Warum gegen Lukaschenko in Deutschland ein Strafverfahren läuft, wegen der US-Drohnenmorde aber nicht

Weltrechtsprinzip

In Deutschland wurde auf Basis des Weltrechtsprinzips Strafanzeige gegen Präsident Lukaschenko gestellt. Zwei Spiegel-Artikel zeigen beispielhaft die Doppelmoral des Westens auf. Und sie belegen einmal mehr, dass die Justiz in Deutschland nicht unabhängig ist.

von Thomas Röper (anti-spiegel)

Der Spiegel hat am 7. Mai einen Artikel mit der Überschrift „Machthaber von Belarus – Lukaschenko belächelt Strafanzeige aus Deutschland als »dummen Schritt«“ veröffentlicht. Dort konnte man lesen:

„Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko lässt seit Monaten Aufstände in seinem Land brutal niederschlagen. Dabei sorgt er sich auch nicht vor möglicher Strafverfolgung aus Deutschland. Eine Anzeige gegen ihn hat er nun als »dummen Schritt« bezeichnet. Vier deutsche Anwälte hatten am Mittwoch im Namen von Folteropfern Strafanzeige beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe erstattet. Darin werfen sie Diktator Lukaschenko und dessen Sicherheitsbeamten Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.“

Das Weltrechtsprinzip

Tatsächlich muss man sich fragen, mit welchem Recht in Deutschland Strafverfahren wegen Ereignissen eingeleitet werden, die im Ausland stattgefunden haben und mit denen Deutsche weder als Täter, noch als Opfer etwas zu tun haben. Wie absurd das ist, zeigt sich, wenn man den Spieß umdreht: Wie würde der Spiegel wohl reagieren, wenn in Weißrussland Strafverfahren gegen Merkel eröffnet würden, weil sie die Proteste der Querdenker unterdrückt?

Daran sieht man, wie blödsinnig diese in Deutschland eröffneten Verfahren gegen Lukaschenko sind. Laut Völkerrecht dürfen sich Länder nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen und wenn es tatsächlich irgendwo zu so schweren Verstößen gegen die Menschlichkeit kommt, dass sie international justiziabel wären, dann wäre der Internationale Gerichtshof in Den Haag zuständig, jedoch kein Gericht in Karlsruhe.

Aber es gibt ja noch das „Weltrechtsprinzip“. Das ist zwar kein Bestandteil des Völkerrechts, aber es klingt danach. Geregelt wird es in Deutschland im VStGB, darauf kommen wir gleich noch.

Nach dem Weltrechtsprinzip sieht sich Deutschland doch zuständig, wenn im Ausland Dinge geschehen, die der deutschen Regierung nicht gefallen. Und weil der deutschen Regierung der syrische Präsident Assad nicht gefällt, wurde in Deutschland ein Mann angeklagt, der in Syrien Syrer gefoltert haben soll.

Und der deutschen Regierung gefällt Präsident Lukaschenko nicht, also darf die deutsche Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Verfahren eröffnen.

Agent Orange im Vietnamkrieg

Man könnte die Tatsache, dass Deutschland sich für im Ausland begangene Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig fühlt, ja durchaus gut heißen, wenn es für alle Verbrechen und Täter gelten würde. Aber Deutschland fühlt sich nur für ausgewählte Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig.

Am 10. Mai hat der Spiegel unter der Überschrift „Im Vietnamkrieg genutztes Gift – Gericht weist Agent-Orange-Klage gegen Chemieriesen zurück“ berichtet:

„Ein französisches Gericht hat eine Klage gegen mehrere Chemie-Unternehmen wegen des giftigen Entlaubungsmittels Agent Orange, das im Vietnamkrieg eingesetzt worden war, für unzulässig erklärt. Die Unternehmen hätten damals im Auftrag der USA gehandelt und könnten sich vor dem Gericht in Frankreich auf Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen, entschied ein Gericht in Évry südlich von Paris. Damit wies das Gericht Schadensersatzansprüche der Klägerin zurück.“

Das waren ohne Zweifel Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aber kein deutsches Gericht fühlt sich für Verbrechen der USA zuständig. Und das, obwohl sogar die deutsche Firma Bayer betroffen ist, wie man ebenfalls im Spiegel erfährt:

„Die Konzerne, zu denen auch der vom deutschen Pharmariesen Bayer übernommene US-Saatgutkonzern Monsanto gehört, bestritten die Zuständigkeit des Gerichts in Évry. Der Anwalt von Monsanto argumentierte, die USA hätten »Agent Orange« für die nationale »Verteidigung« eingesetzt, ein ausländisches Gericht könne sich deshalb nicht mit der Sache befassen. Der Bayer-Konzern betonte, allein die damalige Regierung in Washington sei für den Gifteinsatz verantwortlich »und nicht die Lieferanten zu Kriegszeiten«.“

Niemand bestreitet den Gifteinsatz der USA in Vietnam. Aber es wurde und wird in Deutschland trotzdem niemand deswegen angeklagt.





Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Im Falle des Syrers, der in Deutschland wegen Folter von Syrern in Syrien angeklagt wurde, darf die Staatsanwaltschaft ermitteln, weil Folter Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist. Aber warum ermittelt kein deutscher Staatsanwalt gegen Folterknechte der CIA? Die CIA hat unbestritten gefoltert, eine der Verantwortlichen ist Avril Haynes, die von Joe Biden im November zur CIA-Chefin ernannt wurde. Dass sie maßgeblich an den Folterprogrammen der CIA beteiligt war, wird in den USA offen zugegeben. Warum ermittelt kein deutscher Staatsanwalt gegen die Frau, die unbestritten für Folter verantwortlich ist?

Was alles von deutschen Staatsanwaltschaften verfolgt werden darf, ist in Paragraf 7 VStGB geregelt. Nur ein Beispiel:

„Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung einen Menschen tötet, (…) wird (…) mit lebenslanger Freiheitsstrafe (…) bestraft.“

Lesen Sie den Paragrafen gerne nach, er ist ausgesprochen lehrreich.

Aber nehmen wir nur diesen einen der zehn in dem Paragrafen genannten Punkte. Dass die USA im Irak oder bei ihren Drohnenmorden „ausgedehnte oder systematische Angriffe gegen eine Zivilbevölkerung“ durchgeführt haben und bis heute durchführen, kann niemand bestreiten. Und es gibt ja noch viel mehr Beispiele, zum Beispiel Vietnam. Warum wird kein deutscher Staatsanwalt aktiv und klagt die Verantwortlichen aus den USA an? Sie sind schließlich namentlich bekannt.

Die deutsche Justiz ist nicht unabhängig

In Deutschland gibt es das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und dort den Paragrafen 146. Er lautet:

„Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“

Und wer der Vorgesetzte des Staatsanwaltes ist, regelt Paragraf 147 GVG: Es sind die jeweiligen Justizminister. Wie ausgiebig die Justizminister von diesem Weisungsrecht Gebrauch machen und den Staatsanwaltschaften vorschreiben, in welchen Fällen sie ermitteln dürfen und in welchen nicht, habe ich immer wieder aufgezeigt, Beispiele finden Sie hier und hier.

Wir lernen immer wieder, dass das Justizsystem in einem Rechtsstaat unabhängig von der Regierung sein muss. Die Regierung soll nicht auf Strafverfahren Einfluss nehmen können. In Deutschland ist das jedoch offensichtlich nicht gegeben, wie auch der Europäische Gerichtshof 2019 festgestellt hat. Den Artikel darüber inklusive Link zum Urteil finden Sie hier.

Damit kennen wir die Antwort auf die Frage, warum die deutschen Staatsanwaltschaften gegen einen Syrer oder Präsident Lukaschenko ermitteln, gegen US-Bürger aber nicht: In Deutschland ist die Justiz nicht unabhängig, sie muss den politischen Willen der Regierung umsetzen.

Wenn man das weiß, dann weiß man auch, warum Lukaschenko die Strafanzeige aus Deutschland „als dummen Schritt belächelt„, worüber der Spiegel so entrüstet berichtet hat. Es ist ein rein politisches Verfahren.

Ja, es gibt in Deutschland tatsächlich politisch motivierte Strafverfahren, was man eigentlich nur in bösen Diktaturen erwarten würde. Aber das weiß der Spiegel-Leser ja nicht, der glaubt immer noch, Deutschland sei ein Rechtsstaat und die deutsche Justiz sei unabhängig. Es zeigt sich wieder einmal:

Spiegel-Leser wissen weniger!

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Warum gegen Lukaschenko in Deutschland ein Strafverfahren läuft, wegen der US-Drohnenmorde aber nicht
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1 Kommentar

  1. Es ist ja nicht nur die Problematik mit den abhängigen Staatsanwälten.

    So ist der § 15 Gerichtsverfassungsgesetz (Die Gerichte sind Staatsgerichte) weggefallen! Was sind unsere Gerichte dann eigentlich?   Ausnahmegerichte ?  Die sind aber nach § 16 Gerichtsverfassungsgesetz unstatthaft. (Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.)

    Unanhängige Justiz sieht anders aus.

     

     

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