Winzling auf dem eurasischen Schachbrett

»Wir sind ein Land in Auflösung«, sagt der mazedonische Publizist Saso Ordanoski gegenüber Spiegel Online. »Es gibt praktisch kaum noch legale Institutionen, unser weiteres Schicksal hängt jetzt von der internationalen Gemeinschaft ab.«

Der Balkanexperte Dušan Reljić von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik nennt die Staatskrise in Mazedonien ein »Sicherheitsproblem für die gesamte EU, das in Brüssel auch als solches erkannt werden sollte.« Ein Kollaps der staatlichen Ordnung könnte die derzeit abgeschottete Grenze zu Griechenland wieder öffnen und die Lage im griechischen Grenzort Idomeni eskalieren lassen. (Peter Orzechowski auf info.kopp-verlag.de)

Angesichts der seit einer Woche dauernden Massenproteste sprechen Beobachter von einem möglichen Maidan-Szenario in Mazedonien, ähnlich zur Lage in der Ukraine vor rund zwei Jahren. Hinter der Staatskrise stecken zugleich ein Putschversuch oppositioneller Kräfte wie auch ausländischer Dienste und Geheimbünde.

Moskau ist über die Verschärfung der politischen Konfrontation in Mazedonien äußerst besorgt und warnt vor einem »von außen inspirierten« Staatsstreich nach »Ukraine-Szenario«.

(Foto: Alan Grant / Skopje, Hauptbahnhof)

Es geht um die neue Erdgas-Leitung
Experten vermuten, die USA und Westeuropa wollen durch einen gewaltlosen Regimewechsel die für sie unliebsame Regierung in Skopje, die Rußland-Sanktionen ablehnt und das russische Pipeline-Projekt Turkish Stream unterstützt hat, loswerden. Durch diese Pipeline, die das geplatzte Projekt South Stream ersetzen soll, soll Erdgas aus Russland abseits des Transit-Landes Ukraine nach Südeuropa strömen.

Politikwissenschaftler Georgi Engergart von der Russischen Wissenschaftsakademie sagt laut Sputnik News: »Die USA und die EU haben enorme Anstrengungen unternommen, um South Stream zu blockieren. Nun versuchen sie auch die Transitoption Mazedonien auszuschalten, um – wie sie selbst glauben – Russland wirtschaftlich vom Balkan zu verdrängen.« Der Experte ist sicher: Ein Machtantritt von Oppositionschef Zaev würde die Pläne für den Transit russischen Gases durch Mazedonien durchkreuzen. Und er würde den Beitritt Mazedoniens in EU und NATO beschleunigen.

Der strategische Hintergrund
Der Balkan ist Europas Tor nach Asien. Der Weg zur Seidenstraße führt durch den Balkan, die sich von dort in verschiedenen Abzweigungen bis nach China erstreckt. China hat schon jetzt Verträge mit Albanien, Mazedonien und Griechenland, um die alte Seidenstraße durch eine Eisenbahnverbindung wiederherzustellen. Zurzeit wird die Strecke von der Adria bis zum Schwarzen Meer gebaut.

Bernhard Rode hat in seinem richtungsweisenden Buch »Das Eurasische Schachbrett« darauf hingewiesen, daß seit der Regierung Clinton der Balkan auf der strategischen Agenda der USA ganz oben steht. »Den USA«, schreibt Rode, »geht es dabei um die Kontrolle einer zukünftigen trans-europäischen Ölleitung, die vom Schwarzen Meer zur Adria führen soll. Der Balkan – insbesondere Serbien, das Kosovo, Albanien und Mazedonien – stellt in dieser Planung eine der Drehscheiben dar.

Das frühere Jugoslawien ist der Brückenkopf zur eurasischen Landmasse. Seine Transportinfrastruktur ist von größter Bedeutung, denn sie »kontrolliert nicht nur den Balkan, sondern alle Korridore (Bahn, Straße, Fluss und Luft) von Europa zum Nahen und Mittleren Osten«.

Die USA beanspruchen nicht nur den gesamten Balkan, sie wollen auch das Schwarze Meer. Bruce Jackson, Mitglied des »Project for the New American Century« und wichtiger Berater der Regierung George W. Bush, drückte es deutlich aus: Ziel der USA müsse sein, das Schwarze Meer in eine transatlantische Region umzuwandeln.

Die Einverleibung der Krim in den Nato-Bereich hat Putin vereitelt. Jetzt soll wenigstens der Einflußbereich BALKAN nicht verloren gehen.

Womit wir wieder bei den Flüchtlingen gelandet sind
Die Flüchtlingsroute von der Türkei über Griechenland geht durch Mazedonien weiter nach Serbien (und dann nach Ungarn). Durch einen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Mazedonien kann das Land wieder zum Hotspot werden. Natürlich können zur Destabilisierung des Landes auch die unzufriedenen Albaner aktiviert werden. Sie machen ein Drittel der zwei Millionen Einwohner aus, sind zum größten Teil verarmt und in keiner Weise gleichberechtigt.

(Auszüge aus: Peter Orzechowski auf info.kopp-verlag.de)

Rußlands beginnende Vormachtstellung im östlichen Mittelmeer soll blockiert werden.

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