Von der hehren Verfassungstreue und westlicher Verlogenheit

Von Bert Walther (indexexpurgatorius)

Die Situation in Katalonien dürfte auch dem letzten vor Augen geführt haben, der einstige Friedensnobelpreisträger Europäische Union birgt selbst die Saat des Unfriedens in sich. Aber nicht nur das. Es zeigt auch, neben der offenkundigen Hilflosigkeit der Verantwortungsträger in Brüssel und anderenorts, wie verlogen, um nicht zu sagen falsch argumentiert wird.

Den Katalanen wird vorgeworfen, die spanische Verfassung gebrochen zu haben. Weshalb das Auftreten des spanischen Ministerpräsidenten Rajoy, der selbst nur einer Minderheitenregierung vorsteht, mit dem Verfassungsparagrafen 155 unterstützt wird. EU-Brüssel sieht das Ganze als innerspanischen Konflikt und hält sich außen vor – und verweist auf die Gültigkeit der spanischen Verfassung.

Ein solches Argument ist aus dem Munde der Verantwortlichen der Europäischen Union schon bemerkenswert – und verlogen. Zählt Verfassungsbruch nur, wenn er dem westlichen Interesse als Argument genehm ist?

Wie war es denn beispielsweise beim Kosovo? Am 17. Februar 2008 proklamierte das Parlament in Pristina formell die Unabhängigkeit von Serbien. Ohne überhaupt eine Volksabstimmung darüber abzuhalten. Das war ganz klar ein Bruch der serbischen Verfassung.

Und was hatte der Westen getan? Er erkannte dieses Staats-Kunstgebilde an, so wie 111 der 193 UN-Mitgliedsstaaten. Seitdem versuchen Hunderte von westlichen Polizisten und Sicherheitskräften das Land am Leben zu erhalten. Eines dürfte klar sein, sollten die westlichen Hilfskräfte abziehen, wird das Kunstgebilde Kosovo zusammenfallen wie ein erkaltetes Soufflé.

Zeitlich etwas näher gerückt, sollten wir uns die Ereignisse in der Ukraine in die Erinnerung zurückrufen. Der Sturz des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch 2014 war ebenso ein klarer Verfassungsbruch. Denn die ukrainische Verfassung sieht nur eine Amtsenthebung des Präsidenten vor, wenn der Präsident zurücktritt, aus gesundheitlichen Gründen, bei einem Amtsenthebungsverfahren oder dem Tod des Staatsoberhaupts. Alles war nicht der Fall. Janukowitsch war aus dem Land geflohen, kurz bevor seine Amtsräume gestürmt wurden.

All das war nicht durch die ukrainische Verfassung gedeckt – aber vom Westen als legitim angesehen worden. Die Verfassung war keine aus Sowjetzeiten, sondern in einem demokratischen Prozess nach der Abspaltung des Landes von der UdSSR entstanden. Janukowitsch selbst kam nicht durch einen Putsch an die Macht, sondern durch freie Wahlen, die er 2010 gegen Frau Timoschenko im zweiten Wahlgang gewann, nachdem Amtsvorgänger Juschtschenko bereits im ersten Wahlgang durchfiel.

Im Westen wird das Argument des Verfassungsbruches anscheinend nur dann angeführt, wenn es im eigenen Interesse ist. Was auch medial sich entsprechend wiederfindet. Interessant war schon, wie beispielsweise tagesschau.de über das Unabhängigkeitsreferendum berichtete. Die vielen Bilder blutüberströmter Katalanen, die an der Stimmenabgabe von der Guardia Civil mit Schlagstöcken und Gewalt gehindert wurden, fanden sich nicht auf der Homepage von tagesschau.de. An sich löblich, doch der geneigte Kundschafter darf schon die Frage stellen, ob die Redakteure genauso agiert hätten, wenn in Moskau die Miliz Zivilisten verprügelt hätte.

Doch zurück zu Katalonien selbst. Eine Frage, die sich mir von Anfang an stellte: Warum kocht das Ganze gerade jetzt hoch? Die spanische Teilrepublik hat seit Jahrzehnten Animositäten mit der Zentralregierung in Madrid. Soll es wirklich dem Charme des katalanischen Regierungschefs Puigdemont geschuldet sein? Diesem Politikertypen, der problemlos als Buchhalter eines Kaninchenzüchtervereins durchgehen würde.

Der Friedensnobelpreisträger EU hat sich alles andere als hilfreich erwiesen, aus Angst, andere Regionen könnten vom katalanischen Gift infiziert werden. Ein durchschaubares Manöver, das auf seinen Initiator zurückfallen könnte…

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