Wie man sozialen Widerstand diskriminiert

Autor: U. Gellermann (rationalgalerie)

Fraglos gibt es in Europa immer noch Antisemiten. Man geht von einem Bodensatz schwer belehrbarer Rassisten in der EU aus, der bei 15 Prozent liegt. Es wird also kaum eine Organisation, eine Zusammenkunft, eine Gegend geben, die ohne ein ebenso blödes wie gefährliches Maß an Antisemitismus auskommt. Und auf der Grundlage dieser eher banalen Statistik weiß das deutsche Medienpersonal ganz sicher: Wenn man jemanden diskreditieren will, muß man ihn nur als antisemitisch bezeichnen. Völlig falsch kann es statistisch kaum sein.

Diese schlichte aber wirksame Lehre beherzigte jüngst für die „Tagesschau“ Barbara Kostolnik aus dem ARD-Studio Paris, als sie zur Protestbewegung „Gelbwesten“ eine Reihe anonymer „Zeugen“ gegen die Revoltierenden aufführte. Der anonyme Zeuge, einst gern im Gewand des Berliner Taxifahrers, war eine beliebte Erfindung der BILD-Zeitung. Dieser primitive Trick des Gossen-Journalismus hat es mit Frau Kostolnik in die Ränge der angeblich seriösen ARD geschafft: Am Rand einer Anti-Gelbwesten-Aktion, der Gegen-Aktion “Rote Halstücher“, sucht und findet die Dame eine Handvoll künstlicher Zeugen. Und wie zu erwarten verurteilen diese Zeugen als erstes „die Gewalt, die Plünderungen und die Blockaden“.

So geht Kaffeehaus-Journalismus: Man sitzt im Café, lutscht am eigenen Daumen und hält den für die wichtigste Quelle der Recherche. Und wenn man sich dann Blasen gelutscht hat, dann, wenn die Stichwörter Gewalt und Plünderungen schon ausgelutschet sind, wenn der Daumen schon bitter schmeckt, dann sagt einem das eigene Körperteil in Gestalt der „Rachida“ noch wörtlich: „Jeden Samstag diese Ausschreitungen, das ginge einfach nicht. Und dann der Rassismus und Antisemitismus, was man da alles von denen in den sozialen Netzwerken gelesen habe, man glaube sich in den Jahren 1939 bis 1945.“ Für diese Kronzeugen-Rolle hat Frau Kostolniks Daumen schnell die „Rachida“ erfunden mit den „wilden Locken, Mitte 50“. Die ist angeblich Muslima, da kommt der erbeigenuckelte Antisemitismus noch besser rüber, irgendwie glaubwürdiger.

Die bei der ARD übliche Portion Fake-Journalismus – hergestellt aus Konformität, Karrieredruck und Dummheit – kommt bei Meldungen über die gelben Westen besonders in Schwung. Denn dort ahnt man, dass die anti-elitäre Bewegung die Lutscher bei der „Tagesschau“ als Teil der verhassten Eliten begreifen würden. Und die Redaktion am Hamburger Hugh-Greene-Weg 1 hat so schöne große Glasfenster. Und die Gehälter deren Mitarbeiter sind als Schweigegeld hoch genug. Um die brutale Armut in Frankreich zu beschweigen, um über die Brutalität der französischen Polizei hinweg zu sehen, um die Schwerverletzten nicht sehen zu wollen und auch nicht die erste Tote zu erwähnen: Eine Rentnerin aus Marseille, die von einer Tränengasgranate der Polizei am Kopf getroffen wurde, als sie gerade dabei war, die Fensterläden ihrer Wohnung im vierten Stock zu schließen. Und so geht es dann wie im Abzähl-Reim der Kinder: Raus aus dem Spiel sind immer die, von denen behauptet wird sie seien Antisemiten.

Es ist Krieg in Frankreich: Der Abwehrkrieg von UNTEN gegen die da OBEN. Es ist ein Jammer, dass Schlachtenbummler wie Frau Kostolnik nie nahe genug an die Schlacht rankommen. Schon dieses oder jenes Gummigeschoss der Polizei, träfe es die Richtigen, könnte einen Denkprozess in Gang setzen, der in deutschen Redaktionen ebenso gesund wie ungewöhnlich wäre.

In der Rubrik GELESEN ist der
Aufruf der ersten Generalversammlung der Gelben Westen
zu finden.

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