Wahlsieger bei Europawahl steht bereits fest: die Lobbyisten

von Peter A. Weber (kritisches-netzwerk)

Jedenfalls wenn die Bürger sich nicht im Vergleich zu den letzten Wahlen umorientieren, wird die Wirtschaft und die Konzerne in Brüssel endgültig das Heft in die Hand nehmen. Ich schlage vor, daß bei der nächsten Europawahl die Parteien aus dem Spiel genommen werden und wir unser Kreuzchen gleich direkt bei den Konzernen machen können. Das wäre wenigsten ehrlich!

Betrachten wir nur zwei Themenbereiche, die speziell in Brüssel verhackstückt werden: Das Freihandelsabkommen (TTIP) und die Energiewende, die auf der Abschußliste steht. In beiden Bereichen haben sich die beiden Organisationen Campact sowie Umweltinstitut München e.V.als Streiter für eine gerechte und unweltfreundliche Sache verdient gemacht. Beide Punkte stellen m. E. für sich bereits ein Kriterium dar, ob eine Partei wählbar ist oder nicht.

Freihandelsabkommen

Campact hat einen Flyer gegen das Freihandelsabkommen in einer Auflage von ca. 6,5 Mio Stück in Umlauf gebracht. In diesem Flyer wird von der Wahl der Parteien abgeraten, die sich für das TTIP stark machen. Bei dieser Empfehlung fällt mir folgendes auf:

  • Die SPD wird mit gelbem waagerechtem Daumen als Partei dargestellt, die das TTIP nur bedingt befürwortet: Text: „Die SPD will TTIP mit mehr Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz. Vertraut darauf, daß dies in den geheimen Verhandlungen berücksichtigt wird.“ Wer die SPD wirklich kennt und auf diese Aussagen, der hat wohl in zu viel Vertrauenseligkeit gebadet und auf Sand gebaut.
  • Der CSU verleiht man ebenfalls den gemäßigten gelben Daumen, und zwar wegen derer angeblicher Vorbehalte: „Die CSU will TTIP mit Vorbehalten bei Konzernklagen und Verbraucherschutz.“ Das soll wohl eine Lachnummer sein, wenn man erstens den Populistencharakter von Seehofer berücksichtigt, zweitens bedenkt, daß die CSU nur in Bayern gewählt werden kann und drittens, daß in Berlin die Merkel eh den Ton angibt. Angela Merkel ist bekanntlich eine feurige Anhängerin des Freihandelsabkommens und verspricht den Bürgern im Falle der Einführung nicht nur das Blaue vom Himmel sondern sogar das Paradies auf Erden.

So viel zu Campact, die sich wohl nicht getraut haben, eine kompromißlosere Aussage zur Haltung der Parteien vorzunehmen.

Energiewende und geplante Ausschreibungspflicht

Die Energiewende ist ein komplexes und umfangreiches Thema. Seit der Vorstellung des Koalitionsvertrages – nachzulesen im Kritischen Netzwerk unter dem Titel „Der Koalitionsvertrag – viel Lärm um wenig Konstruktives“ wissen wir, daß die Merkel und der Gabriel, der hinterher Umweltminister geworden ist, die Energiewende für die Abrißbirne vorgesehen haben. Hier werde ich nur auf einen einzigen Teilaspekt dieses groß angelegten Anschlages eingehen, nämlich auf die geplante Ausschreibungsverspflicht bei neuen alternativen Energieprojekten. Das hat sich speziell der Günther Oettinger, EU-Kommissar für Energie, ausgeheckt, wobei der Gabriel dabei mit unter einer Decke steckt. Verhindert werden kann dieses Vorhaben in Deutschland nur noch durch eine Ablehnung durch den Bundestag.

Welche verheerende Bedeutung diese Ausschreibungspflicht für die Energiewende besitzt, hat das ZDF gestern Abend in Frontal21 angeprangert. Die Europäische Kommission beabsichtigt unter der Initiative von Oettinger, die Mitgliedstaaten zukünftig zu zwingen, ihre Fördersysteme für neue Projekte auf Ausschreibungsverfahren zu fixieren. Das heißt, daß Bürgerinitiativen, kleinere Stadtwerke oder mittelständische Unternehmen mit wenig Eigenkapital keine Chance mehr besitzen, ins alternative Energiegeschäft einzusteigen, weil die anfallenden Formalitäten, die enormen Gebühren und die Investitionsunsicherheit einem Ausschluß gleichkommen. Das wäre das Aus für eine dezentrale und regionale Energieversorgung!

Die Energiekonzerne, die bisher der Energiewende nachgelaufen sind, wären die eindeutigen und einzigen Profiteure dieser neuen Regulierung! Dabei sind die Argumente, mit denen die Befürworter der Ausschreibungspflicht arbeiten, geradezu hanebüchen und erlogen. Das bisherige erfolgreiche deutsche Fördersystem, das sich sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Sicht bewährt hat, wird schlecht geredet. Die Fakten zeigen eindeutig, daß nicht in den sonnenverwöhnten Ländern Europas die Photovoltaik mit den günstigsten Kosten aufwarten kann, sondern mit weitem Abstand Deutschland die effektivsten Werte aufzuweisen hat. Doch diese Tatsachen werden von den Lobbyisten und deren Bütteln in Gestalt von Politikern geleugnet. Es wird frech das Gegenteil behauptet nach dem Motto: Was schert uns die Realität, wenn sie uns nicht in den Kram paßt!

Hier einige Kostproben von Zitaten, die meinen Zorn über die praktizierte Demagogie verstehen lassen:

  • Peter Terium, Vorstandsvorsitzender der RWE: Sonnenstrom in Deutschland zu erzeugen, sie identisch mit „Ananas in Alaska züchten“.
  • Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender der E.O.N: „Photovoltaik in Deutschland ist nicht effizient.“
  • Günter Oettinger, EU-Kommissar für Energie: „Wir sind kein Sonnenland.“ Außerdem meinte er, die Photovoltaik könne hierzulande „nie kostengünstig sein“.

Von Günther Oettinger allerdings kommt es noch dicker. Hier einige Auszüge aus dem Interview der Frontal21-Reporter mit ihm:

Auf den Vorwurf von Fronal21, er vertrete die Interessen der Energiekonzerne und bremse die Energiewende ab, antwortete Öttinger wörtlich:

  • „Ich bilde mir meine Meinung aufgrund eigener Überzeugung. Sie können mich abwählen, das ist Ihre Sache. Ich mache die Arbeit, wie ich es für richtig halte, und antworte auch auf Ihre Fragen, wie ich es für richtig halte. Und nicht, wie Sie es sicherhoffen.“

Es liegen von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studien vor, die beweisen, daß die das deutsche Fördersystem effektiv arbeitet und Ausschreibungen konterkarierend wirken. Auf die Frage von Frontal21, warum Oettinger nicht die Ergebnisse der eigenen Studien beachte, sagte er:

  • „Sie haben es fünfmal gefragt. Es gab fünf Antworten. Und damit reicht es.“

Diese patzige und dreiste Reaktion von Oettinger ist pure Chuzpe! Dieser Kerl stellt sich ein lupenreiner Lobbyist vor die Kamera und wagt es, präzise Fragen, die die Interessen der EU-Bürger extrem tangieren, abzuschmettern, sich umzudrehen und den Platz zu verlassen.

Mario Ragwitz, der Leiter Erneuerbare Energien des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI spricht klare Worte, die unmißverständlich sind:

  • „Im europäischen Vergleich sind die Vergütungen für Photovoltaik in Deutschland sehr kostengünstig. Das liegt in erster Linie daran, dass aufgrund langfristiger Abnahmeverträge die Risiken für Investoren gering sind und dass die Vergütungshöhe sehr dynamisch an die Kostenentwicklung der Technologie angepasst wurde. Das heißt, in den letzten Jahren rasch gesenkt wurde so wie die Kosten für die Technologien gefallen sind.“

Wo sind wir hingekommen, wenn die von uns gewählten Politiker, die unsere Interessen wahrzunehmen haben, noch nicht einmal den Attesten eines renommierten wissenschaftlichen Institutes folgen, das wahrlich nicht im Ruf steht, eine Seite zu bevorteilen? Als Ergänzung ist hier noch eine Grafik abzurufen, die einen Kostenvergleich des ISI zu verschiedenen EU-Staaten zu Deutschland hinsichtlich der Photovoltaik-Kosten zeigt.

Wenigsten ein EU-Parlamentarier, der Luxemburger Claude Turmes von den Grünen, nimmt kein Blatt vor den Mund:

  • „Meine Analyse ist, dass es einen Deal gab: In Deutschland wird weiterhin in die Energiewende investiert, aber wir verhindern, dass das zu Lasten der Konzerne geht. Und deshalb werden jetzt quasi die bürgerfreundlichen Fördersysteme, wie EEG, abgeschafft und ersetzt durch ein Ausschreibungsmodell, was so komplex ist, dass nur noch die ganz, ganz großen Konzerne in Erneuerbare Energien investieren können.“

Dieses Zitat bringt es auf den Punkt und demonstriert wieder einmal mehr, was wir als Bürger von einer EU zu erwarten haben, die von konservativen sowie sozialdemokratischen Parteien dominiert wird, zu erwarten haben: Wirtschaftsfeudalismus!

MfG Peter A. Weber

 

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