Der Vize-Generalsekretär der NATO Boris Ruge hat in einem Interview über die Interessen der NATO am Ukraine-Krieg gesprochen. Zudem versprach er der Rüstungsindustrie volle Auftragsbücher, da sich die NATO auf einen Krieg gegen Russland vorbereitet, angeblich, um sich zu verteidigen.
Quelle: transition-news
Warum die NATO die Ukraine weiter unterstützen müsse, hat deren Vize-Generalsekretär, der deutsche Diplomat Boris Ruge, so erklärt: «(…) nicht aus Nächstenliebe, sondern weil es in unserem strategischen Interesse liegt, dass die Ukraine sich gegen Russland verteidigen und als souveräne und unabhängige Nation bestehen kann.» Ruge sagte das in einem Interview mit der spanischen Zeitung El Mundo, das am Mittwoch online veröffentlicht wurde.
Ruges Aussage zur Ukraine passt zu dem, was die US-Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin der Demokraten Kamala Harris im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz so formulierte:
«Sie müssen verstehen, dass unser Ansatz nicht auf der Tugend der Nächstenliebe beruht. Wir gehen so vor, weil es in unserem strategischen Interesse ist.»
Der deutsche Diplomat verwies auf den früheren NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, nach dessen Meinung die Ukraine heute besser dastünde, wenn der Westen mehr Waffen geliefert hätte. Viele hätten «Putin und Russland unterschätzt» und nicht geglaubt, «dass Russland so rücksichtslos vorgehen und Männer, Frauen und Kinder angreifen und die zivile Infrastruktur zerstören würde», erklärt er wahrheitswidrig.
Zu den Kiewer Wünschen, dass die NATO die Ukraine als Mitglied aufnehmen soll, betonte er, dass die Zukunft der Ukraine in der NATO liege, wie das die Staats- und Regierungschefs des Bündnisses wiederholt erklärten. Das sei «ein unumkehrbarer Weg (…), über den nicht verhandelt oder diskutiert werden kann».
Kiews Wunsch, in die NATO eingeladen zu werden, sei «der nächste Schritt». Dazu müssten sich aber alle 32 NATO-Staaten einig sein, wobei einige von ihnen «darauf bedacht wären, dass dies sehr schnell geschieht».
In dem Interview geht es vor allem darum, dass sich die Europäische Union und die NATO auf einen Krieg vorbereiten sollen, weil sie angeblich von Russland bedroht werden. Dabei wird deutlich, dass es vor allem um die Profite der Rüstungskonzerne geht.
Gegenüber der spanischen Zeitung sagte der deutsche Diplomat, die Europäer hätten «noch viel Spielraum, um der Ukraine zu helfen», auch wenn sie zuerst ihre eigenen Waffenarsenale wieder auffüllen müssten. Dabei gehe es um «die neue Abschreckungs- und Verteidigungshaltung», die die EU eingenommen habe.
«Wir müssen sicherstellen, dass unsere Verteidigungsindustrie in Europa und Nordamerika unsere Bedürfnisse und die Bedürfnisse der Ukraine erfüllen kann.»
Die neuen NATO-Verteidigungspläne sichern nach seinen Worten, dass die Rüstungsindustrie «noch viele Jahre lang viele Aufträge» haben wird. Ruge glaubt nicht, «dass sich die Industrie Sorgen machen muss, dass die Aufträge versiegen: Es gibt eine große Nachfrage, und das wird auch so bleiben.» Den Grund dafür beschreibt er so:
«Die Welt um uns herum wird nicht friedlicher, nicht stabiler.»
Erwartungsgemäß geht er nicht darauf ein, dass die westliche Politik, vor allem die der US-geführten NATO-Staaten, genau dafür sorgt. Dafür beschreibt er, wie sich die NATO auf einen Krieg gegen Russland vorbereitet.
Das geschieht unter anderem durch den Ausbau der NATO-Truppen an der Westgrenze Russlands bereits seit Jahren, «nach dem ersten russischen Einmarsch in der Ukraine im Jahr 2014», so Ruge.
«Unsere Präsenz an der Ostflanke der NATO hat also bereits ein ganz anderes Niveau erreicht. Darüber hinaus haben wir jetzt Hunderttausende von Soldaten in hoher Bereitschaft, die innerhalb von zehn Tagen an der Ostflanke oder wo auch immer benötigt werden, eingesetzt werden können.»
Die Aussagen und die Haltung Ruges sind auch deshalb interessant, weil er der Sohn des bekannten bundesdeutschen Journalisten Gerd Ruge ist, der 2021 verstarb. Der war lange Jahre ARD-Korrespondent in Moskau und galt als einer der besten Russland-Kenner.
In seinem Buch «Russland – Porträt eines Nachbarn» von 2008 (Neuausgabe 2012) hatte der Journalist noch geschrieben, «dass die Zusammenarbeit mit diesem schwierigen Nachbarn für die Europäer notwendig und für die Lösung der großen Zukunftsfragen unumgänglich» sei. Dafür seien aber «mehr Fantasie und Planung» notwendig, «als in den letzten Jahren von der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten aufgebracht worden sind».
Der Journalist Ruge warnte damals, dass sonst die Moskauer Führung wieder versuchen werde, die eigenen Interessen auch mit militärischen Mitteln zu sichern und durchzusetzen. Dagegen setzte er auf den «Weg der Verhandlungen und der Zusammenarbeit».
Noch 2014 erklärte er zum Ukraine-Konflikt, eine aktive Politik der Kompromisslösung in Osteuropa sei notwendig, sodass sich Russlands Nachbarstaaten «geschützt fühlen, ohne der NATO beizutreten». Der Westen habe immer zu spät und ohne erkennbares Konzept reagiert. Sein Sohn scheint dagegen längst auf dem Weg der Konfrontation zu sein.
Quelle:
El Mundo: Boris Ruge, vicesecretario general de la OTAN: «Necesitaremos más armas, el mundo no se está volviendo más pacífico ni más estable» (hinter Bezahlschranke) – 20. November 2024
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