Von der Perversion des Geldes

Lieber Hubert von Brunn,

Sie sprechen mir mit Ihrem Aufsatz so richtig aus der Seele. Als Kind habe ich gelernt: Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Geldes nicht wert. Meine Lebenserfahrung hat aber gezeigt, dass dies nur für die da ganz unten gilt und nicht für unsere Volksverräter, die sich auch Volksvertreter nennen und bewußt mit Gesetzen, die sie selbst verabschieden, Reiche noch reicher machen.
Es müssten, damit es allen einigermaßen gut ginge, sozialverträglichere Gesetze her. Um nur vier Beispiele zu nennen:

  1. Sämtliches Privatvermögen von über 20 Millionen Euro müsste mit 80 Prozent versteuert werden.
  2. Politiker, die Steuergelder sinnlos verschwenden (z.B. BER, S21) müssten in private Haftung genommen werden.
  3. Wegfall von Kindergeld ab einem Vermögen von zwei Millionen Euro
  4. Grundeinkommen von 1.000 Euro für jeden ab dem 16ten Lebensjahr

Ich könnte min. noch ein Dutzend weitere sozialverträglichere Gesetzesvorschläge anführen. Leider aber muss die Mehrheit erst in der Gosse liegen, um aufzuwachen und  erkennen, dass die Volkszertreter nicht für sie, sondern für die Hochfinanz arbeiten. Die Geschichte (franz. Revolution) hat gezeigt, dass dies möglich ist.

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Ein Zwischenruf von Hubert von Brunn (anderwelt)

„Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch“. Nehmen wir diese ernüchternd-pessimistische Feststellung Albert Einsteins zum Anlass, wieder einmal übers Geld zu reden. Das haben wir in den zurückliegenden Wochen und Monaten aus unterschiedlichen Perspektiven in unterschiedlichem Kontext zwar recht oft getan, aber der kritische Chronist hat keine Wahl. Er sucht sich seine Themen nicht aus, sie werden ihm vorgegeben: Krieg, Gewalt, Hass, Flüchtlingselend, menschliche Katastrophen, Egoismus, Habgier – und, sei es als Auslöser, Treibmittel, Rechtfertigung oder aber als der totale Gegenentwurf einer verschwindend kleinen Minderheit für ein verschwenderisches Leben – immer wieder Geld!

Fangen wir ganz unten an, bei Hartz IV, Minijobbern, Mindestlohn, Altersarmut… Dort, in den untersten Regionen der sozialen Skala, wo um jeden Cent gefeilscht wird, tummeln sich keineswegs nur Sozialschmarotzer und arbeitsscheues Gesindel. Im Gegenteil sind dort ganz viele Menschen, die tausendmal lieber arbeiten würden, denn als „Bittsteller“ zum Amt zu gehen und sich die Stütze abzuholen. Aber man lässt sie nicht, weil sie mit Mitte fünfzig schon zu alt sind und auf dem ersten Arbeitsmarkt „nicht mehr vermittelbar“; weil die mittelständische Firma, für die sie viele Jahre gearbeitet haben, mangels Aufträge pleite gegangen ist (vielleicht wegen der Sanktionen gegen Russland); weil der Großkonzern wieder einmal Personal in Größenordnung abbauen muss, damit die Dividende für die Aktionäre erhöht werden kann (wie jetzt gerade wieder aktuell bei Siemens). Die Gründe, weshalb Menschen aus dem Raster fallen und sich schließlich in einer Situation ohne Würde und Selbstwert wiederfinden, sind vielfältig, ebenso wie die Schicksale, die sich aus einem solch unverschuldeten Absturz ergeben.

In den unteren Schichten wird um jeden Euro gerungen

Nehmen wir den Rentner, der sein ganzes Leben lang geschuftet hat und nun, anstatt den wohlverdienten Ruhestand genießen zu dürfen, irgendwelche Minijobs erledigen muss, weil seine mickrige Rente hinten und vorne nicht reicht, um ein halbwegs anständiges Leben führen zu können. Er ist sich für nichts zu schade, nimmt, was er kriegen kann, nur damit er am Ende des Monats ein paar Euro mehr in der Tasche hat. Viel ist es nicht, denn zuerst greift natürlich das Finanzamt zu. Wäre ja noch schöner, wenn man diesen Rentner ungeschoren davonkommen lassen würde. Ja, und dann ist da der Mindestlohn, das Lieblingskind von Frau Nahles: 8,50 Euro im Monat. Gehen wir von einem normalen Arbeitstag mit acht Stunden an durchschnittlich 20 Tagen im Monat aus, kommen wir auf die stolze Summe von 1.360 Euro – brutto! Kann man davon leben, womöglich noch als alleinerziehende Mutter? Oder von 399 Euro/Monat, dem aktuellen Hartz-IV-Regelsatz, der einer neuen Studie zufolge um 45 Euro erhöht werden müsste?

Nein, hier geht es nur noch ums Überleben – und das in einem der reichsten Länder der Welt. Also reden wir über Reichtum. Deutschland ist wirklich ein sehr reiches Land. Die Wirtschaft brummt und mit ihrem sprichwörtlichen Fleiß, ihrem Erfindungsreichtum und ihrer Zuverlässigkeit haben die Deutschen mit Produkten „Made in Germany“ 2014 einen Außenhandelsüberschuss von sage und schreibe 285 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Wieder einmal Weltrekord. Von diesem riesigen Kuchen müsste doch auch ein schönes Stück abfallen für die ganz unten. So viel wenigstens, dass sie ihre Selbstachtung behalten können als Rentner, Minijobber, Mindestlohnbezieher oder Hartz-IV-Empfänger. Sollte man meinen, ist aber nicht so. Denn, wir haben es mehrfach angeprangert, dieses Plus in der Leistungsbilanz unserer Wirtschaft ist nichts als eine unvorstellbar große Zahl ohne Wert. Es ist absurd und mit dem gesunden Menschenverstand nicht zu begreifen, aber leider wahr: Es gibt kein Konto, auf dem diese 285 Milliarden Dollar (und all die anderen Überschüsse der zurückliegenden Jahre) oder auch nur Teile davon verbucht wären. Das ganze Geld ist nur eine fiktive Zahl, verschwunden im Finanznirwana.

Ein Prozent besitzt ein Drittel aller Privatvermögen

Dennoch, man glaubt es kaum, sind die Deutschen sehr reich – wenigstens ein paar davon. Das Vermögen in Privatbesitz beträgt immerhin satte 9,3 Billionen Euro! Das ist wirklich eine verdammt stolze Summe und mit einem Bruchteil dessen ließen sich die meisten, wenn nicht alle Probleme in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Soziales mühelos lösen und die Inhaber dieser gigantischen Geldmenge würden immer noch lange nicht am Hungertuch nagen. De facto besitzt nämlich gerade mal ein Prozent der Bevölkerung rd. 34 Prozent, also mehr als ein Drittel des gesamten Privatvermögens. Anders ausgedrückt sind das schlappe 3,25 Billionen Euro in den Händen von 80.000 Individuen. Die DIW-Studie, die diese Zahlen jetzt vorgelegt hat, geht noch eins weiter und stellt fest: Die wohlhabendsten zehn Prozent der Haushalte besitzt zwischen 63 und 74 Prozent aller Vermögen. Im Umkehrschluss heißt das: Die verbleibenden 90 Prozent der Deutschen (immerhin rd. 72 Millionen) dürfen das verbleibende Drittel unter sich aufteilen. Ist das nicht großartig?

Was, wenn der Mittelstand nicht mehr mitspielt?

Ja, Deutschland ist wirklich ein reiches Land. Und das Schöne (für die Superreichen) ist, dass sich ihr Vermögen immer schneller vermehrt. Immer mehr, immer mehr, immer mehr, während es bei denen darunter – und damit meine ich jetzt nicht mehr nur die ganz unten, sondern eben jene 90 Prozent, die, wie auch immer, tatsächlich für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen – immer schwerer wird, den einmal erreichten Lebensstandard zu halten bzw. überhaupt ein menschenwürdiges Leben zu führen. Dieser Zustand ist absolut krank. Mit Solidargemeinschaft hat das schon lange nichts mehr zu tun und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann der aktive Mittelstand, der letztlich den ganzen maroden Laden noch am Laufen hält, nicht mehr mitspielt. Etwa in der Form, dass sich kleine und mittlere Unternehmer, Handwerker und Selbständige zusammentun und beschließen, so lange keine Steuern mehr zu bezahlen, bis der Staat die Superreichen prozentual genauso zur Kasse bittet, wie er das mit ihnen in schönster Regelmäßigkeit und ohne Gnade tut. Dann wäre hier richtig Dampf im Kessel.

Lebensprinzip „Habenwollen“ – hässlich und dekadent

Wie absolut hirnrissig und realitätsfremd mit Unmengen von Geld um sich geworfen wird, lässt sich schon allein an den absurd hohen Gagen und Gehältern von Schauspielern, Sängern, Sportlern, Malern etc. ablesen. Nehmen wir nur die Fußball-Bundesliga. Das ist noch längst nicht die Spitze des Eisbergs, ich weiß. Beim Golf, in der Formel 1, in der NFL oder in Hollywood geht es noch ganz anders zur Sache und auch in den englischen, spanischen und italienischen Fußball-Ligen werden Gehälter gezahlt, dass einem schwindelig wird. Bleiben wir dennoch im eigenen Lande. Muss ein Kicker wie Marco Reus mit Anfang Zwanzig acht Millionen Euro im Jahr bekommen (ich sage bewusst nicht, verdienen)? Dann kommen ebenso horrende Werbeverträge noch dazu – und schwupp haben wir verdoppelt. Das steht in keinem Verhältnis zu der erbrachten und noch zu erwartenden Leistung und entbehrt – Publikumsliebling hin, genialer Fußballer her – jeder vernünftigen Grundlage.

Regelrecht pervers und an Dekadenz nicht zu überbieten ist allerdings, dass ein Gemälde des deutschen Malers Gerhard Richter (83) bei Sotheby’s in London jetzt für unglaubliche 41 Millionen Euro (!) – natürlich von einem anonym gebliebenen „Kunstkenner“ ersteigert wurde. „Abstraktes Bild“ heißt der Schinken und hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Teppich namens „Galaxy“, der heute in der Werbung eines großen Teppichhauses für 49 Euro angeboten wurde. Natürlich habe ich mich jetzt als Kunstbanause geoutet, obwohl ich sagen muss, dass ich für handwerklich gut gemachte Kunst, die mein Auge erfreut und mir noch dazu etwas sagt, ohne dass ich dazu eine mehrseitige „Gebrauchsanweisung“ lesen muss, schon empfänglich bin. Aber darum geht es nicht. Es geht allein um die Frage, wie viel Geld dieser Mensch haben muss, der es sich leisten kann, für so ein Bild eine derartige Summe hinzublättern. Hätten der Maler (und Sotheby’s) für ein Zehntel dessen nicht auch noch gut leben können und was hätte der großzügige Mäzen für die restlichen knapp 37 Millionen Euro in seinem Heimatland, wo immer es sein mag, Gutes für seine weniger begüterten Landsleute tun können? Hier zeigt das Lebensprinzip „Habenwollen“ derer, die sowieso schon alles haben, seine hässliche Fratze. Für soziales Engagement bleibt da kein Raum.

Dreckige Geschäfte einer britischen Großbank

Und dann, wie könnte es anders sein, wenn vom Geld die Rede ist, kommen natürlich auch Banken ins Spiel. Hier ganz dezidiert und wiederum ganz aktuell die britische Großbank HSBC. Deren Schweizer Niederlassung in der schönen Stadt Genf hat Schwarzgeld-Konten geführt, über die in den Jahren 2006/2007 rund 180 Milliarden Dollar geflossen sind. Schmutziges Geld von Waffenhändlern, Schmugglern von „Blutdiamanten“ und Terrorismus-Finanziers. Aber auch amtierende und führende Politiker aus Großbritannien, Russland, Indien, Brasilien und Venezuela sowie Mitglieder von Königshäusern arabischer Staaten haben hier unrechtmäßig erworbenes Geld untergebracht, Geld, von dem niemand etwas wissen sollte, schon gar nicht das Finanzamt. Auch deutsche Kunden mit einer Gesamtanlage von etwa 3,3 Milliarden Euro sollen auf der Liste stehen. Diese widerlichen Geschäftspraktiken des noblen Bankhauses sind jetzt aufgeflogen. Den HSBC-Managern, so war zu lesen, drohen nun Haftbefehle und Banken, die Geldwäsche und Steuerhinterziehung ermöglichen, sollten härter bestraft werden. Solch wachsweiche Drohgebärden aus Politikermund sind nichts Neues. Das hat man schon oft gehört, und nichts ist passiert, vor allem wenn sich die Schweiz auf ihr ach so wohl gehütetes Bankgeheimnis beruft.

Machenschaften dieser Art können nur dann wirkungsvoll bekämpft werden, wenn die Keule des Gesetzes gnadenlos zuschlägt: Die Bank dicht machen, und zwar nicht nur die Filiale, sondern den ganzen verbrecherischen Verein, die verantwortlichen Manager in den Knast und die Steuerhinterzieher und Schwarzgeld-Wäscher gleich dazu. Das wäre die einzige Möglichkeit, um diesen globalen Bankensumpf endlich trocken zu legen. Reines Wunschdenken, ich weiß, denn wie heißt es im Volksmund ebenso banal wie wahr: Geld regiert die Welt, und solange die Gewalt nicht vom Volk ausgeht, wie es zumindest in Demokratien vorgesehen ist, sondern letztlich nur vom Kapital, wird sich daran nichts ändern.

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