Wie die öffentlich-rechtlichen Sender vermeintlich unabhängige Blogger finanziell „fördern“

von Thomas Röper (anti-spiegel)

Die meisten von uns kennen wahrscheinlich Jung&Naiv. Ich selbst war lange ein großer Fan von ihrer Arbeit, muss aber zugeben, in letzter Zeit meine Zweifel bekommen zu haben.

Ich lernte die Arbeit von Jung&Naiv vor einigen Jahren kennen. Damals stellte Jung&Naiv nicht nur die kompletten Mitschnitte der Bundespressekonferenzen ins Netz, sondern auch jede Woche Ausschnitte, in denen zu sehen war, wie die Sprecher der Regierung bei unbequemen Fragen ins Schwitzen kamen und sich manchmal sogar selbst widersprachen. Das war gleichzeitig unterhaltsam und informativ, denn wer schaut sich schon die ganze Bundespressekonferenzen an? So eine Veranstaltung dauert in der Regel etwa eine Stunde und ist selbst für politisch Interessierte sterbenslangweilig. Die meisten Fragen sind langweilig, die Antworten auch und je spannender ein Thema, desto nichtssagender werden die Antworten. Die Bundespressekonferenz ist die Meisterschaft in der Disziplin „Nichts sagen mit vielen Worthülsen“. Da war Jung&Naiv super, denn sie haben die Highlights Woche für Woche veröffentlicht.

Jung&Naiv war ein wirklich kritisches Medium, dass den Politikern auf den Zahn gefühlt hat und da nachgebohrt hat, wo es vielleicht nicht unbedingt weh getan hat, aber zumindest ausgesprochen peinlich wurde.

Irgendwann wurde das immer weniger, es lässt sich nicht genau sagen, wann das begann. Ich habe mal im YouTube-Kanal von Jung&Naiv zurück gescrollt und es war wohl Anfang 2017, also schon vor zwei Jahren, als diese kritischen Ausschnitte mit der Zeit verschwanden. In 2018 war es kaum mehr eine Hand voll. Und es betraf auch nur noch die Politiker, die auch der Mainstream ohnehin gerade attackierte. Wenn ich nichts übersehen habe, hat Jung&Naiv den letzten solchen Ausschnitt im Oktober online gestellt und dabei Horst Seehofer im Fokus gehabt. Aber eine kritische Verfolgung des Regierungssprechers Seibert, die früher Standard bei Jung&Naiv war, findet zum Beispiel nicht mehr statt.

Nun muss man sich fragen, wie das kommen konnte. Und ich sage es gleich vorweg: Insiderwissen dazu habe ich nicht, aber ein paar interessante Dinge habe ich schon beobachtet. Ich teile also nun meine Beobachtungen mit und interpretiere die, aber ich kann natürlich dabei auch falsch liegen. Fakt ist jedoch, dass Jung&Naiv mit der Zeit von einem kritischen Kanal zu einem angepassten Medium geworden ist.

Jung&Naiv hat zu Beginn seiner Arbeit 2013 mit seinen kritischen Filmen eine große Fangemeinde gesammelt. Ich weiß nicht mehr, wann das war, es wird wohl zwei oder drei Jahre her sein, da war das Team von Jung&Naiv in Russland und hat über die Reise auch auf Facebook berichtet. Die Reise wurde von der FDP-Parteistiftung, der „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“, finanziert und organisiert.

Zu dieser Zeit war ich noch nicht öffentlich mit meiner Seite aktiv, aber ich hatte mich zu der Zeit gerade mit den Büchern „Gekaufte Journalisten“ und „Meinungsmacht“ beschäftigt, in denen herausgearbeitet wird, wie die Presse in Deutschland so gelenkt wird, dass sie wirkt, als wäre sie gleichgeschaltet. Und eine der ausführlich behandelten Methoden wurde genau beschrieben: Man lädt junge Journalisten zu Reisen, Schulungen, Konferenzen etc. ein und bezahlt natürlich alles. Wer danach mit der Zeit in seiner täglichen Arbeit nicht im Sinne der Veranstalter berichtet, wird dann irgendwann nicht mehr eingeladen. Wer eingeladen wird, macht kostenlos spannende Reisen mit, darf auf interessante Konferenzen fahren, lernt wichtige Leute kennen, spannt Netzwerke und wird dabei gleichzeitig langsam aber sicher Teil des großen deutschen Netzwerkes aus Medien und Politik. Es ist ein einfaches Mittel, das Udo Ulfkotte aus eigener Erfahrung in dem Buch „Gekaufte Journalisten“ ausführlich beschreibt.

Und da sah ich natürlich sofort Parallelen zu der Reise der Friedrich-Naumann-Stiftung, an der Jung&Naiv damals teilnahm. Das schrieb ich denen auch auf Facebook in die Kommentare zu einem ihrer Reiseberichte aus Russland, woraufhin ich aber keine Antwort bekam, sondern von ihnen kurzerhand blockiert wurde. Und ich schrieb ihnen höflich und habe auf die Gefahr hingewiesen, durch solche Reisen instrumentalisiert zu werden, ich war nicht etwa beleidigend.

Heute sind auf dem YouTube-Kanal von Jung&Naiv praktisch nur noch ganze Bundespressekonferenzen zu sehen, ohne kritische Beiträge. Oder es gibt dort Interviews, wobei sich bei Jung&Naiv heute das who-is-who der deutschen Politik einfindet und kein Politiker muss befürchten, von Tilo Jung mit allzu kritischen Fragen vorgeführt zu werden. Die Interviews haben einen gewissen Wohlfühl- und Kuschelcharakter. Mittlerweile gab es 400 solcher Interviews. Und auch Regierungssprecher Seibert, der noch vor wenigen Jahren auf jede Frage von Tilo Jung sichtlich genervt reagierte, kommt heute gerne zum Smalltalk zu Jung&Naiv, um ein Jubiläum des YouTube-Kanals zu würdigen. Auf die Idee wäre Seibert vor vier Jahren sicher nicht gekommen.





Jung&Naiv war auch schon in Afghanistan. In den Videos baten sie um Spenden, weil die Reise so teuer war. Aber sie berichteten aus dem Bundeswehr-Standort dort und durften auch den kommandierenden deutschen General interviewen. Diese Reise muss also – egal, wer sie ganz oder teilweise bezahlt hat – in Zusammenarbeit mit der Regierung gemacht worden sein, denn so einfach kommt man da nicht rein. Und spätestens seit dem Irak-Krieg wissen wir, dass Embedded Journalisten das abliefern, was von der Armee gewollt ist, aber garantiert nicht kritisch berichten.

Jung&Naiv muss man inzwischen als junges aber an den Mainstream angepasstes Medium bezeichnen. Jung ist das Format also noch, aber ob es auch noch naiv ist, kann man diskutieren.

Und die unterhaltsamen Sahnestücke aus der Bundespressekonferenz bekommt man heute leider nicht mehr Jung&Naiv, diese freigewordene Nische hat nun RT-Deutsch besetzt, die manchmal solche Ausschnitte zeigen.

Jung&Naiv ist sicher keine alternative Plattform mehr, sondern nur noch eine junge Plattform, die sich aber dem Mainstream angepasst hat. Da überrascht es nicht, dass Jung&Naiv nun einen Sendeplatz im ZDF bekommen soll, obwohl die Details des Formats noch nicht bekannt sind. Tilo Jung ist auf dem Weg nach oben und ist dabei vom Weg der Kritik abgekommen. Wo Geld und Ruhm locken, ist eben Flexibilität gefragt. Man darf gespannt sein, was wir da zu sehen bekommen.

Aber das deutsche Staatsfernsehen (sorry, es muss natürlich „öffentlich-rechtlich“ heißen) hat das Internet für sich entdeckt. YouTube und ähnliche Kanäle jagen den Fernsehsendern die Zuschauer ab und so hat man dort überlegt, was man dagegen tun kann. Ganze 45 Millionen Euro jährlich geben ARD und ZDF inzwischen an Blogger weiter. Da werden also viele vermeintlich kritische junge Blogger mit YouTube-Kanälen von ARD und ZDF mit Geld angefüttert, damit sie nicht gar zu kritisch berichten. Und wer erst mal vom Kuchen gekostet hat, kommt schnell auf den Geschmack. So sind einige der bei jungen Leuten beliebten Blogger längst auch mit Beiträgen online, die wohl von den öffentlich-rechtlichen bestellt wurden. Es geht sogar so weit, dass ein Blogger ganz kindgerecht im Comic-Stil darüber aufklärt, warum die öffentlich-rechtlichen Sender seiner Meinung so wichtig sind. Und wenn solche Videos von Bloggern kommen, die von den öffentlich-rechtlichen Sender finanziell „gefördert“ werden, dann bekommt das ein „Geschmäckle“.

Und Jung&Naiv wird nicht nur von den öffentlich-rechtlichen Sendern finanziell „gefördert“, die bekommen gleich eine eigene Sendung dort. Ob sie wohl frei über die Inhalte entscheiden können? Wir können ja mal eine Wette abschließen, ob das eine kritische und unbequeme Sendung wird oder nicht…

Nachtrag: Anscheinend hat dieser Artikel den Nerv vieler Leser getroffen, denn ich bekomme hierzu Feedback. Der O-Ton der Rückmeldungen von Leuten, die ebenfalls mit Tilo Jung zu tun hatten (sei es in sozialen Netzwerken oder per Mail) bestätigt meine Erfahrung: Selbst auf freundlich gemeinte und nett formulierte kritische Hinweise reagiert Tilo Jung mit Blockieren der betreffenden Nutzer in sozialen Netzwerken und mit „ausfallenden“ (Zitat aus der Nachricht eines Lesers) E-Mails. Wie mir dieser Leser schrieb: „Habe dann ähnlich wie Sie mal die Beiträge (auf dem YouTube-Kanal von Jung&Naiv) durchgesehen und es hat natürlich einen Grund, warum Herr Jung mittlerweile mit Herrn Maas im Flieger sitzt.“

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9 Kommentare

  1. Da hat (wieder mal) einer seine Seele an den Teufel verkauft und betet Mamon an. Das war schon seit längeren jeden klar, der seine Beiträge von früher kannte. Solche Typen sind widerlich wie Hundedreck an Schuhen. 

  2. Feige käufliche Ratte! Ich hasse solche Typen, denen Zaster wichtiger ist als jeglicher Anstand, Werte und Moral. All das fehlt. Denn nur darum ist es bei uns so korrupt wie es ist! Diese ganzen Arschkriecher und Mitläufer, Ja-Sager und Profiteure, pfui Deifel! Da hat sich ein Schlag Menschen breitgemacht fernab jeder anständigen Erziehung. Die würden sogar ihre eigene Mutter verkaufen für die richtige Entlohnung. Oder eben ihre Seele an den Teufel. Schande über sie!

    Kommen auf der Arbeit auch oft vor, diese Anscheißer und karrieregeilen Verräter: "Meister! Meister! Im Keller brannte noch Licht, aber ich hab´s schon ausgemacht. Muß der und der angelassen haben."

    So. Genug aufgeregt.
    Werfe jetzt mal ein paar Knochen und spreche einen Fluch über diese Typen aus…crying 
    Dann geht´s besser.

    • Zulu,

      nachdem ich mich heute wieder durchs Netz gearbeitet habe, habe ich mich entschlossen, mir eine große Portion Popcorn zu besorgen und mich zurückzulehnen. Was ich da alles gelesen habe ist unglaublich. Ich lehne mich jetzt zurück und genieße die Show.

      • Welche Show? Dünnhungern mit Heidi oder Dreckfressen im Dschungel?

        Egal, hauptsache die Synapsen hören zwischendurch mal auf zu qualmen…kenne das. 🙂
        Berieselung muß auch mal sein.
        Aber was soll man außer Surfen auch groß machen, wenn man mal Langeweile hat?

        Naja, hab heute mein Auto vom TÜV abgeholt (Juhuu!), war noch im Shopping-Center, aber nix gekauft, nur rumgekuckt. Langweilig! Dann wieder vor´n PC…haha! Mudder´s Photokollage weiter vorranbringen.

        Man kann den Mist nicht ständig lesen, das stimmt. Nur, man denkt, man verpasst evtl. was? Es ist so ein Ritual geworden, bei Dir auch? Wir sind ja beide "Homies": Morgens aufstehen, erstmal alle Seiten durchlesen. Danach hat man eigentlich schon gar keinen Bock zu gar nix mehr, lol!

        Das Wetter ist auch so mies zur Zeit hier. Nur Nieselregen und kalt. Bäh.

        • Hi Zulu, ich meinte damit nicht, dass ich mich ausklinke, sondern dass ich mich nicht mehr darüber aufrege, dass die ganze Welt durchgeknallt ist. Sie werden sich mit der Zeit alle selbst demontieren. Es ist nur noch mit Humor zu ertragencool

          • Schon klar, Angsthase. Humor, oder eben eine Armlänge Sicherheitsabstand. Gibt ja noch genug andere spannende Themen im Internetz, oder auch Abseits davon.

            Gehe nachher los und besorge einen GROßEN Suppentopf. Wollte ich immer schon haben…bei mir kocht nämlich immer alles über oder muß 2 Pötte nehmen. Dann Einkaufen und lecker Gemüsesuppe ansetzten. Genau das richtige bei dem Schietwetter.

            Und Haare schneiden. Hab gestern schon angefangen…sieht nicht ganz so gut aus, haha! Mach ich halt wieder alles kurz, egal. Hauptsache ein Plan für heute.

            So, jetzt aber erstmal Nachrichten lesen…und danach bestimmt wieder ins Bett.
            Auch egal.cool
            God dag for deg!

    • "Da hat sich ein Schlag Menschen breitgemacht fernab jeder anständigen Erziehung."

      Ich befürchte, dieser Menschenschlag war schon zu allen Zeiten da, hat sich also nicht erst jetzt breitgemacht.  Wieviele verantwortunglose oder verlogene Aussagen von Massenmedien kann man nicht gerade aus dem 19. und 20. Jahrhundert nachweisen!  Damals natürlich hauptsächlich Preßerzeugnisse nach dem Motto:  "Lügt wie gedruckt." Der Erste und der Zweite Weltkrieg wäre nie gekommen, wenn nicht bezahlte Hetzer die Völker gegeneinander aufgehetzt hätten, so Leute wie Slomka und Kleber.  Und diese Brunnenvergifter müssen nie die Strafe für ihr Unheil tragen.  Und bei uns Frau Merkel ja auch nicht für die zahlreichen Morde an jungen Frauen, die sie auf dem Gewissen hat. 

      Die Verräter werden selten bestraft.  Plutarch berichtet, daß der Ephialtes, der den Soldaten des Perserkönigs Xerxes den Geheimweg zum Engpaß an den Thermophylen zeigte, durch die der König Leonidas und seine 300 tapferen Spartaner getötet wurden, von seinen Goldstücken das Dach seines Hauses decken konnte, aber später wegen einer reinen Privatfehde umkam, die mit seinem Verrat nichts zu tun hatte.

      https://de.wikipedia.org/wiki/Ephialtes_von_Trachis

      • Schon klar, Jürgen II. Türlich, die gab´s schon immer. Jesus & Caesar wurden verraten…auch jeder Krieg ist im Grunde Verrat, nämlich an der Zivilisation. Denn dort verdienen gleich mehrere Parasiten gemeinsam. Manche Zeiten ändern sich halt leider eben nie. Man wäre wohl selbst "Jung&Naiv" zu glauben, wir hätten aus der Geschichte gelernt und solches Verhalten würde in Zukunft als moralisch-schändlicher Straftatbestand geächtet aufgelistet oder wäre sonst irgendwie aus unserer Gesellschaft verbannt worden im Laufe der Jahrhunderte. Niente.

        Gut, es gibt Hochverrat, Technologiediebstahl usw. Aber wie Du schon sagst: Who cares. Es wird weder konsequent angewendet noch weiter verfolgt. Es gehört einfach dazu. Das finde ich so schlimm. Bei uns ist das ganze Geschachere dazu noch sehr extrem vertreten. In meiner Firma auch. Aber wenn ich darüber rede, wäre ICH der Verräter! Das ist irre.

        Wie uns das ZDF mit der Ukraine belogen hat, mit bezahlten Schauspielern und alten Bildern aus dem Georgienkrieg. Das muß man sich mal vorstellen. Die Profiteure riskieren (oder wollen/sollen) sogar einen Krieg vom Zaun zu brechen, mit allem was geht. Mehr kriminelle Energie geht doch gar nicht! Ohne Nachspiel. Man kennt sich, man deckt sich.

        Pah! In solchen Kreisen will ich nicht verkehren. Möchte morgens noch in den Spiegel schauen und abends ruhig schlafen können.

         

  3. So wird es doch mit vielen gemacht. Nach dem Motto: Kaufe deinen Feind ein, dann wird er zu deinem Freund. Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein. Da wird Thilo Jung nicht der letzte sein.

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