Wer profitiert von der Vergiftung eines russischen Emigranten in Großbritannien?

Finian Cunningham (antikrieg)

Die Briten sind bekannt für ihr dramatisches Gespür, wenn es um Geschichten über Spionage im Kalten Krieg und um Mordgeheimnisse geht. Denken Sie an Ian Fleming, John Le Carré und Agatha Christie.

Aber die Episode dieser Woche, in der ein ehemaliger russischer Spion auf einer öffentlichen Parkbank in einer malerischen englischen Stadt vergiftet wurde, weist verdächtig zu viele dramatische Aspekte auf.

Es wird spekuliert, dass der russische Emigrant, der seit 2010 in Großbritannien lebt, mit einem tödlichen Nervengas vergiftet worden sein könnte. Berichten zufolge befindet er sich im Krankenhaus in einem kritischen Zustand.

Innerhalb weniger Stunden, nachdem der 66-jährige Sergej Skripal zusammen mit seiner erwachsenen Tochter ins Krankenhaus nach Salisbury gebracht worden war, kurbelten britische Politiker und Medien die Geschichte an, dass das Paar Opfer eines Mordanschlags geworden sei, in den der Kreml verwickelt ist.

Die britische Premierministerin Theresa May hielt in der Downing Street einen Gipfel zur nationalen Sicherheit ab, und ihr Außenminister Boris Johnson teilte dem Parlament am Dienstag mit, dass weitere Sanktionen gegen Russland verhängt würden, „wenn“ Moskau in den offensichtlichen Vergiftungsvorfall verwickelt sei.

Johnsons Gebrauch des Wortes „wenn“ schien irrelevant zu sein, denn er hatte bereits die Spur in Richtung auf die dichte und schnelle Beschuldigung Russlands gelegt. „Wir wissen nicht genau, was in Salisbury geschehen ist, aber wenn es so schlimm ist, wie es aussieht, dann ist es ein weiteres Verbrechen in der Litanei der Verbrechen, die wir an Russlands Tür legen können“, sagte Johnson mit betroffener Ernsthaftigkeit und bemerkenswerter Eile, Moskau zu belasten.

Moskau hat die grassierenden Spekulationen als „wilde“ Behauptungen abgetan, die darauf abzielen, in der britischen Öffentlichkeit die „antirussische Stimmung“ hochzupeitschen.

Britische Medien beeilten sich daraufhin, von Sicherheitsquellen zu berichten, welche besagten, dass die britischen Anti-Terror-Kräfte „ein Netzwerk hoch qualifizierter Attentäter jagen, die im Verdacht stehen, einen Nervengas-Angriff zu starten“. Die mutmaßlichen Mörder wurden auch als „staatlich gesponsert“ bezeichnet und vermutet, dass sie Zugang zu einem „Speziallabor“ haben.

Es wird spekuliert, dass Sergei Skripal und seine 33-jährige Tochter Yulia bei einem Nachmittagsspaziergang durch ihre Wahlheimat Salisbury am Sonntag dem tödlichen Nervengift VX ausgesetzt waren.

Skripal hatte in den letzten acht Jahren in Großbritannien gelebt, wo er im Rahmen eines Spionenaustausches im Exil war. Der ehemalige Oberst des Militärgeheimdienstes GRU wurde 2006 von Russland des Verrats für schuldig befunden, nachdem er als Doppelagent für den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 entlarvt worden war. Nachdem er vier Jahre im Gefängnis in Russland gesessen hatte, wurde der entehrte Spion in einem Austausch im Stil des Kalten Krieges an das Vereinigte Königreich übergeben.

Was in den britischen Medien leichtfertig spekuliert wird, ist, dass der Kreml Skripals Ermordung aus Rache für seinen vergangenen Verrat angeordnet hat.

Um die Anspielung unter Dach zu bringen, werden Vergleiche mit dem Tod eines anderen russischen Geheimdienstmitarbeiters Alexander Litwinenko angestellt. Dieser starb 2006 in einem Londoner Krankenhaus an einer vermuteten Vergiftung mit radioaktivem Polonium. Wiederum haben sich die britischen Medien und Politiker mit haltlosen Anschuldigungen über die Beteiligung des Kremls an Litwinenkos Tod beschäftigt.

Wie beim Skripal-Fall in dieser Woche sagte Moskau, dass es nichts mit Litwinenkos Tod zu tun habe. Eine dubiose halbamtliche britische Untersuchung kam im Januar 2016 zu dem Schluss, dass es „starke Indizien für die staatliche Verantwortung Russlands“ im Zusammenhang mit Litwinenkos Tod gab. Die britische Untersuchung erbrachte keine Beweise.

Andererseits gibt es plausible Hinweise darauf, dass Litwinenko durch seinen eigenen fragwürdigen Umgang mit organisierter Kriminalität und internationalem Poloniumschmuggel versehentlich vergiftet worden sein könnte.

Auf jeden Fall ist die wirkliche Ähnlichkeit zwischen dem Fall Sergej Skripal und Alexander Litwinenko die zynische Art und Weise, wie die britischen Behörden ihn für antirussische Propaganda ausnutzen.

Es scheint sehr bedeutsam zu sein, dass die Präsidentschaftswahlen in Russland später in diesem Monat stattfinden sollen. Gibt es einen besseren Weg, den erwarteten Wahlsieg des amtierenden Präsidenten Wladimir Putin anzupatzen, als den Kreml zu beschuldigen, auf britischem Boden einen Mordanschlag gegen einen ehemaligen russischen Spion zu verüben?

Denken Sie darüber nach. Der Zeitpunkt einer solchen angeblichen Verschwörung wäre aus russischer Sicht geradezu unsinnig. Warum sollte ein ehemaliger russischer Agent, der seit fast einem Jahrzehnt ruhig und ungestört in England lebt, am Vorabend der russischen Präsidentschaftswahlen durch Kreml-Rächer ins Visier genommen werden? Das ergibt keinen Sinn.

Die vertraute Frage des Detektivs „wem nützt es?“ weist weitaus plausibler auf eine finstere Beteiligung des britischen Staates hin. Die rasche konzertierte politische und mediale Reaktion auf den Vorfall von Skripals offensichtlicher Vergiftung suggeriert stark die Orchestrierung für propagandistische Zwecke.

Die britischen Behörden und die mit ihnen im Schulterschluss verbundenen Medien haben seit einigen Wochen über russische Cyber-Angriffe und andere Sabotagemaßnahmen, die britische Zivilisten gefährden, gewettert. Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson stellte völlig unangebrachte Behauptungen auf, wonach „Tausende und Abertausende“ Briten an russischen Agenten sterben könnten, die angeblich planen, britische Infrastrukturen wie Energie- und Kommunikationseinrichtungen anzugreifen.

Dies ist eine extreme Verantwortungslosigkeit britischer Beamter und Medien, die zu einem hysterischen Fieber hochgepeitscht wurde.

Aber die unerbittliche Russophobie dient dazu, die britische Öffentlichkeit zu konditionieren, empfänglich für mehr antirussische Feindseligkeit zu sein. Wie wir diese Woche mit der leichtsinnigen Anspielung auf Moskau bezüglich der offensichtlichen Vergiftung von Sergej Skripal sehen können.

Angesichts ihrer unverbesserlichen antirussischen Agenda haben die britischen Behörden ein viel größeres Interesse daran, dass Skripal vergiftet wird, als es der Kreml jemals hätte.

Und wenn wir schon bei „Wer hat es getan?“ sind, wäre da noch ein weiterer wichtiger möglicher Hinweis: wenn das Gift Agent X (VX) verwendet wurde, um den ehemaligen russischen Spion zu schädigen, hätten die Täter eine naheliegende Bezugsquelle gehabt, um ihre Tat auszuführen.

Großbritanniens streng geheimes chemisches Waffenlabor in Porton Down ist nur sechs Meilen von dem Ort in Salisbury entfernt, an dem Skripal und seine Tochter offenbar am vergangenen Sonntagnachmittag angegriffen wurden. Porton Down ist das Labor, in dem VX ursprünglich in den 1950er Jahren synthetisiert wurde. Es bleibt eine der tödlichsten chemischen Waffen, die je hergestellt wurden. Und es ist so britisch wie 5-Uhr-Tee.

Damit hätten wir Motiv und Tatwaffe. Aber, hey, wer braucht schon Logik, wenn der Name des Spiels Russophobie ist?

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