von Karl Müller
Es hat einmal einen deutschen Bundeskanzler gegeben, der folgendes gesagt hat: «Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.» Das ist rund 40 Jahre her, nach wie vor richtig, aber ohne Widerhall in der heutigen deutschen Politik. Das belegt erneut ein Leitartikel der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» vom 18. Dezember 2012, der krass über das hinweggeht, was sich die Deutschen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mühsam erarbeitet haben.
Und man fragt sich: Wie ist es möglich, dass in einem Land, dessen Verfassung die Würde des Menschen an die erste Stelle gestellt hat und dessen Bekenntnis zu den Menschenrechten und zum Völkerrecht Verfassungsrang hat, das schon die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe stellt – wie ist es möglich, dass in einem solchen Land eine namhafte, international angesehene Tageszeitung beklagt (!), die Bevölkerung dieses Landes habe «sich noch immer nicht an eine Bundeswehr gewöhnt, deren Aufgabe sich nicht in der Abschreckung erschöpft, sondern zu deren Fähigkeiten die gezielte Tötung von Aggressoren auf verschiedenen Schauplätzen dieser Welt gehören muss»?
Deutschland soll seit 1949 ein Rechtsstaat sein und hat sich für das Verbot der Todesstrafe entschieden. Eben weil die Menschenwürde an erster Stelle steht. Rechtsstaat heisst, dass jeder das Recht auf ein ordnungsgemässes Gerichtsverfahren hat, auch ein der Verbrechen Beschuldigter. Die Staatengemeinschaft hat mit der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofes ein rechtsstaatliches Vorgehen gegen Verbrecher in Staatsämtern gewollt. Auch, damit geklärt werden kann, ob lautstarke Anschuldigungen tatsächlich Hand und Fuss haben.
Aber seitdem die Bundeswehr eine «Armee im Einsatz» ist, der Kriegszustand Deutschlands also zum permanenten Zustand erklärt wurde, gilt das alles offenbar nicht mehr beziehungsweise immer weniger.
Bertolt Brecht hat in seiner «Mutter Courage» auf den Unterschied zwischen Krieg und Frieden hingewiesen: Im Frieden drohe dem Mörder die ärgste Strafe, im Krieg werde er mit Orden belohnt. Aber welchen Preis wird eine Gesellschaft für einen solchen permanenten Kriegszustand bezahlen müssen? Man schaue in die Geschichtsbücher: von Sparta über das nationalsozialistische Deutschland bis hin zu den heutigen USA – eine Umwertung der Werte, ein Verlust des Anstandes, eine Verrohung der Jugend … Die ehemalige US-Aussenministerin Madeleine Albright hat auf die Frage, ob sie die mehr als 500 000 in Folge der Sanktionen gegen den Irak gestorbenen Kinder rechtfertigen könne, gesagt, das sei es ihr wert gewesen. Frau Albright ist bis heute eine «angesehene» Persönlichkeit. Ein ehemaliger deutscher Aussenminister einer ehemaligen Friedenspartei arbeitet bis heute eng mit ihr zusammen.
Gibt es noch irgendeine Ethik in der deutschen Politik? Oder ist das alles wie bei «Mutter Courage», und gelten nun im Kriege eben «andere Gesetze»? Vielleicht sollten trotzdem alle Lehrer an deutschen Schulen ihren Verfassungsauftrag ernstnehmen und Artikel wie den der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» als Beispiel für moderne Kriegspropaganda im Unterricht behandeln. Damit die Schüler an deutschen Schulen die Möglichkeit haben, als Erwachsene für eine andere Gesinnung in der deutschen Politik zu sorgen. Bis dahin sind auch die heutigen Erwachsenen gefordert.
Übermenschliche Kräfte braucht es dafür nicht. Mit dem Niedergang des US-Imperiums und den grundlegenden Verschiebungen in der Weltpolitik ist die Luft zum freien Atmen auch für Deutsche viel, viel besser geworden.
Quelle: voltairenet
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