Weißrussland: Ein Dorn im Auge der EU/US-NATO

Großer Teil der Bevölkerung hinter Präsident Lukaschenko

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait (nrhz)

Alexander Lukaschenko ist der Staatschef von Weißrussland (Belarus), der seit über ein Viertel Jahrhundert autoritär das Land regiert, wie eigentlich einmal General Augusto Pinochet Chile regierte, obwohl nicht so lange. Ein großer Teil der Bevölkerung steht hinter Präsident Lukaschenko, der nach Angaben der belarussischen Wahlkommission die Wahl mit 80% der Stimmen gewann. Eine kleine Gruppe von Oppositionellen widersetze sich seiner erneuten Wiederwahl am Sonntag, dem 9.8.2020 und demonstrierte gegen die gewählte Regierung. Westliche Medien machen sich zum Echo dieser Demonstranten. Die Minsker Polizei hat hart gegen sie agiert, auch Gummigeschosse und Knüppel, wie es in Paris, Hamburg und anderen Städte der EU üblich ist.

Taktik einer Opposition, die nicht dem regulären institutionellen Weg folgen will

Eine Wahl als gefälscht zu bezeichnen, ist die wiederholte Taktik einer Opposition, die nicht dem regulären institutionellen Weg folgen will, um an die Macht zu gelangen, sondern Chaos und Unordnung im Land riskiert und in Kauf nimmt. Das ist antidemokratisch und Ausgangspunkt für unerwünschte Unordnung, Gewalt und Spaltung. Lukaschenko handelt dagegen wie jeder Staatschef handelt würde, nämlich mit der Staatsgewalt, die ihm zusteht. Es gab Tote und Verletzte sowie zahlreiche Verhaftungen. Auch wird in einer Reihe von Betrieben gestreikt.

Blick auf die Fahnen der Demonstranten

    • „Lukaschenko hat am Montag 19.8. unter dem Druck der Demonstranten eine neue Verfassung ins Spiel gebracht, dazu müsse allerdings ein Referendum abgehalten werden. Erst mit einer neuen Verfassung könne es neue Abstimmung über Präsidentschaft und Parlament geben… Zu sehr ähneln die Proteste und die Reaktionen von Bundesregierung und EU denen des Euromaidan in der Ukraine 2013. Allein ein Blick auf die Fahnen der Demonstranten reicht. Weiß-Rot-Weiß war von 1943 bis 1945 die Fahne des Weißruthenischen Zentralrats, der im Dezember 1943 von der SS gegründet wurde, um als Sprachrohr für deutsche Propaganda und zur Mobilisierung belarussicher Kriegsfreiwilliger zu dienen. Nach dem Ende der Sowjetunion wurde sie für kurze Zeit Staatsflagge – bis ein Referendum sie 1995 wieder abschaffte und durch eine rot-weiß-grüne ersetzte.

Zur kompletten Einkreisung Russlands

    • Um herauszufinden, woher das erhöhte Interesse an der kleinen ehemaligen Sowjetrepublik rührt, langt ein Blick auf die Landkarte. Zwischen dem NATO-Partner und EU-Mitglied Polen, in dem momentan 4.500 US-Soldaten stationiert sind (Aufstockung vorgesehen) und der Russischen Föderation liegt eben nur noch Belarus. Zur kompletten Einkreisung Russlands fehlt dann nur noch Moldawien, und auch dort hat es schon gemeinsame Übungen mit dem US-Militär gegeben. …

Aus der Entwicklung der Ukraine lernen und erkennen

    • Hatte Belarus sich noch viele der Errungenschaften der Sowjetunion wie staatseigene Betriebe und keinerlei Privatisierung im Bildungs- und Gesundheitssektor erhalten, soll damit nun endlich Schluss sein. So sehen die erarbeiteten „Vorschläge“ Tichanowskajas, unter anderem, die Deregulierung des Arbeitsmarktes, die Aufgabe der Preisregulierung und eine Steueramnestie vor. Zur Anlockung ausländischer Investoren sind groß angelegte Privatisierungen geplant, unter anderem die Entwicklung eines vollwertigen Marktes an Grund und Boden, eine Liberalisierung im Finanzwesen und die Annahme von Marktnormen und Standards der EU. Außerdem plant die Opposition die … vollständige Privatisierung großer und mittlerer staatlicher Unternehmen. …Hierzu sollen „ausländische Partner“ herangezogen werden. Im Gesundheitswesen will die Opposition Krankenhausbetten und Ärztestellen abbauen und die Liste der vom Staat bezahlten Behandlungen zusammenkürzen. Auch für die Wohnungswirtschaft sieht die Opposition Privatisierungen vor. Die EU wird sich freuen.“

(„Bunte Revolution?“ von Melina Deymann, UZ, 21.8.2020, Subtitel d.A.)
Sollte die Oppostion an die Macht kommen, werden sich alle Menschen in Weißrussland noch wundern, wieviel schlimmer íhre Lage dann aussehen wird, weil ihre Forderungen nach Gerechtigkeit und besseres Leben nicht erfüllt würden, was sie aus der Entwicklung der Ukraine lernen und erkennen können.





Zwischen dem verrottenen antisozialen neoliberalen System der EU und einer sozialen Antwort entscheiden

Wie man in Weißrussland sieht, wird man sich zu entscheiden haben zwischen dem verrottenen antisozialen neoliberalen System der EU und einer sozialen Antwort, die den Mensch im Zentrum der Gesellschaft betrachtet und nicht seine Ausbeutung. Ein soziales Wirtschaftssystem, das dem Menschen und nicht dem Profit der Konsortien dient, steht auf der Agenda des Präsidenten Alexander Lukachenko. Der antisoziale, unmenschliche Neoliberalismus, dessen dogmatisches Rezept bisherige EU/USA-Wirtschaftspolitik darstellt, die auch die deutsche CDU/SPD bisher betreibt, wurde schon von Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudate si“ treffend getadelt. Es ist ein inhumanes System, das den ganzen Kontinent zugrunde richtet.

Weißrussland als Eldorado für Investoren und Schnäppchenjäger

<Lukaschenko soll weg und mit ihm Weißrusslands sozialstaatliche Grundlage. Das Land mit seinem umfangreichen Gemeineigentum wäre ein Eldorado für Investoren und Schnäppchenjäger, wie 1989/1990 die in der Agonie liegende DDR. Wir erinnern uns an den Aufbruch der westdeutschen Beutemacher und daran, dass der seinerzeitige Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau vom „größten Raubzug in der deutschen Geschichte“ sprach.

In Weißrussland sind nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 80 Prozent der Produktionsmittel im Gemeineigentum geblieben und bis heute unter staatlicher Kontrolle; sie sind lohnende Objekte für kapitalistische Eroberer. Zugleich erklären sie aber Lukaschenkos starke politische Basis. Was die Bevölkerung im Falle eines „regime change“ zu erwarten hätte, ist zumindest einer Mehrheit der weißrussischen Wähler durchaus bewusst: Armut, Massenarbeitslosigkeit, Korruption und die Entwicklung einer Oligarchie. Die Weißrussen haben nicht vergessen, was sich bei ihren russischen Nachbarn nach Gorbatschows Sturz und Jelzins Machtübernahme abspielte.

Noch sind ihre sozialen Grundlagen stabil: In Weißrussland gibt es weder Arbeitslosigkeit (2019 durchschnittlich nur 0,3 Prozent) noch einen wirtschaftlichen Notstand. Selbst die olivgrüne Heinrich-Böll-Stiftung musste einräumen, dass ausreichende Gehälter, Renten und Arbeitssicherheit gewährleistet sind und günstige öffentliche Dienstleistungen geboten werden.> (Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam in „Nachdenkseiten“)

Sondergipfel des EU-Rats wegen Weißrussland

Am Mittwoch, 19.8.2020, trafen sich die EU-Staats- und Regierungschefs in einem EU-Sondergipfel zusammen in Brüssel als Folge der angeblichen Fälschung der Präsidentschaftswahl in Belarus, gemäß der Erklärung der oppositionellen Kandidatin Swetlana Tichanowskaja, die nach ihrer Wahlniederlage nach Litauen geflohen war und von dort per Video kommunizierte. Die SZ-Journalistin Silke Bigalke berichtet: „Nun wandte sie sich an die Staatschefs der EU. Das Wahlergebnis sei gefälscht, sagte sie … Die EU-Regierungschefs unterstützen die Demonstranten und ihre Forderungen nach einer neuen Wahl, ganz im Sinne der oppositionellen Kandidatin Swetlana Tichanowskaja.“ „Die Europäische Union folgt damit einer Forderung von Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja“, erkennen ganz klar die SZ-Journalisten Karoline Meta Beisel und Daniel Brössler im Aufmacher-Artikel der SZ am 20.8.2020; „EU erkennt Wahl in Belarus nicht an“.

EU-Einmischung in Weißrussland

Ist diese unerhörte EU-Parteinahme keine Einmischung in eine innere Angelegenheit Weißrusslands, wie jede Präsidentschaftswahl überall eine nationale, innere Angelegenheit ist? Stefan Kornelius demaskiert ganz offen die ominöse EU-Einmischung und seine eigene schockierend ungebildete Ansicht: „Die EU könne lediglich mit Geld und klaren Worten locken.“ (SZ-Artikel, „Machtprobe“, 19.8.2020). Treffend hat Staatschef Lukaschenko gezielte Maßnahme getroffen gegen die finanzielle EU-Unterstützung an Oppositionelle. „Der Grenzschutz müsse die gesamte Grenze stärker bewachen, damit ‚kein ausländisches Militär, Waffen, Munition oder Geld, um Proteste zu finanzieren‘ ins Land kommen… Nato-Truppen in Polen und Litauen sind zu beobachten…“ („Der große Spagat“ von Silke Bigalke, SZ, 20.8.2020) Die baltischen Länder, die Ukraine und Polen sind seit langem bekannt für ihre störende destabilisierende Rolle innerhalb Europas. Diese Nachbarländer Weißrusslands stünden hinter der Forderung der Protestierenden in Minsk, Alexander Lukaschenko zufolge, der überzeugt ist, dass der Protest vom Ausland gesteuert wird.

Mit unübertreffbarer Zumutung setzt sich Stefan Kornelius skrupellos für die EU-Einmischung in Weißrussland ein, als er ganz unverschämt frech schreibt: „Ist Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko nun eine illegitime Führungsfigur und fällt als Gesprächspartner aus? Sind die Vertretungen von Belarus illegitim und damit ungeeignet, für die Interessen ihres Landes zu stehen? Will man stattdessen eine der Oppositionspolitikerinnen zur legitimen Vertreterin erklären – so wie … mit Juan Guaidó in Venezuela …?“ Da lang läuft der Hase.

Jedoch hat sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel sonnenklar geäußert und die widerwärtige Einmischungsclique in ihre Schranken gewiesen: „Es gehe nicht darum, Belarus eine Richtung vorzugeben, Weißrussland muss einen Weg für sich alleine finden. Es dürfe ‚keine Einmischung von außen“ geben. Man wolle einen unabhängigen Weg für Weißrussland, bei dem selber im Land entschieden wird, wie die politischen Gegebenheiten sind‘.“ Merkel bedauerte, dass Staatschef Alexander Lukaschenko „jegliches Telefonat“ mit ihr ablehnte. Dadurch könne sie auch keine Vermittlerrolle übernehmen; so kategorisch eindeutig die Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Auf die betrügerische Frage, ob sie Lukaschenko für einen legitimen Gesprächspartner hält, antwortet Merkel klug ausweichend: „Na, ja, er ist nun da“. Besser und schlagfertig wäre es gewesen, dass sie ganz deutlich sagte: Er ist der Staatschef von Belarus mit dem wir sprechen sollten genauso wie wir mit dem Staatschef von Saudi Arabien und arabischen Monarchen reden, weil sie Repräsentanten gleichberechtigter Mitglieder der Weltstaatengemeinschaft sind.





Wieso keine EU-Krisensitzung zum saudischen Herrscher?

Kornelius muss noch lernen, dass es ihm nicht zusteht, die Legitimationsfrage hinsichtlich eines ausländischen Staatschefs zu stellen. Diese Frage gehört dem betroffenen Volk an und keiner fremden impertinenten Person. Wenn westliche Journalisten oder Außenpolitiker über „Werte“ schwadronieren, erscheinen sie immer völlig unglaubwürdig. Wer soll Ihnen glauben, wenn man sich mit der jüngsten Zeitgeschichte auskennt? Wieso gibt es keine EU-Krisensitzung zum saudischen Herrscher, der Hände und Füße verstümmeln lässt? Oder zu den Autokratien der arabischen Emirate? Nicht nur in Weißrussland, sondern auch in Jordanien, in Amman, gibt es „die wütende Mittelschicht, die unter den hohen Lebenshaltungskosten ächzt… Schon im vergangenen April flammten neue Proteste auf und die Regierung Jordaniens reagierte mit harter Hand. Bislang galt Jordanien als vergleichsweise offenes Land in der Region. Heute kritisierte Human Rights Watch in einem veröffentlichten Bericht, dass sowohl die Arbeit von inländischen als auch von ausländischen Journalisten zunehmend behindert werde. Ein Mitarbeiter einer deutschen Stiftung in Amman … sagt der SZ am Telefon, Jordanien sei über Nacht zu einem Polizeistaat geworden.“ („Journalisten mit Maulkorb“ von Dunja Ramadan, SZ, 20.8.2020)

Russland und die Volksrepublik China im Gegensatz zur EU hinsichtlich Weißrussland

Gelten die so genannten EU-Werte nicht für Saudi Arabien, die Arabischen Emirate und Jordanien? Das Schweigen von Stefan Kornelius darüber und seine geäußerte feindselige Einseitigkeit gegen Belarus sagt alles über die Unglaubwürdigkeit der proklamierten EU-Werte. Die einseitige Animosität von Kornelius gegen Lukaschenko in Weißrussland richtet sich eigentlich gegen die freundschaftliche Beziehung zwischen beiden Staaten Weißrussland und Russland, die fest auf Verträgen wie einer Zollunion und einer Verteidigungsunion beruht. In Weißrussland stehen auch kleine Oppositionsparteien hinter dieser vertrauensvollen Union mit Russland. Viele Menschen, sicherlich eine Riesenmehrheit, wollen diese enge Verbundenheit gestärkt sehen. Es ist das Verlangen nach mehr Gerechtigkeit und Verbesserung der Wirtschaftslage, was Demonstranten auf die Straße treibt. Die EU ist überhaupt kein Thema. Die pro-russische Stimmung im ganzen Land, bei der Regierung und bei der Opposition, ist allerdings ein Dorn im Auge für die EU/US-NATO. In diesem Zusammenhang sind die mahnenden Worte der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Präsidenten Frankreichs Emmanuel Macron eine treffende Bremse für eine unzulässige verheerende EU-Einmischung in die inneren Angelegenheiten Weißrusslands. Beide Staatschefs, Merkel und Macron, sind sich einig angesichts der Lage in Weißrussland. Im Gegensatz zur EU erkennen Russland und die Volksrepublik China das Präsidentschaftswahlergebnis vom 9.8.2020 in Belarus an.

Stolperstein sofort erkennen, um nicht über ihn zu fallen

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel ist eine außerordentlich intelligente Frau, die aus ihrer langen Amtszeit als Regierungschefin Deutschlands Druck, Intrigen, Lunten, Lügen, und Erpressung in den Korridoren der Macht erleben musste und daraus eine Unmenge an Erfahrungen sammelte, die sie wachgerüttelt haben, um jeden möglichen Stolperstein sofort zu erkennen und nicht über ihn zu fallen. Ihr erfolgreicher Auftritt auf dem EU-Sondergipfel in Brüssel am 19.8.2020 bestätigte noch einmal ihre kluge Art, trügerischen Fragen von Journalisten auszuweichen.

Verfasst am 24.8.2020 unter Bezugnahme auf Meldungen und Kommentare anlässlich der Präsidentschaftswahlen in Weißrussland

Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.

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