Wie Deutschland einen großen Teil seiner Zukunft verspielt hat – Teil 1

von Joachim Jahnke

(hier zur pdf.Fassung zum Ausdrucken)

1. 16 überlange Merkel-Jahre
2. Weiterer Abbau der sozialen Marktwirtschaft
3. Immer weniger Sozialwohnungen, immer höhere Mieten
4. Merkels „schwarze Null“ und die Folgen: Sag mir, wo die öffentlichen Investionen sind?
5. Versagen in der Bildungspolitik: Kein Fortschritt in sozialer Gerechtigkeit
6. Merkels Renten- und Pflege-Chaos
7. Von schmutziger Kohle zu schmutzigen Autos: Merkels gescheiterte Umweltpolitik
8. Die Zuwanderung der Millionen, die nur selten wirkliche „Flüchtlinge“ sind

1. 16 überlange Merkel-Jahre

Nach 16 überlangen Merkel-Jahren an der Spitze der Bundesregierung und wenige Tage vor ihrem Ende darf man versuchen, die Erbschaft für unser Land zu beurteilen. Die meisten Teile dieser Erbschaft sind in der Tat schon längst angefallen. Viel von unserer Zukunft wurde schon verspielt. Dabei ist Merkel immer eine Meisterin in der Verbreitung einschläfernder, weil Probleme und Risiken verdrängender Wohlgefühle gewesen, wie mit dem platten Slogan zur letzten Bundestagswahl: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Ihr charakteristisches Merkellächeln, das sie sich erst als Bundeskanzlerin zugelegt hat, hat ebenfalls auf sehr viele Menschen, die die Probleme meist ohnehin nicht sehen wollten, beruhigend gewirkt. Merkel war die erste Kanzlerin, die ihre Politik weitgehend an schon vorhandenen oder von ihr erwarteten Umfragewerten orientierte. Notwendige, aber unpopuläre Reformen verschob sie daher gerne, und generell war sie als Meisterin im Aussitzen von Problemen bekannt, auch solchen, die sich nicht aussitzen lassen. Sie hatte das von ihrem Ziehvater Kohl („… die Karawane zieht weiter.“) gelernt. Die Hände vor dem Bauch wurden zum Zeichen des Abwartens.

 

Dabei fällt insgesamt eine in dem von Merkel bekleideten hohen Amt erstaunliche Kurzsichtigkeit auf. Weder hat sie die Entwicklung Chinas, noch die der Türkei rechtzeitig erkannt, und deshalb ein enormes Maß an unterschiedlichen Abhängigkeiten Deutschlands von beiden Ländern in Kauf genommen. Noch hat sie rechtzeitig die sich schon früh abzeichnenden Migrationsgefahren wahrgenommen und die deutsche Hilfe für die noch in den Lagern der Konflikträume ausharrenden Menschen rechtzeitig hochgefahren (statt das genaue Gegenteil zu tun). Ebenso hat sie in der Umweltpolitik den frühzeitigen Abschied von der Kohle verpaßt, zu früh die Kernenergie aufgegeben, die Probleme mit den regenerativen Energieträgern, wie zuletzt der Windenergie, unterschätzt und und viel zulange in der EU für hohe Abgaswerte großvolumiger PKWs gekämpft. Die verhängnisvolle demographische Entwicklung Deutschlands wurde verschlafen und damit ein familienpolitisches Gegensteuern und eine ausreichend weitsichtige Rentenpolitik. Ähnlich wurde der überwiegend demographisch bedingte starke Anstieg des Bedarfs an Pflegekräften lange übersehen. Der immer weiter zunehmende Mangel an Sozialwohnungen wurde weitgehend tatenlos hingenommen. Die Steuer- und Sozialpolitik wurde nicht an die stark auseinanderlaufende Entwicklung von Einkommen und Vermögen angepaßt. In ihrer Liebe für die „schwarze Null“, die sie über eine Grundgesetzänderung auch den Bundesländern auferlegt hat, und in ihrer Abneigung gegen eine Finanzierung über mehr Steuern für den wohlhabenden Teil der Bevölkerung hat sie dringend notwendige Zukunftsinvestitionen in die öffentliche Infrastruktur vom Verkehr, über die Bildung bis zur Digitalisierung fast total vernachläßigt.

2. Weiterer Abbau der sozialen Marktwirtschaft

Trotz des Anscheins einer Mitte-Links-Politik hat Merkel die soziale Marktwirtschaft in Deutschland tatsächlich weiter abgebaut. Sie hat nichts von den sozialen Untaten ihres Vorgängers korrigiert, so daß sich die sozialen Verwerfungen automatisch weiter auftürmen konnten (siehe letzte zwei Rundbriefe). So ist die soziale Gerechtigkeit nach der neuesten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer das wichtigste Thema für die Wahlentscheidung für 51 % der Befragten geworden, weit vor dem Klimaschutz mit 39 %, dem Coronavirus mit 23 % und dem Thema Flüchtlinge und Asyl mit 21%. Die Menschen haben längst begriffen, daß hier etwas fundamental falsch läuft, was vor allem Merkels CDU jetzt vor die Füße fällt, zumal man Laschet bei diesem Thema nach seinen Aussagen zur Steuerpolitik Veränderung nicht zutraut.

Das Vermögen der Haushalte konzentrierte sich immer mehr im obersten Prozent der Haushalte, wo es im Durchschnitt auf über 11 Mio. Euro stieg, während die ganze untere Hälfte gar kein nennenswertes Vermögen aufbauen konnte und auch die ganze Mitte von 50 % bis 90 % nur auf durchschnittlich 390.000 Euro kam (Abb. 21278).

 

Dazu trug die schwere Weltfinanzkrise bei, die sich auf Deutschland ausbreiten konnte, weil die deutsche Banken- und Finanzmarktaufsicht unter Merkels Regierung genauso versagte, wie in vielen anderen Ländern. Im Ergebnis hat Merkel die meist wohlhabenden Finanzierer einiger Banken, die ihnen über den Kauf von Anleihen Milliarden an Spielkapital besorgt hatten, mit staatlicher Beteiligung oder Staatsgarantien vor Verlusten bewahrt, während sie diese der Allgemeinheit zuschob.

Merkel war immer eine begeistere Anhängerin und Aktivistin für eine ziemlich ungeregelte Globalisierung mit absolut offenen Grenzen für Waren und Finanzen. Dafür sprechen allein 12 Reisen nach China, in denen es immer um noch mehr an wirtschaftlicher Integration und damit unvermeidlich um die Steigerung von die deutschen Löhne drückenden Billigstimporten aus China ging.

Auch über die Steuer- und Haushaltspolitik ist in den Merkel-Jahren viel geschehen, um die soziale Marktwirtschaft weiter abzubauen. So entwickelten sich die Einnahmen aus der primär die Arbeitnehmer treffenden Lohn- und der Umsatzsteuer über die Merkel-Jahre wesentlich stärker als die aus der Abgeltungssteuer für Zins- und Veräußerungserträge oder die aus der Körperschaftssteuer, obwohl Vermögens- und Unternehmenseinkommen über diese Jahre besonders stark und viel stärker als Löhne und Gehälter gestiegen sind (abgesehen vom Krisenjahr 2020, Abb. 20566). Merkels Steuerpolitik, zu der sich auch die SPD hergab, war zutiefst unsozial.

 

Die Armutsquote ist über die Merkel-Jahren auf 14,8 % gestiegen; so daß jede/r Siebente armutsgefährdet ist (Abb. 20514). Betroffen sind dabei sehr viele Kinder und Jugendliche. Entsprechend stieg auch der Anteil der trotz Arbeit Armen (Abb. 19782). Zwar konnte die SPD gegen Merkel endlich die Einführung des Mindestlohns durchsetzen. Doch sorgte Merkel mit der Berufung der 2014 eingerichteten Mindestlohnkommission, in der die Arbeitnehmerseite nur drei von neun Mitgliedern stellt, praktisch dafür, daß der Mindestlohn viel zu tief angesetzt wurde. Merkels stets wiederholter Spruch „sozial ist, was Arbeit schafft“ klingt vor diesem unsozialen Hintergrund wie Hohn. Außerdem hat sich über die ganze Amtsperiode Merkels die Lohndiskriminierung der Frauen nicht verändert. Sie ist einsame Spitze in W-Europa. Gerade von einer Bundeskanzlerin hätte man mehr Abhilfe erwartet.

 

 

 

3. Immer weniger Sozialwohnungen, immer höhere Mieten

Über die Merkeljahre setzte sich der Abbau der Sozialwohnungen fort. Von 2005 bis 2020 ging die Zahl der Sozialwohnungen um schon 49 % zurück (Abb. 20520). Merkels Regierung tat sehr wenig, um diesen Entwicklungen entgegenzutreten. So schritt auch hier die soziale Spaltung fort. Dabei waren die Merkel-Jahre durch einen ständigen Anstieg der Preise für Wohnimmobilien gekennzeichnet. Zwischen 2006 und 2018 stiegen diese um durchschnittlich 46 %, in 7 Großstädten sogar um 95 % und in 127 Städten um 72 % (Abb. 20295).

 

 

 

4. Merkels „schwarze Null“ und die Folgen: Sag mir, wo die öffentlichen Investionen sind?

Deutschland ist schon wegen seiner lange Jahre durchgehaltenen Politik der „schwarzen Null“ besonders knauserig bei der Finanzierung staatlicher Investitionen gewesen. Mit einer Investitionsquote von nur 2,26 % an der Wirtschaftsleistung lag Deutschland 2018 am Ende des internationalen Feldes (Abb. 20511). Diese Quote lag schon 2004 bei 2 % und stagniert seitdem. Viel zu wenig wurde vor allem in die Verkehrsinfrastruktur, die Schulen (vor allem Schulgebäude) und die digitale Infrastruktur investiert. Das gilt auch für Investitionen in den Umweltschutz, wie sich jetzt wieder bitter bei der Hochwasserkatastrophe zeigte.

 

Wichtige Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie Bahn und Post, an der der Bund nach Privatisierung nur noch 20 % der Anteile hält, wurden vernachlässigt. Dabei wurde die Bahn hemmungslos der Konkurrenz von LKW- und Bus-Verkehr ausgesetzt, die kostenlos das deutsche Straßennetz benutzen können. Vernachlässigt wurden ebenso Investitionen in den Öffentlichen Nahverkehr, wobei der Nahverkehr weitgehend dem umweltschädlichen PKW-Einsatz überlassen wurde. Straßen und Brücken sind teilweise in einem miserablen Zustand. Gerade in allen diesen Bereichen fehlt es an den notwendigen Zukunftsinvestitionen in eine moderne Volkswirtschaft.

Immer mehr Krankenhäuser wurden auf Druck auch der Bundesregierung zusammengelegt, geschlossen oder privatisiert und müssen seitdem Gewinne für ihre Aktionäre und Anleihezeichner erwirtschaften, die am Kranksein anderer Menschen verdienen wollen. Sie sind also für staatliche Investitionen nicht mehr erreichbar. Der Anteil privatbetriebener Krankenhäuser stieg von 26 % auf 38 % (Abb. 21272). Die größte Gruppe Helios Kliniken betreibt allein 216 Kliniken in Deutschland.

 

5. Versagen in der Bildungspolitik: Kein Fortschritt in sozialer Gerechtigkeit

Bildungspolitik ist zwar Ländersache, doch der Bund ist an der Finanzierung direkt und indirekt über die Steuerverteilung mit den Ländern mitbeteiligt, und das besonders bei der so wichtigen, aber bisher völlig unzureichenden digitalen Ausrüstung. Bis Ende Juni sind nämlich aus dem 6,5 Milliarden Euro schweren Digitalpakt ganze 852 Millionen abgerufen worden – gerade mal 13,1 % der Gesamtsumme. Und das, obwohl der Pakt bereits seit Mai 2019 in Kraft ist und die Coronakrise den Bedarf an einer digitalen Aufrüstung der Schulen schmerzlich vor Augen geführt hat.

Eine Studie, die der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm für den DGB erstellt hat, stellt eine „Konstanz sozialer Ungleichheit in und durch Deutschlands Schulen“ fest. Die Gesamtbewertung für das deutsche Schulsystem fällt dementsprechend schlecht aus: Bei der im Jahr 2018 durchgeführten Pisa-Studie landete Deutschland beim Ausmaß sozialer Ungleichheit unter 36 teilnehmenden OECD-Ländern auf Platz 33. In der Grundschule bietet sich „das Bild einer Stagnation, teils aber auch das einer tendenziellen Verschärfung sozialer Ungleichheit in der Mathematik und beim Lesen“ (Abb. 21279).

 

Beim Übergang von der Grund- zur weiterführenden Schule sind die Ergebnisse nicht ermutigend. Demnach hatte 2001 – bei gleich guten Schulleistungen – ein Grundschulkind von Eltern aus Dienstleistungsberufen eine um den Faktor 2,63 höhere Chance auf eine Gymnasialempfehlung als Kinder aus dem Arbeitermilieu. Dieser Indikator sozialer Benachteiligung hat sich zwischen 2001 und 2016 kontinuierlich von 2,63 auf 3,37 verstärkt.

Deutschland liegt bei den höher qualifizierten Bildungsabschlüssen (Studienabschluss oder ein vergleichbares Examen) mit nur 33 % immer noch deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-Länder von 45 % auf dem vorletzten Platz vor Italien (Abb. 20945).

 

Fortsetzung folgt in Teil 2.

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5 Kommentare

  1. "Noch hat sie rechtzeitig die sich schon früh abzeichnenden Migrationsgefahren wahrgenommen und die deutsche Hilfe für die noch in den Lagern der Konflikträume ausharrenden Menschen rechtzeitig hochgefahren (statt das genaue Gegenteil zu tun)."

     

    Kann mir mal jemand erklären, wer das glauben soll … für wie blöd hält man uns hier eigentlich ???

    Sie hat nicht nur rechtzeitig wahrgenommen, sondern hat im Sinne ihrer Auftraggeber, diesen Irrsinn zum Schaden des deutschen Volker im vollem Bewußtsein angeordnet. bzw. herbeigeführt.

    Nicht eine Sekunde hat sie dem Deutschen Volk gedient, sondern denen, welche schon immer den Untergang der Deutschen herbeigesehnt haben.

    Es ist sicher überflüssig zu erwähnen, daß ich mir das weitere Lesen des elend langen Artikels nicht mehr antue.

    Wir Erinnern uns Deutschland verrecke, Ziel schon längst erreicht !!!!!

    • Stahli, vergiß es einfach!  Dieter konfrontiert uns des öfteren mit solchem Schrott!  🙂

       Allerdings, ich glaube nicht, daß "das Ziel" (die Vernichtung von "Amalek") schon erreicht ist!  Nach Deagelliste und Georgia guide stones geht es allein um eine Reduzierung!  Nur, wer läßt sich "reduzieren"?  Klingt furchtbar, ich weiß!  Eben nicht die, die noch wenigstens einen Teil ihrer Tassen im Schrank haben! 

       Das bringt mich zu der Überlegung, da es ja anderswo nicht anders sein wird (!), diese NWO – Bestrebungen, man mag davon halten, was man will, aber, was für eine "Auslese" wird hier eigentlich betrieben?

      • Das frage ich mich auch schon lange. Wer sind die, die übrig bleiben sollen? Wie Du schon sagst, es geht um Reduzierung, nicht um Entvölkerung. Wer bekommt die Placebos?

        •  Ich glaube nicht, daß da allzuviel Placebos verteilt werden!  Unsere Politpensionäre sind doch, laut diesem Attali(?), auch nur noch nutzlose Kostgänger …  Das werden dann überwiegend schon die Ungeimpften sein müssen?

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