Was ISIS wirklich im Sinn hat

Eric Margolis (antikrieg)

Die kürzlichen Attacken von ISIS-Sympathisanten in Paris, London und San Bernardino in Kalifornien sind nicht zufällige Akte stumpfsinniger Gewalt und mörderischer Grausamkeiten.

Weit davon entfernt sind sie Teil einer gut entwickelten Strategie des Islamischen Staats oder ISIS, um die westlichen Mächte in einen viel größeren Krieg im Mittleren Osten hineinzuziehen. Ihm zur Seite steht die großmäulige Rechte in der amerikanischen, britischen und französischen Politik. 

Seine Inspiration bezieht er aus den Niederlagen der anglo-britischen Armee Hicks Paschas 1883 im Sudan, die den Nil aufwärts gelockt und von 300.000 Derwischen und Stammeskriegern überfallen und niedergemacht wurde. Und aus der Niederlage der Briten in Afghanistan bei Maiwand im zweiten anglo-afghanischen Krieg 1880.

Vor fünf Jahren fragte ich einen iranischen Kämpfer, ob er nicht einen Einmarsch der Vereinigten Staaten von Amerika in den Iran fürchte. „Eine solche werden wir begrüßen,“ sagte er mir mit einem Lächeln. „Amerika wird sich am Iran die Zähne ausbeißen.“

Fünf Jahre später sind es die ISIS-Kämpfer, die dieselbe Strategie befürworten.

Das Ziel von ISIS und anderen antiwestlichen Gruppierungen ist nicht Amerikaner, Briten und Franzosen zu töten, wie viele törichterweise glauben, sondern die westlichen großen Mächte aus ihrer Machtposition über den Mittleren Osten und die muslimische Welt zu vertreiben.

Mein zweites Buch „American Ray – How America Rules the Muslim World” („Amerikanisches Reich – wie Amerika die muslimische Welt beherrscht”) dreht sich um dieses wenig verstandene Thema. Kein amerikanischer Verlag getraute sich, sich mit diesem Tabu zu beschäftigen. Das Buch wurde in Kanada und in anderen Ländern gedruckt.

Was wir als „Terrorismus” bezeichnen, einen sinnlosen, leeren Begriff, ist in Wirklichkeit die Retourkutsche, eine Reaktion auf unsere Einmischung in den Mittleren Osten und in Südasien.

Alle Moslem-Länder, die versucht haben, sich gegen westliche Beherrschung zu stellen – Irak, Syrien, Libanon, Sudan, Algerien, Somalia, Afghanistan und zuletzt Jemen – sind in Trümmer gelegt worden, üblicherweise durch westliche Luftmacht. Nichts kann der Macht der Luftwaffe und der Marine der Vereinigten Staaten von Amerika widerstehen. Die Himmel über der Welt der Moslems gehören der Luftmacht der Vereinigten Staaten von Amerika und ihrem verlängerten Arm, der israelischen Luftwaffe.

Zum Beispiel wären die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika schon längst aus Afghanistan vertrieben worden, gäbe es dort nicht die 24/7 Bereitschaft amerikanischer Kriegsflugzeuge, die in Minutenschnelle einsatzbereit sind. Ein Blick auf das afghanische Krankenhaus in Kunduz, das von einem furchterregenden USAF AC-130 zerfetzt wurde, zeigt die erschreckende Macht der amerikanischen Luftflotte – des modernen Äquivalents der königlichen Marine des britischen Imperiums.

In den 1890ern schrieb der Dichter Hillaire Belloc über die britische Eroberung des Sudan und das Hinschlachten der Derwischarmee in Omdurman die denkwürdigen Zeilen, die die westliche Kolonialgeschichte in der Welt der Moslems und in Afrika charakterisieren:

„Was immer auch geschieht,

wir haben das Maxim-Geschütz,

und sie haben es nicht.“

Das Maxim-Geschütz war die erste Version des Maschinengewehrs.

Keine Gewalt im Mittleren Osten konnte auf dem Schlachtfeld der Militärtechnologie des Westens widerstehen. 2003 erlitt die irakische Armee dasselbe Schicksal wie die schwertschwingenden Derwische in Omdurman. Jeder, der ISIS und seinesgleichen verstehen will, sollte sich so bald wie möglich den 1966 gedrehten superben Film „Khartoum“ ansehen.

Die einzige Art, wie Länder der muslimischen Welt den Mächten des Westens gegenüber bestehen würden, sind Taktiken des Infanterie-Nahkampfs: Kämpfe Mann gegen Mann, wo westliche Luft- oder Landüberlegenheit nicht entscheidend sind. Israel lernte diese harte Lektion bei seinem katastrophalen Einmarsch 2006 in den Libanon.

Viele Kämpfer im Mittleren Osten betrachten die Kräfte des Westens als schwach und feig, da diese sich fast zur Gänze auf Luftmacht und schwere Artillerie verlassen und den Nahkampf fürchten. Sie sagen: „Könnten wir nur die westlichen imperialen Kräfte tief in unsere Länder ziehen und sie dann stückweise attackieren.“

Der Islamische Staat hat genau einen solchen Plan im Kopf. Deshalb hat er dermaßen schreckliche Provokationen in Europa und in den Vereinigten Staaten von Amerika inszeniert. Osama bin Laden hat gelehrt: „Verstricke die imperialen Mächte in eine Reihe von kleinen blutigen Kriegen. Reibe sie auf und mache sie bankrott. Die Wirtschaft ist die Achillessehne der westlichen Mächte.“

Demagogische westliche Führer wie Marine Le Pen, Donald Trump, Ted Cruz und Hillary Clinton, die mehr Angriffe gegen die muslimische Welt fordern, tappen mitten in die von ISIS ausgelegte Falle. „Vorwärts, christliche Soldaten“ heulen sie, ohne eine Ahnung zu haben von den gefährlichen Wüsten, die vor ihnen liegen.

Kreuzzüge enden selten positiv.

(Visited 9 times, 1 visits today)
Was ISIS wirklich im Sinn hat
7 Stimmen, 4.43 durchschnittliche Bewertung (89% Ergebnis)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*