2023 hat US-Journalist Seymour Hersh als einer der ersten die USA für den Angriff auf die Nord Stream-Pipelines in der Ostsee im September 2022 verantwortlich gemacht. Nun hat er weitere Informationen dazu veröffentlicht und deutet an, dass die Entscheidung nicht von US-Präsident Joseph Biden kam.
Quelle: transition-news
Der investigative US-Journalist hat in seinem neusten Text seine These bekräftigt, dass die USA verantwortlich sind für die Sprengung der Nord Stream-Pipelines im September 2022. Das Attentat auf die Energieversorgung Deutschlands sei vom damaligen US-Präsidenten Joseph Biden angeordnet und vom Geheimdienst CIA gemeinsam mit norwegischen Partnern ausgeführt worden.
Hersh schreibt außerdem, dass er vermutet, dass die Entscheidung letztendlich nicht von Biden selbst getroffen worden sein könne, sondern von dessen Mitarbeitern. Er habe im Herbst 2022 « zum ersten Mal» den Eindruck gehabt, «dass im Weißen Haus von Biden etwas nicht stimmte, als ich eine Geschichte über die Rolle der USA bei den Pipeline-Anschlägen recherchierte und schrieb – eine Geschichte, die im Februar 2023 hier veröffentlicht wurde».
Der Artikel habe sich zum Teil auf die frühere Entscheidung Bidens konzentriert, den russischen Präsidenten Wladimir Putin öffentlich davor zu warnen, die Ukraine anzugreifen. Die Warnung wurde am 7. Februar 2022 während einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz im Weißen Haus ausgesprochen.
Biden habe dabei angekündigt, die neu fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 zu zerstören, die kurz davor stand, riesige Mengen billigen Erdgases von Russland nach Deutschland zu transportieren. Putin ignorierte die Drohung und gab am 24. Februar den Befehl zum Einmarsch in die Ukraine, so Hersh. Am 26. September seien dann Nord Stream 2 und Nord Stream 1 durch Minen zerstört worden, «die von zwei hervorragend ausgebildeten Tauchern der US-Marine in der Ostsee gelegt wurden».
Der Journalist hatte im September 2023 einen weiteren Beitrag zum Thema veröffentlicht, in dem er die anhaltende Leugnung der Rolle des Weißen Hauses bei der Zerstörung der Pipeline kritisierte.
«Deutschland und Teile Europas hatten mit dem daraus resultierenden Mangel an billigem Gas zu kämpfen, und die deutsche Regierung zahlte Haushalten und Unternehmen Hunderte Milliarden Euro an Subventionen, damit sie ihre Häuser und Betriebe heizen konnten.»
Einige Medien seien «pflichtbewusst den Hinweisen der Regierung – der Geheimdienste – in Washington und Berlin über eine 15-Meter-Yacht gefolgt, die angeblich von Ukrainern mit gefälschten Pässen gemietet worden war und an der Sabotage der Pipeline beteiligt gewesen sein soll». Hersh meint, er hätte einem Hinweis seines Informanten zu der «schönen Titelgeschichte» mehr Aufmerksamkeit widmen müssen: «Der einzige Fehler war die Entscheidung, sie zu machen.»
Zu diesem Zeitpunkt sei die geheime Operation «nur in einem Punkt erfolgreich» gewesen: Drei der unter Wasser verlegten Minen hätten funktioniert und die Welt sei mit dem beunruhigenden Anblick großer Mengen Methan, das an die Oberfläche sprudelte, konfrontiert worden. Die Taucher hätten nicht genug Zeit unter Wasser gehabt, um eine geplante vierte Mine zu legen.
«Heute weiß ich, was ich vor zwei Jahren wissen musste, aber nicht wusste», so Hersh. Biden habe «Anzeichen von Verfall – Gedächtnisverlust und gelegentliche Stürze» gezeigt, lange bevor Russlands Präsident Wladimir Putin 2021 wegen der Ukraine gedroht habe.
Der US-Geheimdienstgemeinschaft sei befohlen worden – «das Insiderwort lautet ‹beauftragt›» –, bis zum 1. Februar 2022 einen Plan für die Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines vorzulegen. Die Central Intelligence Agency (CIA) hat demnach in enger und geheimer Zusammenarbeit mit den norwegischen Spezialeinheiten Minen und ein Team vor Ort stationiert, mit der Maßgabe, dass im Falle eines russischen Angriffs und eines Krieges sofort der Befehl zur Zerstörung der Pipelines erteilt würde.
«Es wurde davon ausgegangen, dass Putin wissen würde, wer es getan hat.»
Doch der entsprechende Befehl sei nicht gekommen, so Hersh, und das Weiße Haus habe über den Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan als Kontaktperson die betreffende CIA-Einheit gebeten, einen Mechanismus zu entwickeln, der die Minen, sobald sie platziert waren, über ein Niederfrequenz-Sonar auslösen konnte. Im September 2022 sei alles bereit und dann der Anschlag befohlen worden.
Das sei ihm gegenüber mit der Angst der US-Führung begründet worden, «dass der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der vor einem Winter ohne billiges russisches Gas stand, in Panik geraten und die Öffnung der Pipelines anordnen würde». Der US-Journalist schreibt, er habe bei seinen Recherchen dazu «aus meinen Geheimdienst- und anderen Quellen viel über Bidens Funktionsstörungen seit Anfang 2022 erfahren», das aber ignoriert.
Er schreibt außerdem darüber, dass die US-Präsidenten, die er erlebt hat, «ausnahmslos von den Fähigkeiten der CIA und anderer Geheimdienste, Dinge zu erledigen, fasziniert und in Anspruch genommen wurden». Die meisten Präsidenten hätten «nach einem anstrengenden Tag, an dem sie erfolglos Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses um eine Abstimmung in ihrem Sinne gebeten haben», nichts lieber getan, als mit den Geheimdienstchefs im Rosengarten des Weißen Hauses spazieren zu gehen und etwas zu erledigen – «von der Zurückweisung eines politischen Gegners bis hin zur Beseitigung eines ausländischen Feindes oder einer Bedrohung».
So habe Barack Obama seine «Kill»-Treffen jeweils dienstags mit hochrangigen CIA-Beamten gehabt und dabei «im Wesentlichen ein Zeichen mit dem Daumen nach oben oder unten über das Schicksal eines mutmaßlichen Terroristen in der Ferne» gegeben. «Natürlich gab es dabei oft auch Kollateralschäden», so Hersh.
Donald Trump habe im Januar 2020 öffentlich seine Entscheidung gefeiert, die Ermordung des iranischen Generalmajors Qassim Soleimani zu genehmigen, nachdem dieser mit einem Linienflug aus Damaskus zu einem diplomatischen Besuch in Bagdad eingetroffen war. Neun weitere Personen, darunter viele irakische Beamte oder Sicherheitskräfte, seien in der aus zwei Autos bestehenden Kolonne getötet worden, die das Flugzeug in Empfang nahm.
«Die Verantwortung für solche verdeckten Operationen lag natürlich immer beim Präsidenten.»
Diese Regel habe aber nicht im Fall des Nord Stream-Anschlages gegolten. Ein CIA-Mitarbeiter habe ihm erklärt, Biden sei «zum Zeitpunkt des Einmarsches der Russen intellektuell nicht mehr im Bilde gewesen».
Hersh schrieb 2023, dass Biden, Sullivan, Außenminister Antony Blinken und die Staatssekretärin für politische Angelegenheiten Victoria Nuland «öffentliche und leidenschaftliche Gegner von Nord Stream 1 und 2» waren.
«Die Sorge um den politischen Einfluss von billigem russischem Gas und Öl, das nach Westeuropa fließt, ist seit der Regierung von John F. Kennedy ein Thema der amerikanischen Außenpolitik.»
Sullivan habe Ende 2021, vermutlich mit Bidens Zustimmung, eine Reihe geheimer Treffen einberufen, um einen Weg zu finden, die Pipelines zu stoppen. Bei diesen Treffen sei schnell eine Lösung gefunden worden: Die Pipelines könnten durch Minen zerstört werden, die von einer hochqualifizierten Gruppe von Navy-Tauchern verlegt werden sollten.
Eine handverlesene Gruppe hochrangiger amerikanischer Geheimdienstoffiziere und Navy-Taucher, die eng mit langjährigen Verbündeten in Norwegen zusammenarbeiteten – «die norwegischen Geheimdienste und die Schifffahrtsgemeinschaft arbeiten seit Jahrzehnten mit der CIA bei verdeckten Operationen zusammen» – habe Anfang 2022 den richtigen Ort in der Ostsee, die richtigen Minen und die richtigen Taucher gefunden, um die Aufgabe zu erledigen. US-Verbündete in Schweden und Dänemark seien über das geplante Angriffsgebiet und die damit verbundenen intensiven Schulungen und Übungen informiert worden.
Hershs Informationen nach haben die US-Amerikaner vor Ort den Auftrag in der Überzeugung angenommen, dass sie einen US-Präsidenten unterstützten, der sich dem russischen Staatschef entgegenstellt und Putin versichert, dass er meint, was er sagt. «Unsere Mission war als Abschreckung für Russland gedacht, das in der Ukraine einen Krieg anzetteln könnte», habe ein beteiligter US-Beamter erklärt.
«Wir hatten die Möglichkeit, die Pipelines in die Luft zu jagen. Das war der Auftrag – Putin zu zeigen, dass wir einen Präsidenten haben, der keine Spielchen treibt. Und sehen Sie, was passiert ist.»
Ein alternativer Plan, die Pipeline während einer NATO-Übung im Frühjahr in der Ostsee zu sprengen, sei nie genehmigt worden. Sein Informant habe ihm erklärt: «Wir haben die Anweisung bekommen, es zu tun, wann wir es tun wollten.»
«Am Ende wurden die Minen in 260 Fuß Tiefe in der Ostsee ausgelegt, wo sie durch ein Niederfrequenzsignal ausgelöst werden konnten, das nur wenigen bekannt war.»
Ende September 2022 sei der Befehl erteilt worden, die Minen über ein Flugzeug der norwegischen Marine auszulösen, das einige hundert Fuß über den Wellen flog. Das Flugzeug habe das Niederfrequenz-Sonargerät abgeworfen, und die Verbindung habe funktioniert und die Minen explodierten.
«Wer auch immer den Angriff autorisiert hat – das ist nicht bekannt – wartete bis Ende September, um die Minen auszulösen.»
Laut dem Informanten habe es «Treffen» zwischen den Verantwortlichen in Norwegen und Sullivan und Blinken über die Planung der Pipeline-Sabotage gegeben, aber «nie ein Zeichen dafür, dass der Präsident eingeweiht war». Biden und sein außenpolitisches Team hätten ihr Amt niedergelegt, ohne eine Beteiligung an der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines zuzugeben.
Die Regierungen Deutschlands, Dänemarks und Schwedens hätten umfassende Untersuchungen zu dem Anschlag versprochen, «die jedoch zu nichts geführt haben». Dänemark und Schweden erklärten 2024, dass sie ihre Untersuchungen abschließen und ihre Ergebnisse an die deutschen Behörden weiterleiten würden, die bisher nur einen einzigen Haftbefehl gegen einen namentlich nicht genannten Ukrainer erlassen haben.
Hersh erinnert an eine «unaufrichtige» Antwort Sullivans nach dem Anschlag auf eine Journalistenfrage, ob Russland dahinter stecke. Die Antwort des nationalen Sicherheitsberaters von Biden «sollte angesichts seiner direkten frühen Rolle bei der Sabotage noch einmal wiederholt werden»: «Erstens hat Russland das getan, was es häufig tut, wenn es für etwas verantwortlich ist, nämlich zu behaupten, dass es in Wirklichkeit jemand anderes war, der es getan hat. Das haben wir im Laufe der Zeit immer wieder erlebt.»
Die Zusage, dass die USA nach Prüfungen aller Fakten und Informationen zu dem Angriff auf die Pipeline entscheiden, wie es weitergeht, sei nie eingehalten worden.
Seymour Hersh: NORD STREAM AND THE FAILURES OF THE BIDEN ADMINISTRATION (hinter Bezahlschranke) – 11. Februar 2025
Seymour Hersh: How America Took Out The Nord Stream Pipeline (hinter Bezahlschranke) – 8. Februar 2023
Seymour Hersh: A YEAR OF LYING ABOUT NORD STREAM (hinter Bezahlschranke) – 26. September 2023
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