Warum haben die USA auf neue Sanktionen gegen deutsche Firmen wegen Nord Stream 2 verzichtet?

US-Politik in der Zwickmühle

Die Biden-Regierung hat überraschend auf weitere Sanktionen gegen deutsche Firmen verzichtet. Deutsche Medien berichten, die USA wollten „negative Auswirkungen“ auf die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland verhindern. Ist das wirklich der Grund?

von Thomas Röper (anti-spiegel)

Deutsche Medien haben in den letzten Tagen gemeldet, dass die USA von weiteren Sanktionen gegen deutsche Unternehmen absehen. Im Spiegel klang das so:

„Wegen »negativer Auswirkungen« auf die Beziehungen zu Deutschland will die US-Regierung keine Sanktionen gegen die Betreiber von Nordstream 2 verhängen. Strafmaßnahmen gegen russische Verlegeschiffe sollen dennoch kommen.“

Es wird der Eindruck vermittelt, die USA seien an einem besseren Verhältnis zu Deutschland interessiert und sie würden gleichzeitig hart gegen Russland durchgreifen. Dieser Eindruck dürfte falsch sein, wenn man die aktuelle Entscheidung der USA in einem größeren Rahmen betrachtet. Um das Verhältnis zu Deutschland dürfte es bei der Entscheidung nicht gegangen sein und ein hartes Vorgehen gegen Russland ist das erst recht nicht, wie der Kreml mitgeteilt hat.

Also der Reihe nach.

Amerikanischer Druck und russische Reaktionen

Wie so oft wird die Außenpolitik der USA von der US-Innenpolitik bestimmt. Joe Biden und seine Demokraten gebären sich seit Jahren als wahre Russenhasser, die hinter jedem Vorfall den „bösartigen russischen Einfluss“ wittern. Das ging soweit, dass Kamala Harris Russland im Wahlkampf sogar beschuldigt hat, hinter den BLM-Unruhen zu stecken, die nun wirklich ein rein innenpolitisches Problem der USA waren.

Und nachdem Joe Biden US-Präsident geworden ist, hat er seine anti-russische Haltung gezeigt, neue Sanktionen gegen Russland verhängt und Putin als „Killer“ bezeichnet, worauf Russland hart reagiert, seinen Botschafter aus Washington nach Hause gerufen und dem US-Botschafter in Moskau ebenfalls empfohlen hat, nach Washington zu gehen, was dieser auch getan hat. Die Beziehungen zwischen den Ländern waren auf einem absoluten Tiefpunkt.

Auch auf die US-Sanktionen hat Russland hart reagiert, indem es den USA verboten hat, in diplomatischen Vertretungen der USA in Russland russische Mitarbeiter zu beschäftigen. Das ist eine sehr harte Maßnahme, denn westliche Botschaften und Konsulate beschäftigen mehr russisches Personal, als eigene Diplomaten. Die lokalen Kräfte nehmen ihnen viele Routinearbeiten ab, weshalb der russische Schritt den USA und ihren Bemühungen, sich in die russische Innenpolitik einzumischen, sehr weh getan haben dürfte. Anstatt sich zum Beispiel mit russischen Oppositionellen zu treffen, müssen sie – überspitzt gesagt – erst einmal die Böden in der Botschaft wischen, denn sie können nicht einmal mehr russische Reinigungskräfte anheuern.

Die russische Gegenreaktion war für die USA sicher sehr schmerzhaft, denn in der Praxis lähmen diese russischen Maßnahmen die Arbeit der US-Botschaft und Konsulate in Russland.





Das Pokerspiel in der Ukraine

Hinzu kommt, dass die Biden-Administration der ukrainischen Regierung sofort nach Amtsantritt signalisiert haben dürfte, dass die Ukraine einen harten anti-russischen Kurs fahren sollte, was der ukrainische Präsident Selensky auch schon Anfang Februar in Angriff genommen hat. Im Donbass fand ein ukrainischer Truppenaufmarsch statt, wie man ihn lange nicht gesehen hat und es drohten heftige Kämpfe.

Auch darauf hat Russland reagiert und den USA klar aufgezeigt, wo die roten Linien für Russland sind. Das scheint man in Washington verstanden zu haben, denn fast über Nacht ging die Kriegsrhetorik in Kiew stark zurück. Das dürfte auf Druck der USA erfolgt sein.

Das ist eine gute Nachricht ist, denn derzeit muss man wohl nicht mit der erwarteten Offensive der Ukraine rechnen. Ein neues Aufflammen der Kämpfe ist unwahrscheinlicher geworden.

Joe Biden in der Zwickmühle

Die Biden-Administration hat sich in eine Zwickmühle manövriert, denn mit der jahrelangen anti-russischen Rhetorik hat Biden sich nun selbst unter Druck gesetzt, hart gegen Russland zu sein. Das Problem ist, dass Biden inzwischen bemerkt hat, wo die roten Linien Russlands sind und die USA die Möglichkeiten, die sie gegen Russland haben, weitgehend ausgeschöpft haben.

Außerdem braucht Biden Russland bei vielen anderen internationalen Themen. Daher versucht man in Washington derzeit, ein Gipfeltreffen zwischen Biden und Putin zu erreichen. Jedoch ist die Reaktion des Kreml darauf bisher sehr zurückhaltend, da man im Kreml offen fragt, worüber man denn sprechen solle, wenn alle Handlungen der USA dezidiert feindselig gegenüber Russland sind. Dass die USA einerseits den Wunsch nach einer Verbesserung der Beziehungen äußern, andererseits aber die Beziehungen ohne Not durch immer neue Sanktionen und persönliche Beleidigungen weiter zerstören, passt nicht zusammen.

Ob man in Washington überrascht war, dass der Kreml auf das Angebot für ein Gipfeltreffen so zurückhaltend reagiert hat, ist Spekulation. Aber auch hier sieht man eine klare Linie der russischen Politik, die sich in letzter Zeit herausgebildet hat: War Russland früher zu jeder Art von Gesprächen bereit, ist die russische Gesprächsbereitschaft aufgrund der massiven anti-russischen Aktionen des Westens, vor allem in den letzten etwa zehn Monaten, deutlich zurückgegangen.

Zum Beispiel möchte der ukrainische Präsident Selensky endlich wieder schöne Bilder von einem Treffen im Normandie-Format mit Russland, Deutschland und Frankreich. Aber im Kreml winkt man ab und fordert von Kiew, erst einmal die beim letzten Treffen im Dezember 2019 übernommenen Verpflichtungen umzusetzen. Leere Worte will Moskau nicht mehr hören und fordert nun eindeutige Taten, die zeigen, dass es der Ukraine ernst ist mit der Suche nach einer Lösung, bevor Moskau zu Gesprächen bereit ist.

Das gleiche sehen wir nun im Verhältnis zu den USA. Die USA müssen sich entscheiden, ob sie eine Verbesserung oder eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zu Russland wollen. Schöne Worte einerseits und Sanktionen andererseits, das funktioniert nicht mehr.

Treffen der Außenminister Russlands und der USA

Den USA ist ein kurzfristiges Gipfeltreffen offensichtlich sehr wichtig und in Washington hofft man auf ein Treffen der beiden Präsidenten schon innerhalb der nächsten Wochen. Kaum beachtet von den deutschen Medien fand am 20. Mai ein Treffen der beiden Außenminister Lawrow und Blinken auf Island statt. Die Außenminister sollten den Weg zu diesem von den USA gewünschten Gipfeltreffen ebnen.

Der Spiegel hat über das Treffen berichtet, aber der Spiegel-Leser wurde mal wieder dumm gehalten. Der Zweck des Treffens war die Vorbereitung eines möglichen Gipfeltreffens der Präsidenten, aber darum ging es in dem recht langen Spiegel-Artikel nur sehr am Rande:

„Das fast zwei Stunden lange Gespräche sei »konstruktiv« gewesen und die beiden Diplomaten würden Vorschläge für ein mögliches Treffen zwischen Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorbereiten, berichteten russischen Staatsmedien.“

Ansonsten ging es in dem Spiegel-Artikel um das beschädigte Verhältnis zwischen den USA und Russland.





Was das mit den Nord-Stream-2-Sanktionen zu tun hat

Die USA sind bekanntlich gegen Nord Stream 2, weshalb es eine bemerkenswerte Entscheidung war, die angekündigten Sanktionen gegen die Pipeline abzuschwächen. Das dürfte aber nichts mit den Beziehungen zwischen den USA und Deutschland zu tun haben, wie Politiker offiziell äußern und deutsche Medien zufrieden berichten, sondern es war ein Signal an Russland. Die gegen Russland verhängten Sanktionen sind nämlich ebenfalls sehr viel schwächer ausgefallen als erwartet.

Russland sind die Sanktionen nicht so wichtig, wie die Vollendung des Baus der Pipeline, die die USA eigentlich verhindern wollen. Hätten die USA neue Sanktionen verkündet, die die Fertigstellung der Pipeline weiter behindert und verzögert hätten, wäre es möglich, dass der Kreml ein Gipfeltreffen mit Biden bis auf weiteres abgelehnt hätte. Das wollte man in Washington anscheinend verhindern.

Für diese Interpretation spricht, dass das russische Fernsehen folgendermaßen über die Reaktion des Kreml berichtet hat:

„Die Weigerung der USA, Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft von Nord Stream 2 zu verhängen, sei ein positives Signal, sagte Dmitri Peskow, der Sprecher des russische Präsidenten, gegenüber Reportern.
„Das ist sicherlich ein positives Signal“, sagte Peskow. Washington wird nur Sanktionen gegen vier russischen Schiffe und fünf Organisationen und eine Person verhängen, die indirekt am Bau der Pipeline beteiligt sind (…)
„Das schafft keine zusätzlichen Hindernisse (für ein Gipfeltreffen), die es zu überwinden gilt“, kommentierte der russische Präsidentensprecher.

Im Kreml ist man pragmatisch. Solange der Bau der Pipeline nicht ernsthaft behindert wird, akzeptiert man die zusätzlichen Sanktionen. Und diese Sanktionen behindern den Bau nicht, wie das russische Fernsehen ebenfalls meldet:

„Die Entscheidung der USA, keine umfangreichen neuen Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu verhängen, wird die Fertigstellung der Gaspipeline von Russland nach Deutschland durch die Ostsee beschleunigen und sie wird wie geplant bis Ende des Jahres in Betrieb gehen, sagen Experten in den zuständigen Ministerien.“

Haben die USA bei Nord Stream 2 wirklich nachgegeben?

Die USA wissen, dass sie Nord Stream 2 kaum noch verhindern können. Eine wirkliche Chance, das Projekt im letzten Moment zu stoppen, hätten sie nur, wenn eine Bundeskanzlerin Baerbock ins Amt kommt, bevor der Bau fertiggestellt wird. Das wird immer unwahrscheinlicher, weshalb es für die USA jetzt wohl wichtiger war, den Russen guten Willen zu zeigen, anstatt mit Sanktionen, die kaum den gewünschten Effekt haben werden, ein Gipfeltreffen von Biden und Putin zu verhindern.

Der Kampf der USA gegen Nord Stream 2 wird weitergehen und vielleicht gehen die USA später sogar so weit, dass sie allen Sanktionen androhen, die Gas aus der Pipeline kaufen. Ausgeschlossen ist das nicht. Aber das wird man sehen, den Russen ist es derzeit am wichtigsten, dass die Pipeline fertiggestellt wird. Und dem scheint man einen großen Schritt näher gekommen zu sein.

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1 Kommentar

  1. Schade. Bidan vs. Wladimir "im Gespräch": Das hätt i gern gesehen.
    Das wär wie Bbbaerböckli mit Gerald Grosz:
    "Schnittlauch-Kommunisten in Heilsbringerlatschen", haha!

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