Wahlen und die Gefahren der digitalen Welt

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Mögen Sie Theater? Nein? Vielleicht ja doch, nur wissen Sie es noch nicht, weil sie die Laienspieler gar nicht der Gattung von Theaterschauspielern zuordnen. Dabei sind es Schauspieler, die im Laufe der Zeit zu immer besserer Hochform auflaufen. Allerdings nennt man sie in nicht ganz korrekter Weise Politiker.

Gerade haben sie ein Glanzstück ihrer Schauspielkunst abgeliefert, das sie seit vielen Jahren in regelmäßigen Abständen aufführen. Sie nennen es Wahl, ein Stück, das sich in mehreren Akten abspielt und dazu dienen soll, die Hauptdarsteller für die nächste Saison, Legislaturperiode genannt, festzulegen. Es beginnt mit dem ersten Akt, Wahlkampf genannt. Hier übernehmen andere die Choreographie, Leute, die wir normalerweise als Presseleute zu kennen glauben. Aber es sind Spezialisten, wie beim Kino verantwortlich für Spezial-Effekte. Sie inszenieren Veranstaltungen mit scheinbar hitzigen Wortgefechten, schreiben über die Darstellungskraft und die Rhetorik einzelner Laienschauspieler und ordnen diese jeweils einer bestimmten Herde zu, Partei genannt. Dass dabei auch unterschwellig eine bestimmte Partei und deren „Verdienste“ in den Vordergrund gestellt werden, ist natürlich reiner Zufall. Mitarbeiter am Drehbuch sind Organisationen, die ihre Beiträge als Wahlforschung deklarieren und ihrerseits erheblichen Einfluss auf den Publikumsapplaus in Form von Stimmen nehmen, weil man weiß, dass der Mensch als Herdentier dazu neigt, dem Leittier zu folgen. Man muss also nur festlegen, wer denn nun das Leittier ist.

Der zweite Akt ist dann die eigentliche Wahl. Es kommt dabei relativ selten vor, dass man dort einem anderen Leittier folgt als dem, dem man schon immer gefolgt ist, es sei denn, er oder sie hat in einem Duell und unterstützt von den Autoren der Special Effekts eine größere Stärke unter Beweis gestellt. Obwohl ein immer größer werdender Teil der gesamten Herdentiere an diesem Spektakel nicht mehr teilnimmt, plustern sich die „Sieger“ im Anschluss derart auf, dass jeder Pfau neidisch werden muss.

Der dritte Akt nennt sich dann Koalitionsverhandlungen und obwohl man davon ausgehen kann, dass das Ergebnis schon lange vorher festgelegt wurde, laufen nun die Autoren des Special Effekts zur Hochform auf, wie z. B. die FAZ mit dem Beitrag Erst einmal allein beweist. Dabei war schon lange vorher klar, wer mit wem ins Bett steigt und durch Beteuerungen schon vor der Wahl, wer mit wem keinesfalls was zu tun haben möchte, auch festgelegt, dass Überraschungen ausgeschlossen werden. Würden nämlich dann einige versuchen, das Ende des Schauspiels anders zu gestalten, indem sie dennoch tun, was vorher ausgeschlossen wurde, würden die Buh-Rufe des Publikums , das Geschrei über Verrat und Ähnliches unüberhörbar werden. Die Herde, gesteht diesen Schauspielern den Verrat nur in den folgenden Jahren zu, muht zwar gelegentlich unwillig, wenn das Leittier sie zu immer stärker abgegrasten Weidegründen führt und die wirklich fetten Weidegründe für die reserviert, die ohnehin bereits über Gebühr gemästet sind, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass man sie auch zur Schlachtbank führt. Das geht solange, bis es zur Neuauflage des Stückes kommt. Aber das Ende des Stückes muss dem Drehbuch folgen und das besagt, dass nicht das Ergebnis der Ausscheidung darüber entscheidet, wer die gesamte Herde führt, sondern nur die zuvor getroffenen Vereinbarungen. Nun, es mag sein, dass ich vom Theater keine Ahnung habe und deshalb das gerade aufgeführte Stück für grottenschlecht halte. Eine Soap, wie man es in neudeutsch ausdrückt, mit der man Illusionen erzeugen will, die sich dann aber stets weitab der Realität bewegen.

Ich neige nicht zu Illusionen und bin daher auch fest überzeugt, dass es zu einer großen Koalition kommen wird, weil insgeheim hinter verschlossenen Türen längst abgesprochen wurde, was man angehen will. Man hat großes vor und dafür ist eine zwei Drittel Mehrheit einer großen Koalition mehr als nützlich, weil selbst die wenigen Querköpfe in den eigenen Reihen dann nichts ausrichten können und das, was man Opposition nennt, als einzigen Erfolg die monatlichen Überweisungen der Diäten und der kostenfreien Nebenpauschale verbuchen können. Ach ja, Sie meinen, da ist ja noch das Volk? Aber das sind doch bloß Zuschauer, deren einzige Handlung darauf beschränkt ist, die Hauptdarsteller auszusuchen. Sie haben die Hauptdarsteller benannt und haben nun auch jedes Stück zu akzeptieren, das diese Truppe aufführt.

Wieder ist es die FAZ, die sich nach der „Einsamkeit Merkels“ nun daran macht, uns zu verklickern, was und warum das auf uns zukommt. Das ist ähnlich, wie im Fernsehen, wenn riesige Feuerbälle über den Bildschirm flackern, Autos durch die Luft fliegen, nicht real sondern reine „Special Effekts“, doch dafür gibt es sie ja, die Presse. Wie eine neue große Koalition entsteht Und ein wenig religiös ist das auch, denn wir sollen glauben, dass es dabei um ein hartes Ringen geht, aber das betrifft allenfalls die Frage, wer welche Posten besetzt.

Einen weiteren Artikel der FAZ möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, eine Art Appell an die SPD, der eigentlich infolge des Wahlergebnisses ein wenig merkwürdig anmutet, aber ansonsten ein wirklich ernstes Thema aufgreift.

FAZ

Auch wenn der Bericht inhaltlich ganz gut auf die Gefahren eingeht, ist die Adresse bei der SPD falsch angesiedelt. Nicht nur bei der SPD, sondern bei der Politik allgemein, weil sie eine Lauterkeit der Politiker voraussetzt, die ich für nicht mehr gegeben halte. Doch selbst, wenn ich die Lauterkeit nicht anzweifeln würde, würde ich mir die Frage stellen: „Hat die Politik überhaupt die geistige Kapazität, diese Gefahren vollumfänglich zu erkennen und ihnen rechtzeitig vorzubeugen?“ Das würde ich glatt verneinen. Die Tatsache, dass wir ein paar Laienspieler eingesetzt haben, die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu organisieren, befreit doch die Gesellschaft nicht von der Verantwortung. Speziell die SPD hat doch außerdem schon mehrfach deutlich unter Beweis gestellt, dass sie sich von den hehren Vorstellungen bzw. Verlautbarungen der Gründerväter verabschiedet hat.


Und hat die Politik mit dem Satz von Merkel, dass wir Neuland betreten haben, unter beweis gestellt, dass sie die Gefahren der Digitalisierung der Welt erkannt hat? Im Gegenteil, wenn die Politik z. B. digitalisierte Kriegsmaschinen wie Drohnen und Roboter als unverzichtbar darstellt, beweist sie doch damit, dass sie entweder die anstehende Thematik nicht im Mindesten verstanden hat, oder dass sie längst von den Hintermännern und Verantwortlichen für den Missbrauch der Datentechnik vereinnahmt wurde und nicht die mindesten Anstalten machen wird, diesem Missbrauch entgegen zu treten.

Was Snowden aufgezeigt hat, ist nur ein Teil dessen, was tatsächlich passiert, aber er hat damit dafür gesorgt, dass mehr Menschen aufwachen (hoffe ich zumindest). Dieses Thema geht nicht die nur SPD oder die sonstigen Parteien an, sondern uns alle, wenn wir nicht Sklaven von Maschinen werden wollen. Es gibt Dinge, die wir der Politik nicht überlassen dürfen und ihr auf die Finger klopfen müssen, wenn wir feststellen, dass sie sich nicht ernsthaft darum kümmert. Vor allem sollten wir die Gefahren der digitalen Möglichkeiten nicht ignorieren, weil wir nur die Vorteile sehen wollen, die ohnehin nur einen Bruchteil des Möglichen umfassen.

Natürlich werden sich manche Leute, wenn sie das lesen sollten, mit einem Finger an die Schläfe tippen. So ein Blödsinn, Sklaverei durch Maschinen, das gibt es nur in Filmen. Doch ich sehe das anders. Wird das, was früher einmal dazu diente, den Lebensunterhalt zu sichern, die Arbeit, nicht heute in immer stärkerem Maße durch Maschinen wahrgenommen und wurde der ursprüngliche Gedanke dazu, damit den Menschen mehr Freiraum und Freizeit zu ermöglichen, nicht ins Gegenteil verkehrt?

Auch denken viele Menschen, sie hätten wirklich Ahnung von der digitalisierten Welt, doch einen vollen Überblick haben nur noch wenige. Wir sind überwiegend Nutzer, mehr nicht, selbst dann, wenn wir auch Programme schreiben können oder das Spektrum der angebotenen Leistungen voll ausschöpfen.

Die Zahl derer, die wissen, dass es z. B. die kurz als KI bezeichnete Form der Forschung gibt, ist schon sehr viel kleiner. KI steht für Künstliche Intelligenz, englisch AI und daran arbeiten Forscher bereits seit den 50er Jahren. Man versucht, die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns auf Computer zu übertragen, ist damit aber immer wieder gescheitert und bastelt weiter an diesen Versuchen. Das Scheitern, die Komplexität menschlicher Denkmöglichkeiten in Verbindung mit den Lernfähigkeiten auf Computer zu übertragen, bedeutet nicht das Scheitern von KI, denn es gibt die starke KI, die weiterhin daran arbeitet und die schwache KI, die sich auf Einzelanwendung in Form von Expertensystemen spezialisiert hat und in die neue Erkenntnisse der starken KI auch stets einfließen. Man arbeitet inzwischen mit neuralen Netzen, in denen man sich Erkenntnisse der Neuro-Wissenschaft und der Neuro-Psychologie zunutze macht. Solche System der schwachen KI nutzen wir schon lange, ohne uns allzu viel Gedanken darüber zu machen, welch Algorithmen sich dahinter verbergen, z. B. GOOGLE, Twitter, Facebook und ähnliche System, die allgemein als soziale Netze beschrieben werden, weil sie Verbindungen zwischen Menschen schaffen können. Nur finde ich, der soziale Gedanke hinter diesen Anwendungen fehlt, denn ein soziales Gefüge darf die Freiheit nicht einschränken, doch genau das tun diese Anwendungen, indem sie die ihnen in gutem (weil naiven) Glauben anvertrauen, nicht nur nutzen, um diese Informationen zu verkaufen, sondern sie auch zur globalen Überwachung bereitstellen. Es gibt sie immer noch, die Leute, die glauben, die Datensammelwut der NSA wäre sinnlos, weil die Menge der Daten zu groß wäre und dann geben diese Leute einen Suchbegriff bei GOOGLE ein, ohne sich zu fragen, wie groß wohl der Datenbestand sein mag, der von GOOGLE dabei durchforstet werden muss, um in Sekundenbruchteilen oft tausende von Ergebnissen anzuzeigen.

Es gibt längst auch schon Expertensysteme, die bei größeren Menschenansammlungen das davon ausgehende Gefahrenpotential berechnen. Das bedeutet, dass künftig eine große Demonstration dazu führen kann, dass ein Computer in der Menschenmenge ein Gefahrenpotential diagnostiziert und die „Verantwortlichen“ dieser Gefahr „präventiv“ begegnen. Denn längst vertrauen die Menschen viel mehr auf die Unfehlbarkeit des Computers als auf die des gesunden Menschenverstandes (der, das gebe ich ja zu, nicht sonderlich ausgeprägt ist). Aber ein Computer ist immer nur so gut, wie das Programm, das er abspult und dieses Programm wurde immer von Menschen geschrieben. Und wenn wir mehr und mehr das Denken den Maschinen überlassen. Sollten wir uns nicht wundern, wenn eines Tages die Selbstprogrammierung, wie von einigen SF-Autoren beschrieben, Wirklichkeit wird und da Computer immer der Logik folgen, würden sie in diesem Fall irgendwann zu dem logischen Schluss kommen, dass der Mensch an sich ein ständiges Gefahrenpotential ist, was nur die eine Lösung zulässt, der Mensch muss verschwinden.

 

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