Weidmann-Rücktritt – Aufbruch zum weicheren Euro und Abkehr von einer Stabilitätspolitik

Von Peter Helmes (conservo)

Ein Stabilitätsgarant resigniert

Nach einem Jahrzehnt verläßt Jens Weidmann (53 J.) zum Jahresende die Spitze der Bundesbank. Damit gibt einer der profiliertesten geldpolitischen „Falken“ im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) seine Stellung auf  – nach mehr als einem Jahrzehnt und  mitten in der Debatte um die Zukunft der Anleihenkäufe der EZB. Für die Koalitionsverhandlungen in Berlin wird der Schritt ebenfalls bedeutend sein.

Der angekündigte Rücktritt von Weidmann ist letztlich konsequent. Zehn Jahre lang kämpfte der Notenbanker für eine maßvolle Geld- und Schuldenpolitik. Gerade für die Stabilität der Euro-Zone ist sein Weggang ein Verlust. Wie groß er ist, wird sich zeigen, wenn die Nachfolge feststeht. Ist die Nachfolge geregelt, läßt sich ermessen, was der Abgang von Jens Weidmann für Europas Geldpolitik und die Interessen von Investoren und Sparern bedeutet. Egal wer es wird: Es wäre gut, wenn er oder sie sich die Weidmannschen Prinzipien zum Vorbild nimmt.

Weidmann war so etwas wie ein Stabilitätsgarant – jedenfalls er selbst, oft gegen den Widerstand vieler anderer in der Euro-Gemeinschaft. Er ließ Anlegerinnen und Anleger hoffen, irgendwann könne der Irrsinn der Null- und Negativzinspolitik ein Ende haben. Nun scheint ihn der ewige Kampf zermürbt zu haben. Schließlich wäre seine Position in Zeiten deutlich steigender Inflationsraten noch schwieriger geworden.

Jens Weidmann hatte wohl die Hoffnung auf eine dauerhafte geldpolitische Stabilität der Euro-Zone verloren – und gibt jetzt auf. Zu verdenken ist es ihm nicht. Mehr als zehn Jahre gab er den Mahner. Er warnte immer wieder. Konsequent und klar, aber dennoch diplomatisch – so wie Notenbanker im Idealfall sind: Er warnte davor, klamme EU-Staaten mit Hilfe der Notenpresse zu lange bei Laune zu halten, und er warnte vor Minuszinsen sowie   vor einer Vergemeinschaftung der Staatsschulden in Europa.

Mahnung an Nachfolger

Die mahnenden Worte des 53-jährigen Volkswirts, der sich im Sachverständigenrat und danach als wirtschaftspolitischer Berater von Kanzlerin Angela Merkel hohen Respekt erworben hatte, verhallten mehrfach. Zu groß war der Gegenwind im mächtigen EZB-Rat, dem der Bundesbank-Präsident qua Amt angehört.

In einem Abschiedsbrief an die Belegschaft erläuterte er noch einmal sein Überzeugung:

Eine stabilitätsorientierte Geldpolitik sei dauerhaft nur möglich, wenn sie ‚ihr enges Mandat achtet‘.

Das läßt sich als Mahnung an den Nachfolger oder die Nachfolgerin lesen: Die Europäische Zentralbank soll sich strikt am Ziel einer niedrigen Inflation – um die zwei Prozent – orientieren. Weidmann hat jahrelang im Rat der EZB für diese Position gekämpft – am Ende vergeblich.

In seinen Dankesworten an die Belegschaft verweist Weidmann auf das gemeinsam Erreichte: „Das Umfeld, in dem wir operieren, hat sich massiv verändert, und die Aufgaben der Bundesbank sind gewachsen. Die Finanzkrise, die Staatsschuldenkrise und zuletzt die Pandemie haben in Politik und Geldpolitik zu Entscheidungen geführt, die lange nachwirken werden. Mir war es dabei immer wichtig, daß die klare, stabilitätsorientierte Stimme der Bundesbank deutlich hörbar bleibt.“

„Falken“ gesucht

Kaum zu überhören ist die Mahnung an die neue Regierung, die Weidmann mit seinen Worten verbindet.  Sie wäre gut beraten, als Weidmann-Nachfolger wieder einen Hardliner der Geldpolitik – also einen „Falken“ – zu berufen. Das gab es schon einmal:

Der Konservative Axel Weber ist seinerzeit von der ersten rot-grünen Regierung ausgewählt worden und der Sozialdemokrat Karl-Otto Pöhl vom CDU-Kanzler Helmut Kohl – das sei hier zur Nachahmung empfohlen.

Die gerade jetzt offenen Frage ist aber, ob sich ein „neuer“ Weidmann anbietet: Sollten die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in der Finanzpolitik ähnlich dürftig ausfallen, wie das Sondierungspapier vorzeichnet, dann werden sie das Land kaum voranbringen. Bei der Frage der Finanzierung hat die Ampel einfach mal gar nichts entschieden. Und in der Steuerpolitik wird die Totalblockade der vergangenen 20 Jahre fortgesetzt. Damit droht die Ampel in der Finanzpolitik nicht als Aufbruchs-, sondern als Stillstandskoalition zu starten, als GroKo 2.0.

Die wichtigste Schlappe, die Weidmann in seiner makellosen Karriere erleiden mußte, wirft ihre Schatten auf das neue Personalkarussell der Dreier-Koalition voraus: Vor gut zwei Jahren sah es so aus, als ob er den damals scheidenden EZB-Präsidenten Mario Draghi beerben und die europäische Geldpolitik endlich nach seinen Überzeugungen gestalten könnte. Daraus wurde nichts. Am Ende machte die Französin Christine Lagarde das Rennen. Im Gegenzug durfte Ursula von der Leyen EU-Kommissionspräsidentin werden – ein politischer Kuhhandel eben. Weidmann wirkte unter Europas Notenbankchefs fortan erst recht isoliert. Aber immerhin wurde er gehört.

Mitten in der Debatte, wer welchen Ministerposten der künftigen Bundesregierung bekommt, ist nun  überraschend sein Top-Job zu vergeben. Manche halten es für möglich, daß die frühere Wirtschaftsweise Isabel Schnabel aus dem EZB-Direktorium an die Bundesbankspitze wechseln könnte. Neben weiteren Kandidaten wird auch der bisherige Finanzstaatssekretär und Vertraute von Olaf Scholz, Jörg Kukies – ehemals Goldman Sachs in London – als Weidmann-Nachfolger gehandelt.

(Einschub: Nur zur Erinnerung: Schnabel verantwortet in der EZB die konkrete Umsetzung der Geldpolitik, also auch für das in Deutschland umstrittene billionenschwere Anleihen-Kaufprogramm. Da würde der Bock zum Gärtner. Und Kukies drängte laut einem Spiegel-Bericht zwei Tage vor der Wirecard-Insolvenz in einem Telefonat den KfW IPEX-Bank-Chef Klaus R. Michalak, Wirecard einen neuen Kredit zu gewähren. Einschub Ende)

Mit seinem Rücktritt ist Weidmann bereits der vierte deutsche Notenbanker, der auch im Streit über die EZB-Politik vorzeitig abdankt. Vor ihm waren das 2011 der damalige Bundesbankchef Axel Weber, 2012 der damalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark und 2019 Sabine Lautenschläger, seinerzeit Mitglied des EZB-Direktoriums.

Ex-EZB-Chefvolkswirt Stark zeigte sich nicht überrascht von Weidmanns Rücktritt und äußerte Verständnis für diesen Schritt. „Er ist sogar sehr verständlich und konsequent. Niemand kann über mehr als ein Jahrzehnt eine Politik gegen die eigene Überzeugung mittragen“, sagte Stark der Börsen-Zeitung.

Und das Karussell nimmt bereits Fahrt auf: In ersten Reaktionen deutete sich zwischen FDP und Grünen ein Richtungsstreit über die künftige Rolle der Bundesbank an.

Mit Blick auf konkrete Kandidaten hielten sich Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und FDP, die an diesem Donnerstag Verhandlungen über eine Ampel-Koalition aufnehmen, bedeckt – Ausnahme: Habeck. Es überrascht aber kaum, daß ausgerechnet er, der Oberlinksgrüne,  vorprescht. Er fordert eine „Modernisierung“ der Bundesbank. Weidmanns Abschied müsse auch als Chance für einen Neuanfang begriffen werden, betonte Habeck – was ja wohl „Aufweichung“ bedeuten soll.

Nun zeichnete sich eine Kontroverse über die künftige Ausrichtung der Bundesbank an. Denn FDP-Chef Christian Lindner, der als möglicher neuer Finanzminister gehandelt wird, kündigte an, einen Kurswechsel bei der Bundesbank verhindern zu wollen.

Bisher scheint also lediglich Einer aus der Dreiergruppe die Herausforderung verstanden zu haben: FDP-Chef Christian Lindner hat nach dem überraschend angekündigten Rücktritt von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann vor einem Kurswechsel gewarnt. „Die Deutsche Bundesbank muß weiter Anwältin einer stabilitätsorientierten Geldpolitik in Europa bleiben“, sagte Lindner gestern, 21.10., in Berlin. Dies sei auch wegen der Inflationsrisiken wichtig.

Diese Meinung höre ich gerne, allein, mir fehlt der Glaube…

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Es sei aber auch daran erinnert, dass Jens Weidmann ein Mitglied der Atlantik Brücke ist. Ein Top-Verein, der zu 100 Prozent deutsche Interessen vertritt.

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Weidmann-Rücktritt – Aufbruch zum weicheren Euro und Abkehr von einer Stabilitätspolitik
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4 Kommentare

  1. Weidmann-Rücktritt – Aufbruch zum weicheren Euro und Abkehr von einer Stabilitätspolitik
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    Zwischen Skylla und Charybdis
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    [ In der Alltagssprache taucht Skylla in der Redewendung „zwischen Skylla und Charybdis“ auf. Dies bezeichnet ein Dilemma, bei dem man vor der ausweglosen Wahl zwischen zwei Übeln steht oder zwischen zwei unumgehbaren Gefahren entscheiden muss. Es ist unmöglich, ohne Schaden aus diesem Dilemma herauszukommen. ]
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    An sich ist das Geld weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes; es wird erst gut oder schlecht durch den Gebrauch, den wir Menschen damit machen.
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    Auszug aus dem Buch: Weltgeschichte der Lüge — Die Griechen — B. Freiheit und Gleichheit; die Demokratie.[Seite 38]

    Freiheit und Gleichheit; die Demokratie.

    Scylla und Charybdis: der Scylla der Theokratie entgingen im 5. Jahrhundert v. Chr. die Griechen, um in die Charybdis der extremen Demokratie zu geraten. Ägypten, das Jahrtausende hindurch die höchste Kultur besaß, ist an der Theokratie zugrunde gegangen.

    Griechenland, das eine viel höhere Stufe der Kultur erreichte, verblutete an der Demokratie.

    Der Übergang von der Natural= zur Geldwirtschaft brachte die größten Umwälzungen. Wohl hatte man schon seit Jahrhunderten und Jahrtausenden Gold= und Silberbarren gekannt und auch als Austauschmittel gebraucht. Aber das Geld, d.h. die staatlich geprägte Münzen von verschiedenem Gewicht und Wert, kam erst im 8. Jahrhundert v. Chr. in Kleinasien auf.

    An sich ist das Geld weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes; es wird erst gut oder schlecht durch den Gebrauch, den wir Menschen damit machen.
    Für das Geld gilt dasselbe wie für das Feuer:

    „Wohltätig ist des Feuers Macht.
    Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht . . .
    Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
    Wenn sie der Fessel sich entrafft.“

    Eine Himmelskraft, auch das Geld ! Segenspendend ! Niemand wird leugnen, daß die Geldwirtschaft bedeutende Kulturfortschritte gebracht hat. Aber das Geld wurde zum Fluch, weil die Menschen es nicht „bezähmten, bewachten“; weil sie, statt Herren des Geldes, seine Sklaven wurden*).
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    *) Εγώ έχω τα χρήματα, όχι τα χρήματα εμένα ,hieß es bei den besten Griechen, d.h.: „Ich hab das Geld, nicht das Geld hat mich.“
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    Die Aristokratie [„Herrschaft des Geburtsadels“] wandelte sich in eine Plutokratie [„Geldherrschaft“]; der Grundsatz noblesse oblige („der Adel hat Pflichten“) wurde vergessen; an Stelle des patriarchalischen Schutz= und Vertrauensverhältnisses, das früher zwischen Adel und Volk bestanden hatte, trat ein herzloser Klassenegoismus, der die Macht des Geldes benutzte, um die rechtlosen Bauern ins Elend zu jagen, die Pächter auszubeuten und sich selbst maßloser Verschwendung hinzugeben.
    […]
    Weltgeschichte der Lüge [ PDF ]

    https://websitemarketing24dotcom.wordpress.com/2021/08/04/council-on-foreign-relations-die-geheime-weltregierung/comment-page-1/#comment-11458

  2. Mir kommen die Tränen! Einen „System“August, Falken, zu betiteln schlägt dem Faß den Boden aus. Ein Merkel Günstling und Befehlsempfänger kam und geht mit der Hexe. Die keinerlei Hexerei kann, sondern anderen Satanisten/Globalisten, nur, gehorcht! Anstatt, die Frage zu stellen, wem die DB und die EZB oder die FED/BIZ denn, nun gehört, das wagt sich keiner anzusprechen. Wie gesagt, alles wie bei „Harry Potter“. Nur ja nicht den Namen der bösen Zauberer nennen. Man könnte sie negativ auf sich aufmerksam machen! Wie Merkel, hat der „Bandit“ im Smoking „elegant“, wie „Teflon“ alle Kritik und Zweifel abgleiten lassen können. Das „saubere“ Bürschen dankt ab. Welch Dilemma! JETZT SIND WIR ENDGÜLTIG VERLOREN! (Satire aus!)

  3. Zwischen den Jahren 1865 und 1927 waren zehn europäische Staaten in der sogenannten Lateinischen Münzunion vereint.Das Bündnis war zwar vergleichsweise lose, und doch hat die Euro-Zone viele Charakteristika und Probleme mit ihrem Vorgänger gemeinsam. Die Lateinische Union wurde mit ähnlich großen Erwartungen gegründet und auch sie hatte mit Konstruktionsfehlern und exzessiver Staatsverschuldung zu kämpfen. Schuldenstaaten waren damals wie heute: Griechenland und Italien.

    Die Schweiz hat damals die Münzunion überlebt und daraus gelernt, wird Deutschland bzw. seine Einwohner den Euro überleben ? Historisch betrachtet eher nicht !

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