Die USA sind der engste Verbündete Israels, aber wer die Vorgeschichte und die geopolitischen Gründe dafür kennt, der muss sich fragen, wie lange dieses enge Bündnis noch bestehen bleibt, denn in den letzten 20 Jahren haben sich wichtige Dinge verändert.
Quelle: anti-spiegel
Die enge Verbindung zwischen den USA und Israel ist allgemein bekannt und gerade unter Trump und Netanjahu wurde sie wieder besonders offensichtlich. Aber es könnte sein, dass sich daran in naher Zukunft einiges ändert, weil sich die Grundlagen dieser engen Beziehung geändert haben. Darüber hat ein Analyst der TASS einen interessanten Artikel geschrieben, den ich übersetzt habe.
Beginn der Übersetzung:
Die USA und Israel: Warum sind sie so eng befreundet?
Igor Gaschkow darüber, dass 2025 nur ein kleiner Teil der Amerikaner Sympathie für Israel empfindet. Das stellt die Zukunft dieser in der Weltpolitik wichtigen Allianz in Frage.
Im Juni gab der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu, dass er im November 2024 – dem Monat, in dem Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewann – den Befehl gegeben hatte, sich auf einen Krieg mit dem Iran vorzubereiten. Der Wunsch, keine Minute zu verlieren, ist verständlich. Seit 2021, als Israel seine vorletzte Operation im Gazastreifen durchführte, sinkt die Beliebtheit dieses Staates in den USA bei allen, außer den Wählern der Republikanischen Partei. Im März 2025 stufte das Nationale Institut für Sicherheitsfragen in Tel Aviv die Lage als „gefährlich” ein. Wenn die Ermüdung gegenüber der Unterstützung Israels in den USA zum Trend wird, könnte es allein mit dem brodelnden Nahen Osten dastehen.
Ein Schritt vorwärts, zwei zurück
Im Sommer 2025 mag es so aussehen, als seien große Probleme noch weit entfernt. Nach dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 geht Israel triumphierend von einem Sieg zum nächsten und vernichtet seine Gegner in Palästina, im Libanon, in Syrien und im Iran. Überall wird es von den USA unterstützt. Trotzdem sinkt in Amerika die Zustimmung zu seinen Maßnahmen. Zum ersten Mal in der Geschichte ist sie unter 50 Prozent gefallen. Das bedeutet, dass der amtierende US-Präsident theoretisch schon morgen die Hilfe für Israel einstellen könnte, ohne Kritik von seinen eigenen Wählern zu ernten.
Es gibt viel, was gekürzt werden könnte. Die finanzielle Unterstützung des wohlhabenden Landes USA für das andere Land beläuft sich im Jahr 2025 auf viele Dutzend Milliarden Dollar. All diese Gelder fließen in den Militärsektor. 2016 schloss Präsident Barack Obama ein Abkommen, wonach Israel jährlich 3,3 Milliarden Dollar an Subventionen erhält. Nach dem Angriff vom 7. Oktober erklärten sich die USA bereit, darüber hinausgehende Zahlungen zu leisten. Im März und April 2024 überwiesen die USA Israel eine Tranche in Höhe von insgesamt 12,5 Milliarden Dollar und leisteten darüber hinaus praktische Hilfe: Unter Biden blockierten sie alle anti-israelischen Resolutionen im UN-Sicherheitsrat und unter Trump mischten sie sich in den Krieg ein, indem sie iranische Nuklearanlagen in Natanz, Isfahan und Fordo angriffen.
Die Entschlossenheit der Amerikaner und das erschreckende Ausmaß der Hilfe für Israel sind so auffällig, dass sie die Schwankungen der öffentlichen Meinung in ihrem eigenen Hinterland überschatten. Dabei gibt es diese Schwankungen: Anfang 2021 hatten 70 Prozent der US-Bürger eine positive Meinung von Israel, 2025 sind es nur noch 46 Prozent. Unter den Anhängern der Demokraten haben die Palästinenser seit 2023, also bereits seit zwei Jahren, die Oberhand: 59 Prozent Sympathien gegenüber 21 Prozent für die Israelis. Im Lager der Republikaner gibt es ebenfalls Veränderungen: Die breite Unterstützung Israels ist offensichtlich, aber die Zahl der Isolationisten – der Gegner jeglicher Kriege – ist gestiegen.
Diese Wende versetzt Tel Aviv in eine unangenehme Ausnahmestellung: Solange die Rechte an der Macht ist, wird es weiterhin Hilfe erhalten, aber: Das sind hauptsächlich ältere Wähler der Rechten.
Soziologen stellen eine Kluft zwischen den Generationen der Amerikaner fest, nicht nur zwischen den Parteien: Unter den unter 34-Jährigen stehen nur sehr wenige Israel positiv gegenüber: nur ein Drittel (38 Prozent).
Ihre Palästinas
Allerdings hat die Geschichte schon oft gezeigt, dass die Stimme einer offensichtlichen Minderheit durchaus entscheidend sein kann, wenn sie entsprechend geeint ist. Der Kern der amerikanischen Unterstützer Israels ist für seine festen Überzeugungen bekannt, schließlich hat sie nicht durch eine spontane Reaktion auf die Bilder der Bombardierung des Gazastreifens im Fernsehen geeint, sondern ihre protestantische Religion. Etwa 80 Millionen erwachsene Amerikaner sind evangelikale Christen (Baptisten, Pfingstler, Mennoniten) und die überwiegende Mehrheit von ihnen sieht in der Unterstützung Israels eine religiöse Wahrheit, die leicht zu begründen ist: Man muss die Bibel im Buch Genesis nur an den entsprechenden Stellen aufschlagen, wo verkündet wird, dass Gott das Land Palästina den Juden für immer übergeben hat. Bemerkenswert ist, dass sie dafür nicht unbedingt Christen werden müssen.
Die recht wörtliche Herangehensweise an den heiligen Text wird bei den Evangelikalen durch eine komplexe und durchdachte Theologie ausgeglichen, in der die Idee der Dispensation eine Rolle spielt. Demnach wurde die Wahrheit des Glaubens in verschiedenen Epochen verschiedenen Völkern offenbart und lange Zeit allein von Israel bewahrt, wofür dieses besondere Dankbarkeit verdient. In der eschatologischen Zukunft können die Juden wieder zur richtigen Gottesverehrung zurückkehren, indem sie vom Judentum zum evangelischen Christentum übertreten. In Erwartung dieser Zeit sollte man ihnen Hilfe leisten, zumal (die Evangelikalen glauben ebenfalls fest daran) die Wiederkunft Jesu Christi nicht stattfinden wird, bevor die Juden wieder im Heiligen Land angesiedelt sind. Schließlich lastet im Alten Testament über all dem die verbreitete brennende Angst vor der Bestrafung für Sünden: Das Buch Genesis ruft den Zorn Gottes direkt auf die Feinde Israels herab, und das bedeutet, dass es im Interesse Amerikas liegt, sich so zu verhalten, dass es auf keinen Fall versehentlich zu diesen Feinden gezählt wird.
Aus heutiger säkularer Sicht mögen die Ansichten der Evangelikalen extravagant oder veraltet erscheinen. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass sie in den USA die Zukunft sind. Unter allen Wählern in den USA machen religiöse Fundamentalisten 20 bis 25 Prozent aus und im Lager der Republikaner steigt dieser Anteil auf ein Drittel. Etwa hundert Kongressabgeordnete, die sich mit den Evangelikalen assoziieren, stehen fest auf der Seite von Donald Trump.
Dieser erwidert ihre Unterstützung: Er verspricht beispielsweise, Amerika nicht nur wieder groß, sondern auch noch religiöser zu machen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Joe Biden wurde im Weißen Haus unter Trump eine eigene Abteilung für Glaubensfragen eingerichtet. Das eine ist mit dem anderen verflochten, und die Unterstützung Israels passt so gut in die Logik des Trump-Programms, dass selbst ein so geschickter Politiker wie Donald Trump es sich nicht leisten kann, Israel die Hilfe zu verweigern, ohne seinem Programm zu schaden.
Der Ferne Westen, der Nahe Osten
Es ist nicht sicher, ob der Druck der Evangelikalen allein ausgereicht hätte, um die amerikanisch-israelische Allianz zu festigen, wenn nicht noch ein weiterer Faktor hinzugekommen wäre – das Öl. Als Israel 1948 gegründet wurde, waren die USA das erste Land, das es anerkannte, doch die größte Hilfe im Krieg gegen die arabischen Länder leistete die UdSSR.
Es dauerte zwei Jahrzehnte, bis man auf dem Capitol Hill die Vorteile Israels als wichtigster strategischer Partner vollends erkannte. Im Jahr 1967 besiegte Tel Aviv (ohne jegliche amerikanische Hilfe!) im Sechstagekrieg die Koalition der muslimischen Länder und festigte damit seine Rolle als wichtigste Militärmacht in der Region, in der das schwarze Gold gefördert wird, das aus wirtschaftlicher Notwendigkeit später an amerikanische Raffinerien geliefert wird. In den Augen Washingtons war damit alles klar: Seine Aufmerksamkeit richtete sich nun fest auf die Israelis.
Die Lawine amerikanischer Hilfe, die über Israel hereinbrach, gleicht dem Manna aus dem Alten Testament: Unter Berücksichtigung der Inflation wird ihr Wert auf unglaubliche 310 Milliarden Dollar geschätzt. Lange Zeit umfasste die Unterstützung auch wirtschaftliche Subventionen. Obwohl Israel es geschafft hatte, Wohlstand zu erlangen, unterstützten die USA seine Wirtschaft bis 2007 weiter, bis sie schließlich alle ihre Investitionen auf die Hilfe für die israelische Armee konzentrierten.
Der daraus resultierende Beitrag ist unbestreitbar bedeutend: Washington stellt 15 Prozent des Verteidigungsbudgets Israels und gewährt ihm großzügig Zugang zu Waffenlieferungen, um die sich beispielsweise die Türkei seit vielen Jahren bemüht. Von außen betrachtet kann man zu dem Schluss kommen, dass Israel zwar nicht Mitglied der NATO ist, aber selbst innerhalb der Allianz gibt es welche, die es beneiden könnten.
Andererseits könnte gerade diese Isolation die Achillesferse der amerikanisch-israelischen Freundschaft sein. Trotz jahrzehntelanger gegenseitiger Unterstützung haben Washington und Tel Aviv nie ein verbindliches Militärbündnis geschlossen. Taktisch gesehen lässt Israel das Handlungsspielraum: So hat sich Tel Aviv beispielsweise elegant aus der Operation zum Sturz Saddam Husseins herausgehalten, die den amerikanischen Waffen keinen Ruhm eingebracht hat.
Strategisch gesehen bedeutet dieser Mangel an Garantien jedoch Verwundbarkeit. Wie nur wenige auf der Welt ist Tel Aviv von der Stimmungslage in den USA abhängig und muss die Umfragen mit Sorge verfolgen. Was wird nach Trump kommen? Was sagt Vance?
Nach der Liebe
Am Ende des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts werden die sich verändernden Umstände die amerikanisch-israelische Allianz auf eine harte Probe gestellt. Die wichtigste Variable unter den neuen Bedingungen ist das Öl. Zu Beginn der 2010er Jahre hat die Fracking-Revolution in den USA die Abhängigkeit der Amerikaner von Brennstoffen aus dem Nahen Osten beendet. Zweifellos füllen arabisches Öl und Gas nach wie vor die Tanks der Raffinerien in Texas oder Oklahoma, aber ihre Rolle nun beschränkt. 2025 sind die USA der wichtigste Produzent und Exporteur von schwarzem Gold des gesamten Planeten: Im Großen und Ganzen brauchen sie Lieferungen aus dem Nahen Osten nicht mehr.
Aus geopolitischer Sicht führt das im Nahen Osten zum Verlust der bisherigen Orientierungspunkte. Noch 2018 leisteten sich die USA Angriffe auf den Thronfolger Saudi-Arabiens und beschuldigten ihn des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi. Das hatte man nie gehört, denn zuvor hätte niemand in den USA die alte Allianz mit den Saudis gestört. Aber in einer Situation, in der Washington die arabische Welt als Rohstoffquelle immer weniger braucht, ist so etwas möglich, was bedeutet, dass auch das Interesse an Israel als Regionalmacht, die an die arabischen Länder grenzt, tangential abnimmt. So oder so, die Fracking-Revolution – Amerikas Weg zur Selbstversorgung – stärkt direkt die Position der Isolationisten.
Innerhalb der USA selbst versucht die Politik, mit den demografischen Veränderungen Schritt zu halten. Die Migration aus Lateinamerika, gegen die sich Donald Trump stellt, gewinnt dennoch an Fahrt und schwächt die historische weiße Mehrheit in den USA. Mit ihr wird auch die Position der Evangelikalen geschwächt, denn in den nächsten Generationen wird ihr Anteil sinken.
Die USA öffnen sich anderen, wenn auch ebenfalls traditionellen Religionen, wie zum Beispiel dem Katholizismus. In dessen Lehren gibt es jedoch keinen Platz für eine besondere Mission der Juden. Das bedeutet, dass bereits die nächsten Generationen von Trump-Anhängern, die beispielsweise durch den katholischen Vizepräsidenten JD Vance verkörpert werden, Israel mit anderen Augen sehen könnten. Es ist kein Zufall, dass ein Teil von Trumps Umfeld sich 2025 gegen einen Angriff auf den Iran aussprach, denn die extremen Republikaner waren unerwartet mit ihren unversöhnlichen Feinden, den Demokraten, einer Meinung.
Auch den moralischen Faktor darf man nicht außer Acht lassen. Die schweren Verluste der Völker des Nahen Ostens in den Jahren 2023–2025 (56.000 Tote in Gaza und etwa tausend im Iran) schädigen das freundliche Bild Israels weltweit und beeinflussen die öffentliche Meinung, insbesondere in den USA. Dass geschieht auch in Europa, wo die Unterstützung für Israel auf kritisch niedrige 21 Prozent sinkt und der spanische Ministerpräsident Sanktionen gegen Israel fordert. Die engen Beziehungen zwischen der EU und den USA tragen dazu bei, die anti-israelische Skepsis auf der anderen Seite des Ozeans zu verbreiten, auch wenn nicht die Republikaner, sondern die Demokraten besonders anfällig dafür sind. Doch auch das ist wichtig, denn die Linke wird eines Tages so oder so ins Weiße Haus zurückkehren.
Was bedeutet das alles für den Nahen Osten? Mit seinem konkurrenzlosen Militär ist Israel stark genug, um auch ohne amerikanische Hilfe einem Schlag standzuhalten. Allerdings dürften die Bemühungen um eine Annäherung und gegenseitige Anerkennung mit einzelnen arabischen Ländern ohne anhaltenden Druck der USA scheitern. Ein Israel, das sich weitgehend auf sich selbst verlassen muss, könnte unberechenbarer werden und die Wahrscheinlichkeit eines Erstschlags erhöhen. Aus dieser Perspektive drohen die Präventivschläge gegen den Iran, die die Welt überraschten, zum ersten Schlag für eine neue Ära noch angespannterer Beziehungen im Nahen Osten zu werden, wo, wie zu Zeiten des Osmanischen Reiches, immer die Macht des Stärkeren regiert.
Ende der Übersetzung
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