«Wer das Essen kontrolliert, kontrolliert die Leute»

«Wer das Essen kontrolliert, kontrolliert die Leute»
Deckte einen immensen Machtkampf um Nahrung auf: Journalist Nathan Halverson. © Magnolia Pictures

Pascal Sigg (infosperber)  

Wegen der Klimakrise befürchten Reiche und Mächtige Hungersnöte. Ein Dok-Film zeigt, wie sie sich Essen und Wasser sichern.

Im Jahr 2014 erhält der amerikanische Investigativ-Journalist Nathan Halverson einen Anruf. Er soll sich die Übernahme des US-Nahrungproduzenten Smithville Foods durch einen chinesischen Konzern mal genauer anschauen. Quasi über Nacht hatten die Chinesen jedes vierte amerikanische Schwein gekauft.

Die US-Öffentlichkeit war alarmiert. Es gab Anhörungen im Parlament, denn über allem kreiste die Frage: Steckte der chinesische Staat dahinter? Halverson machte sich an die Recherche, reiste nach China, traf Chefs und erhielt Berge von Dokumenten. So konnte er beweisen: Die staatlich kontrollierte Bank of China wickelte den Deal ab, indem sie innert kürzester Zeit fünf Milliarden Dollar zur Verfügung stellte. Die Übernahme entpuppte sich als Staatsangelegenheit.

So beginnt der Dokumentarfilm «The Grab» der US-Regisseurin Gabriela Cowperthwaite. Deutscher Titel: «Nahrung für alle? Der geheime Krieg um unsere Ressourcen».

Der Trailer des Dok-Films

Wo kann man den Film schauen?

Der Film ist in der Schweiz via Swisscovery-Datenbank der Hochschulbibliotheken auf der Filmplattform Alexander Street (Academic Video Online) zu sehen. Dafür wird ein entsprechendes Login benötigt (z. B. Switch edu-ID). Aus Deutschland ist er frei via Arte-Mediathek zugänglich.

Der Film enthüllt, dass die chinesische Übernahme des US-Konzerns Teil eines grösseren, geopolitischen Ringens um Nahrungssicherheit ist. Halverson bringt seine Erkenntnis in einem ausführlichen Interview mit dem Podcaster Theo Von auf den Punkt: «Die Reichen und Mächtigen versuchen immer stärker Essen und Wasser zu kontrollieren. Denn wer das Essen kontrolliert, kontrolliert die Leute.»

Investigativ-Journalist Nate Halverson im ausführlichen Interview zu seiner Recherche (Englisch).

Bis er diesen brisanten Zusammenhang versteht, dauert es aber lange. Regisseurin Cowperthwaite begleitete Halverson und zwei Kolleginnen während sechs Jahren auf ihrer Recherche. Wer den Film schaut, macht dieselbe Erfahrung wie die JournalistInnen. Die Zusammenhänge erschliessen sich erst nach und nach.

Im Fall Halversons geschieht dies auf drei verschiedenen aber zusammenhängenden Wegen:

Erstens: Verschiedene Geschichten über die Jahre

Als Journalist recherchiert  Halverson über viele Jahre hinweg am gleichen Stoff. So stösst er auch auf ein grosses Landstück im US-Bundesstaat Arizona, welches von einer saudiarabischen Firma gekauft wurde. Diese baut darauf das Futtergewächs Luzerne an und braucht es, um damit im eigenen Land Rinder zu füttern.

Der Grund: Saudiarabien geht das Wasser aus. In den 1990er-Jahren war das Land mal sechstgrösster Weizen-Exporteur der Welt. Doch heute sind die Grundwasser-Ressourcen aufgebraucht. In Arizona hingegen ist die Wassernutzung kaum reguliert. Wer Land besitzt, darf eine eigene Quelle erschliessen und dafür so tief bohren, wie er will.

Halverson beginnt zu verstehen: Der Klimawandel betrifft alle Länder unterschiedlich. Und Nahrung und Wasser werden zu geopolitisch wertvollen Ressourcen. Russland hat dies ebenfalls verstanden. Dem Land erschliessen sich mit der Erderwärmung immense Grünflächen, die als Weideland genutzt werden können.

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Fleischproduktion als geopolitisches Manöver: riesige Rinderfarm in Russland. © Magnolia Pictures

Deshalb investiert das Land auch strategisch in die Fleischproduktion und heuert etwa Cowboys aus den USA an, um eigene Bauern auszubilden. Der CEO eines grossen russischen Fleischproduzenten sagt im Film: «In Zukunft wird Nahrung die Welt beherrschen und Russland politische Stärke verleihen. Viel stärker als Öl oder Waffen. Das ist sicher.»

China hingegen verfügt bereits heute nicht mehr über genügend Wasser, um die eigene Bevölkerung zu ernähren. Deshalb werden Esswaren als Ersatz für Wasser importiert, welches gebraucht würde, um die Nahrung im eigenen Land herzustellen. Denn wer Fleisch produzieren will, braucht Futter. Und wer Futter produzieren will, braucht Wasser für die Pflanzen.

Wie gefährlich Nahrungsmittelknappheit werden kann, wissen die Chinesen genau. Zwischen 1959 und 1961 plagte das Land eine immense Hungersnot. Sie ist immer noch Tabuthema und es ist unklar, wie viele Menschen damals starben. Gewisse Schätzungen gehen von bis zu 30 Millionen Toten aus. Die heutige Führungsriege der Kommunistischen Partei um Xi Jinping hat diese Katastrophe am eigenen Leib erlebt.

Zweitens: Die Emails

Halverson wird ein Datensatz mit Tausenden Emails der Firma Frontier Resources Group zugespielt. Dabei handelt es sich um ein Unternehmen des US-Amerikaners Erik Prince. Der Ex-Armeeoffizier hatte zuvor das private Söldnerunternehmen Blackwater gegründet, damit im Irakkrieg viel Geld verdient und es später verkauft. Das neue Unternehmen war nun darauf spezialisiert, Agrarland zu erschliessen und zu sichern.

Die Emails zeigten nicht nur, wer dies tut, sondern auch wie es geschieht. Sie enthalten präzise Analysen darüber, wo es 2012 das wasserreichste Land zum günstigsten Preis gab: in Sambia. Da findet Halverson 2017 Menschen, die von ihrem Land verjagt wurden und nun in Zelten hausten. Zu den Kunden der Firma gehörte beispielsweise ein Investitionsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate, gesteuert vom Sicherheitsbeauftragten des Landes, für welchen Blackwater bereits eine Privatarmee aufgebaut hatte.

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Weisse vertrieben sie von ihrem Land: Bäuerin in Sambia. © Magnolia Pictures

Drittens: Historische Neubetrachtung von Konflikten

Derartige Zusammenhänge bringen Halverson auch dazu, grosse, bekannte Konflikte neu zu beurteilen. Die Aufstände des «Arabischen Frühlings», etwa in Syrien oder Ägypten, gehen auf sprunghaft gestiegene Nahrungsmittelpreise zurück. Extreme Trockenheit führte zu Buschbränden in Russland, worauf das Land den Export der restlichen Ernte stoppte. Dies wiederum führte zu Panik an den internationalen Märkten und stark erhöhten Preisen.

Halverson im Film: «Die Russen behielten die Ernte, damit sie die eigenen Rinder nicht schlachten mussten.» Und weiter: «Andere Länder sahen, was im Arabischen Frühling geschah. Sie sahen, was geschah, wenn die Preise für Essen stark anstiegen. Und sie sagten sich: Wir müssen unser Essen kontrollieren, wenn wir unsere politische Stabilität behalten wollen.»

Der Film zeigt weiter, dass es sich bei den somalischen Piraten um Fischer handelte, deren Bestände von grossen ausländischen Fischereiunternehmen leergefischt worden waren.

Über den russischen Angriff auf die Ukraine sagt Halverson: «Wir sehen ein Land, das ein anderes Land einnehmen will, wodurch es zum mächtigsten Nahrungsmittelexporteur der Welt würde.» Und Anuradha Mittal, Leiterin einer NGO, die sich vertieft mit Landgrabbing beschäftigt sagt im Film: «Wir müssen den Kampf für die Ukraine nicht als Kampf für die Demokratie verstehen. Sondern einmal mehr als Kampf um Ressourcen und ihre Kontrolle.»

Das Fazit Halversons: Es sei nachvollziehbar, dass Länder wie die USA, China, Russland, Saudiarabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate die Ernährung ihrer Bevölkerung sicherstellen wollen. Denn der Klimawandel wird dazu führen, dass es immer mehr Orte gibt, wo Wasser fehlt und mehr Orte mit zu viel Wasser.

Er gibt aber zu bedenken: «Wir sehen nicht, dass sich die Weltgemeinschaft diesem Konflikt offen stellt. Wir sehen bloss, dass viele Nationen versuchen, sich im Verborgenen so viele Ressourcen wie möglich zu sichern.» Dabei gäbe es mehr als genug Essen auf der Erde.

Was tut die Schweiz?

Im weltweiten Ringen um Nahrung spielt die Schweiz eine wichtige Rolle. Deshalb könnte sie Einfluss auf die Konflikte nehmen. Wie sie dies tun könnte, erklärt Expertin Silvie Lang im Interview.

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1 Kommentar

  1. Ja woll, wir kontrollieren! Wasser, Brot oder Energie, wer unser Feind zu sein haben hat, oder, ganz allgemein ausgesprochen, was der niedere Mensch zu Denken hat!

    Miosga mit, nicht versus Merz, hat es doch ganz deutlich zu Tage gebracht! Die Medien (allein?) sagen uns, an was wir zu glauben haben!

    Ich glaube nicht mal mehr daran, daß sie von Politik beauftragt seien! Sie sind es, die Politik machen und diese vor sich hertreiben!

    Die Bilder aus Bergamo sind die gleichen wie in NYC? Drohnen über München sind aus Rußland? Mein mir bewahrter Menschenverstand sagt mir dazu was? Putin wollte wohl mal das Original Oktoberfest sehen, bevor diese Drohnen weiter nach Madrid oder Lissabon entfleuchen?

    Wie Martin es bereits aufsagte, es gibt keine Atombomben! Es geht nur darum, daß wir, das Nutzvieh, der Wähler, daran glauben! Der Iran bastelt und reichert an. Ja an was denn?

    An dieser physikalischen Unmöglichkeit, oder geht es doch viel mehr darum, Israelfeinde einzudämmen? Eines muß ich dem Herrn Merz zugute halten. Man kann gegen israelische Politik sein, sollte es aber nicht auf Jüdischen Glauben übertragen!

    Und wenn er eines Tages, die ewig währende Deutsche Sippenhaft ebenso bestreiten wird, dann haben die Meinungsmacher, namens Medien, ausgedient!

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