Von den Russland-Sanktionen profitieren nur die USA

Die wirtschaftlichen und politischen Sanktionen gegen Russland werden direkt die Europäische Union treffen. Welchen Preis sollen die Länder zahlen, die sich den schrecklichen antirussischen Sanktionen Washingtons ungewollt unterordnen?

Von Franz Krummbein (berlin-athen)

Russland und Europa: Wie geht es weiter?

Es ist bekannt, welchen Preis die gehorsamen Länder der Europäischen Gemeinschaft zahlen werden, wenn sie „freiwillig“ den Anweisungen der so genannten Weltpolizei in Übersee folgen. Und diejenigen Staaten, die zwar nicht zur G8 gehören, jedoch bereits eine gelbe Karte als Warnung bekamen – falls sie sich an ihre Souveränität und Unabhängigkeit erinnern, wird ihnen sofort erzählt, was bei den Bombenangriffen in Jugoslawien geschah, wie Zivilisten im Irak und Syrien erschossen wurden, wie Frankreich und Deutschland die Goldreserven nicht zurückgegeben wurden… Experten aus dem CIA-Hauptquartier in Langley und Berater aus dem Weißen Haus können wohl viele ähnliche Geschichten erzählen.

Die westliche und halbwestliche Welt (Ukraine, baltische Länder und ehemalige Länder des Warschauer Vertrags) haben rosige Perspektiven, vom Schiefergas von „Uncle Sam“ erwärmt werden zu können. Falls er beschlossen hat, zu erwärmen, so wird es auch so sein. Auch wenn man dafür zu für die Natur zerstörerischen, giftigen und tödlichen Gasfördermethoden greifen sollte. Die US-Amerikaner haben doch das Kyoto-Protokoll vor 15 Jahren ignoriert, warum sollen sie jetzt auf ihre Prinzipien verzichten?

Doch wenn man sich Gedanken darüber macht, dass die US-Amerikaner die Bevölkerung Europas reduzieren wollen, um das Territorium für das wichtigste Land der Welt frei zu machen, das für Frieden, Demokratie, Ordnung und Gerechtigkeit in der Welt sorgt,  bekommt man sofort Mitgefühl mit den „uneigennützigen“ Amerikanern.
Der Westen, der Halb-Westen und andere kleine Länder verstehen – falls die USA beschlossen haben, dass in der Ukraine Frieden herrschen soll, so wird es auch so sein. Sie werden doch mit fremden Händen auf fremdem Territorium so lange um Frieden kämpfen, bis es keinen Stein auf dem anderen mehr gibt. Dabei ist es nicht wichtig, wer dafür zahlen wird und wieviel. Man solle alle diese Aufständischen und sturen Unverstandenen mit Panzern und Phosphorbomben vernichten, damit sie nie mehr den Fortschritt und die Unabhängigkeit stören, die die USA in allen politisch und wirtschaftlich problematischen Orten der Welt bringen wollen.

Es stellt sich hier eine schmerzhafte Frage, die früher oder später vom Internationalen Schiedsgericht beantwortet werden soll – wer ist für das Aufdrängen und die Förderung des faschistischen Regimes in der Ukraine verantwortlich? Wer wird vor der Zivilisation für die Anstiftung der Ukraine zur Schaffung eines monoethnischen Staates die Verantwortung tragen, was beim Übersetzen in die Sprache der barbarischen Handlungen die Schaffung eines Ghetto-Staates, eines Reservats im Zentrum des zivilisierten Europas bedeutet? Wer wird für den wirtschaftlichen Kollaps in den europäischen Ländern die Verantwortung tragen? Es liegt auf der Hand, dass alle diejenigen, die die ganze Schuld auf Russland abwälzen wollen, eine außergewöhnliche Erfindungskraft zeigen und die widersprüchlichen Tatsachen zueinander bringen sollen. Laut der ukrainisch-amerikanischen Logik ging das Gewerkschaftshaus in Odessa von selbst in Flammen auf. Donezk und Lugansk sowie Slawjansk zerbombten sich selbst aus der Luft und beschießen sich selbst mit Minenwerfern. Die Flüchtlinge rennen von selbst zu den Kriegshetzern nach Russland und besuchen dort ihre Omas…

Alle Journalisten, Kameramänner, Subjekte der Schwarzen Listen der aufgeklärten Ukraine und des Westens, Mitglieder der russischen Präsidialverwaltung, Staatsduma-Abgeordneten, Künstler – alle werden als Kriegshetzer gegen die friedliche Ukraine dargestellt, die von Russland beraubt wurde und deren gebliebene Bevölkerung, die nicht von den russischen Panzern vernichtet wurde, ohne russisches Gas blieb…
Doch man bewundert die Engstirnigkeit der Verfasser der Sanktionen – sie gehen nach dem alten Witz-Prinzip vor – „Möge die Kuh des Nachbarn krepieren, obwohl es dann auch mir doppelt so schlecht gehen würde“. So sieht das Ziel der trüben Gedanken über die leuchtende Zukunft derjenigen aus, die eine Grube für die anderen graben und dabei vergessen, dass in einer völligen Dunkelheit in der Höhle mit hungrigen Tigern jemand zum Opfer der eigenen Entmenschlichung wird. Solch ein Tod ist kaum attraktiv.

In einem schlecht erwärmten und unbeleuchteten Europa kann man selbst in eine der gegen Russland gegrabenen wirtschaftlichen und politischen Gruben fallen. Russland wird aber genug beleuchtet und erwärmt, weil es Verantwortung vor seinen Bürgern für alle seinen Handlungen trägt, auch in der internationalen Arena. Dasselbe kann man hinsichtlich der Verantwortung und Handlungsfähigkeit Europas und der USA leider nicht sagen.

Diejenigen, die die Maidan-Proteste geplant und organisiert hatten, dachten wohl kaum, dass es zu einem blutigen Bürgerkrieg, Flüchtlingsströmen und dazu kommen wird, dass die Ukraine und Russland fast am Rande eines Militärkonflikts standen. Doch als sich die Ereignisse nach diesem Szenario entwickelten, hielt das weder die Kiewer Regierung noch ihre westlichen Regenten auf. Deswegen sind kaum weitere Beweise dafür nötig, dass das Geschehene die neue Russland-Strategie des Westens verdeutlicht –  eine Strategie der USA und ihrer Verbündeten, um Russland ihren Kurs für den Aufbau einer  unipolaren Welt aufzuzwingen.

Rudyard Kipling schrieb: „Osten ist Osten und Westen ist Westen und die beiden sollen sich niemals treffen.“ Er schrieb aber auch, dass es trotzdem unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.

Was Russland und den Westen betrifft, kann das nur geschehen, wenn der Westen bereit zur Kommunikation ist, deren Ziel Dialog und Verständnis, eine gleichberechtigte und gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit ist. Danach strebt der Westen aktuell nicht. Das bedeutet, dass der Informationskrieg zwischen Russland und dem Westen ernst zu nehmen ist  und noch lange anhalten wird. Allerdings wird er  an seiner jetzigen Schärfe verlieren. Unsere Beziehungen werden zwischen unterschiedlich starken Kalten Kriegen und Etappen des Tauziehens schwanken, die manchmal zur eingeschränkten Kooperation führen werden. Doch es wird sich trotzdem um einen Krieg handeln. Da darf man sich keinen Illusionen hingeben. Doch ein Krieg der Ideen ist immer noch besser als der Krieg der Armeen.

Es ist gefährlich, Russland auf die Knie zwingen zu wollen

Die wirtschaftlichen und politischen Sanktionen gegen Russland werden direkt die Europäische Union treffen. Welchen Preis sollen die Länder zahlen, die sich den schrecklichen antirussischen Sanktionen Washingtons ungewollt unterordnen?
Der Umsatz des deutschen Industriekonzerns Siemens auf dem russischen Markt ist infolge der gegen Russland verhängten Sanktionen deutlich zurückgegangen. Wie der Vorstandsvorsitzende des Konzerns, Joe Kaeser, dem „Bild am Sonntag“ sagte, ist das Russland-Geschäft Deutschlands allgemein stark eingebrochen. Dennoch werde man die Sanktionen weiter unterstützen, so Kaeser. „Wir folgen dem Primat der Politik. Daran halten wir uns, und das habe ich immer deutlich gemacht…. Aber auch, dass es besser ist, miteinander statt übereinander zu reden“, sagte der Vorstandschef.
Laut früheren Berichten soll Siemens im Rahmen eines Kostenkürzungsprogramms rund 8000 Angestellte, darunter 3300 in Deutschland, entlassen.

Der russische Einfuhrstopp für westliche Lebensmittel, mit dem Moskau auf die Sanktionen westlicher Staaten wegen des Ukraine-Konflikts reagierte, ist ein harter Schlag gegen die deutsche Landwirtschaft, wie der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sagte. 600 Millionen Euro Verlust hätten die deutschen Bauern 2014 verbucht. Die in Deutschland produzierte Milch sei um drei bis vier Cent je Liter billiger geworden, so Rukwied. Der Preis für ein Kilo Schweinefleisch sank unter 1,4 Euro.

Die deutsche Wirtschaft wartet nur darauf, dass der Konflikt mit Russland gelöst wird.  „Am Ende des Tages können weder Deutschland noch Europa Interesse daran haben, dass Russland ins wirtschaftliche Chaos abgleitet. Deshalb ist die Forderung, die Sanktionen zu verschärfen, falsch“, sagte der deutsche Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel dem „Tagesspiegel“.
Das Ziel der Sanktionen sei nicht gewesen, Russland in die Knie zu zwingen, sondern zu Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts zu bewegen, so Gabriel. Er sprach sich (im Interview mit dem Handelsblatt) für eine neue Entspannungspolitik in Europa aus:

Handelsblatt (HB): Manche Experten behaupten, dass die US-Regierung auf einen niedrigen Ölpreis gedrängt habe, um Russland in die Knie zu zwingen. Tatsächlich trifft ein halbierter Ölpreis Russland und Staatspräsident Putin viel härter als alle beschlossenen Sanktionen des Westens zusammen. Ist das denkbar?

Gabriel: Das weiß ich nicht. Zumindest kann ich vor einer solchen Strategie nur warnen. Wir können doch kein Interesse daran haben, Russland wirtschaftlich auf die Knie  zu zwingen.  Die Sanktionen sollen dazu dienen, Russland wieder an den Verhandlungstisch zu bringen, nicht dazu, das Land ins Chaos zu stürzen. Ich weiß, dass es in den USA Stimmen gibt, die eine solche Destabilisierungsstrategie fordern und leider gibt es auch in Europa solche Positionen. Ich finde das brandgefährlich. Europa hat ein Interesse an einem friedlichen und starken Russland.

HB: Muss man Russland in der neuen, dramatischen Lage nicht wirtschaftlich eher unter die Arme greifen, als das Land weiter nach unten zu drücken?

Gabriel: Wir müssen – wie das Frank-Walter Steinmeier und die Kanzlerin immer wieder tun –  weiter das Gespräch mit Putin suchen. Hinzu kommt: Wir bekommen die vielen Krisen in der Welt, sei es in Syrien oder im Iran, nicht in den Griff, wenn sich Russland nicht an ihrer Lösung beteiligt. Und das geht nur mit einem stabilen und selbstbewussten  Russland.

HB: Sie kommen damit auf die Idee einer Modernisierungspartnerschaft mit Russland zurück, richtig?

Gabriel: Ja. Europa braucht gute wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland. Die Ukraine übrigens auch. Die Vereinigten Staaten haben es relativ leicht in dieser Situation – die ökonomischen und politischen Folgen der Russland-Krise trägt allein Europa. Deshalb müssen wir einen Weg finden, auf Russland wieder zuzugehen…

HB: Wie soll eine Annäherung an Russland gelingen, wenn die Ukraine-Krise nicht gelöst ist?

Gabriel: Natürlich hat die Lösung der Ukraine-Krise oberste Priorität. Lösung bedeutet zuerst einmal, dass es wirklich eine Waffenruhe gibt, dass sich die russischen Truppen zurück ziehen und das ein Verhandlungsprozess beginnen kann, wie das Land seinen inneren Frieden finden kann.

Doch für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sind wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland „weiterhin unvermeidlich“. „Angela Merkel monopolisierte im Laufe von vielen Jahren den direkten Dialog mit dem russischen Präsidenten“, sagte Gilles Rémy, Leiter der Firma CIFAL in einem Interview für die Zeitung „Le Figaro“. „Vielleicht um ihre Machtposition in Nordeuropa und Polen zu bewahren, nimmt die deutsche Kanzlerin radikal antirussische Positionen ein und stellt sich gegen die Politik ihrer Vorgänger.“

Die Sanktionen ändern die Logik der strategischen Beziehungen zwischen Russland und der EU. Und was wird nun? Es bleibt eine Tatsache: Europa ist unfähig, eine unabhängige Politik zu betreiben. Es hat keine eigenen Möglichkeiten, vielleicht auch keinen Wunsch. Die Krise in den Beziehungen Russlands zur Europäischen Union offenbart sich in überraschenden Formen, und die Nato-Osterweiterung gießt nur noch Öl ins Feuer. Es äußert sich auch die mangelnde politische Einheit in Europa selbst. Das alles zeugt von einer Zersplitterung der EU.

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