrannenmacht-weltweiter-massenstreikprozess-wachst   30. 5. 10  Helga-Zepp-LaRouche
Siehe hierzu auch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1525   30. 5. 10
Strategic Alert, Jahrg. 24, Nr. 21 vom 26. Mai 2010
[13]  http://www.nonkonformist.net/5487/prof-michael-nier-deutschland-und-die-macht-der-finanzbranche/#comment-59880   Prof. Michael Nier: Deutschland und die Macht der Finanzbranche
[14]  Siehe Global Research  –  Articles by Mike Whitney http://globalresearch.ca/index.php?context=listByAuthor&authorFirst=%20Mike&authorName=Whitney

Quelle: politonline

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