Wie Europas Politiker ihre Wähler austricksen

Zahlen, bitte? Wie Europas Politiker ihre Wähler austricksen

Von Univ.-Lektor Prof. mult. Mag. Dr. WALTER WEISS

Obwohl Griechenland schnurstracks in die Pleite wandert, ja im Grunde schon längst dort angelangt ist, wollen EU-Funktionäre und europäische Staatschefs das Unvermeidliche aufhalten. Anstatt der Realität ins Auge zu blicken, bedient man sich allerlei (mehr oder weniger kreativer) finanztechnischer Tricks. Mit messerscharfem Verstand seziert und entlarvt der Autor in seinem Essay die Methoden. Er zieht dabei u. a. auch Parallelen zu Argentinien, das vor knapp 12 Jahren offiziell Konkurs vermeldete. Mittlerweile saniert, wird das Land ausgerechnet jetzt von eigenen Altlasten eingeholt. Und wir Europäer: Werden wir aus der Geschichte lernen?

„Es war aber ein reicher Mann,
der kleidete sich mit Purpurgewand
und köstlicher Leinwand und lebte alle Tage herrlich und in Freuden
.
Es war aber ein Armer, mit Namen Lazarus,
der lag vor seiner Tür voller Schwären.“
Lukas 16, 19-20

Die EU: bloße Transferunion – oder mehr?

Das „ärmste“ Bundesland Österreichs, das Burgenland, trägt zum österreichischen Bruttoinlandsprodukt von rund 300 Milliarden Euro mit 6,30 Milliarden rund 2,1 % bei, Kärnten mit 15,37 Milliarden rund 5 %, und Wien, als reichstes Bundesland, mit seinen 72,1 Milliarden 24 %, also nahezu ein Viertel der alpenländischen Wirtschaftsleistung. Verkürzt gesagt, subventioniert Wien mit seinem Reichtum das Burgenland mit dem Faktor 11,5, und das Dauersorgenkind Kärnten mit dem Faktor 4,8. Jeder Wiener ist 11,5mal produktiver als ein Burgenländer und immerhin noch 4,8mal effizienter in seinem wirtschaftlichen Schaffen als ein Kärntner.

Nur: Wer berechnet schon auf diese Weise Transferzahlungen in seiner Heimat? Keiner. Wer aber moniert über Transferzahlungen in der EU und schimpft darüber? Jeder, dem die EU ein Ärgernis ist.

Da dürfte sich also Seltsames abspielen in den Hirnen der Österreicher – und der Deutschen, Griechen, Italiener, Franzosen etc. fortzusetzen, bis alle 27 in der EU zusammengefassten Nationen aufgezählt sind. Es scheint nämlich unterschieden zu werden, ob es sich um das eigene Land handelt, in dem es zum Finanzausgleich kommt – oder um … die EU? Euroland? Die Nettozahler? Die Nettoempfänger? Den produktive(re)n Norden Europas? Den „faulen“ Süden, der eigentlich aus Euroland eliminiert gehörte?

Österreich und Deutschland hat es nicht immer gegeben: Beide Staaten sind erst geworden

Was spielt sich da ab im Denken? Welcher Österreicher würde so weit gehen, den Rausschmiss des Burgendlandes aus der Alpenrepublik zu verlangen? Kein (?) Deutscher würden den Hinausschmiss Thüringens aus der Bundesrepublik fordern …

Nationalismus – was ist das?

Jedenfalls eine Keule – etwa so eine, wie die „Vetokeule“, mit der das Budget-Treffen der 27 Staatschefs der EU (plus, als 28., dem Vertreter Kroatiens als zukünftigem EU-Mitglied) am 23. November 2012 in Brüssel sang-, klang- und ergebnislos nach nur einer Stunde abgebrochen worden war. Rien ne va plus – dabei ging es um maximal ein Promille der Wirtschaftsleistung der EU (2011: 12,45 Billionen Euro). Das sind immerhin eine Billion Euro, eine Zahl, die man sich kaum mehr vorstellen kann und wo man bereits beginnt, die Nullen abzuzählen: 1000 Milliarden, also 1.000.000.000.000 (1012 in mathematisch-physikalischer Schreibweise, die bekanntermaßen übersichtlicher ist).

Keulen dienen dazu, jemanden zu erschlagen – seit der Steinzeit. Wer die Vetokeule schwingt, blockiert damit – im eben erwähnten Fall – das nächste EU-Budget von 2014 bis 2020. Und wer die Nationalismuskeule schwingt? Der blockiert schlicht das Denken …

Österreich und Deutschland hat es nicht immer gegeben: Beide Staaten sind erst geworden, und die Geburtswehen Deutschlands waren um vieles heftiger als jene Österreichs: Immerhin kann sich der Alpenstaat bis auf die Römer berufen (Provinzen Noricum, Illyrien und Pannonien) und auf eine 600jährige Habsburger-Diktatur. Als Maria Theresia gegen die „Piefkes“ (die österreichische Bezeichnung für Preußen im besonderen und Deutsche im allgemeinen) verlor, war Deutschland noch ein politischer Flickenteppich …

Auch die EU hat heftig „gekreißt“. Sie tut es immer noch, sprich: Sie ist noch immer nicht geboren. Sie steckt im Geburtskanal fest – irgendwie scheint es eine Steißgeburt zu werden, denn wenn der Hintern (der Euro) zuerst kommt und dann erst der Kopf (die „Vereinigten Staaten von Europa“ als Utopie), dann tut‘s eben weh – und dauert vor allem.

Nationalismus bedeutet auf gut Wienerisch: „Z´erscht kumm i, daunn kumm i, und wos daunn kummt, des kummt nie“ (für Bundesdeutsche: „Zuerst komme ich, dann komme ich, und was dann kommt, das kommt nie.“) Es handelt sich um ein Zitat aus einem Lied des Wiener Originals Helmut Qualtinger. Wirtschaftspolitisch bedeutet es: Das Hemd ist mir näher als der Rock, und frieren sollen die anderen, bekannt auch unter „Florianiprinzip“.

Rechte und vor allem rechtsextreme Parteien, quer durch Europa, spielen die nationalistische Karte gerne und erfolgreich aus. Ihnen kommt zupass, dass der Mensch von Natur aus fremdenfeindlich (xenophob) und prinzipiell ängstlich gegenüber Neuem ist: Neues kennt er genausowenig wie Fremdes, also prinzipiell „nein“.

Linke Parteien und jene der Mitte (dem „Zentrum“) mögen solch unflexibles Denken nicht – zumindest nicht öffentlich und offiziell. Der Unterschied zwischen „links“ und „Mitte“ kann freilich oft fundamental sein. „Linke“1 fühlen sich jedenfalls dem Begriff der „Solidarität“, also dem Sich-den-anderen-verbunden-Fühlen, näher als die Vertreter der „Mitte“, die landläufig auch als „konservativ“ bezeichnet wird. Konservatives Denken (vom lateinischen conservare: bewahren; auch die Konserve kommt davon) ist dem „rechten“ Denken jedenfalls näher als dem „linken“: Es will bewahren, und zwar das, was sich bewährt hat. Man nennt das auch „Tradition“ oder „traditionell“. Neues ist mit „bewahren“ nicht gemeint …

Auch die 2,2 Millionen Basken streben von Spanien weg: Sie wollen bis 2015 über eine Loslösung abstimmen und es den Katalanen gleichtun

Fazit: Politiker aller Coleurs tun sich verdammt schwer damit, diese evolutionär bedingte Blockade im Hirn ihrer Wähler aufzubrechen.

Unbedingt weiterlesen bei zeitgeist

 

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