Vabanque in Spanien

Geld ohne Auflagen: Regierung in Madrid will »Rettungsschirm« umgehen und pokert um Milliardenhilfe für marode Banken

Von Rainer Rupp

An den Finanzmärkten herrschte in dieser Woche Alarmstimmung. Wieder einmal. Und es ging um Spanien. Dessen Finanzminister Christobal Montoro hatte erstmals offiziell große Schwierigkeiten seines Staates bei der Geldbeschaffung eingeräumt. Dennoch lehnt er die dringlichen Aufforderungen aus Brüssel und Berlin ab, das Land möge doch unter den Schirm des EU-Bankenrettungsfonds EFSF (European Financial Stability Facility) schlüpfen. Das käme einer Bankrotterklärung gleich und würde den Run auf die spanischen Banken und die Flucht des Privatkapitals aus dem Land verstärken, ließ man in Madrid verlauten. Eigentlicher Grund für die Ablehnung war aber, daß die EFSF-Gelder mit einschneidenden Haushaltskürzungen unter Aufsicht der EU und Aufgabe nationaler Souveränitätsrechte verbunden sind. Beides wollte die konservative Regierung in Madrid bislang nicht riskieren.

Das hat nicht zuletzt mit der desolaten Lage der Wirtschaft des Landes zu tun. Die Produktion der herstellenden Industrie ist (laut Financial Times Deutschland vom 7. Juni) um ein Drittel eingebrochen, die Industrieproduktion insgesamt auf das Niveau von 1994 zurückgefallen. Offiziell liegt die Arbeitslosigkeit bei 24 Prozent, die der Jugendlichen unter 25 Jahren bei über 50 Prozent. Angesichts der ständig wachsenden sozialen Unruhen wären die Folgen eines weiteren, diesmal direkt aus Brüssel gesteuerten »Sparprogramms« zugunsten der Bankenrettung nicht abzusehen. In ihrer Not setzte die Regierung auf einen ebenso subtilen, wie riskanten Erpressungsversuch.


Dessen Grundidee beruht auf den gleichen Überlegungen, wie sie von der griechischen Linken vorgebracht werden: Die diversen EU-Rettungsschirme seien nicht dazu da, den notleidenden Ländern der Peripherie der Euro-Zone zu helfen, sondern ausschließlich den Banken des Zentrums. Diese sind von möglichen Pleiten in den »Problemstaaten« in ihrer Existenz bedroht. Im Unterschied zu Griechenland und Portugal steht Spanien mit seiner Verschuldung relativ gut da. Es sind die Banken, die mit ihren überbordenden Schulden den Staat in den Abgrund zu ziehen drohen. Daher versucht Madrid, Druck auf Berlin, Paris und Brüssel auszuüben, damit diese sich für eine regelwidrige Direktüberweisung von EFSF-Gelder an die spanischen Finanzinstitute einsetzen. Mit einem solchen Trick würden weder spanische Regierung noch die Bevölkerung in Haftung genommen. Außerdem behielte Madrid seine nationale Souveränität in Haushaltsfragen.

Ich lese die junge Welt, obwohl ich die Lügen unserer Politik-Marionetten und der gleichgeschalteten Mainstream-Medien selbst dann kaum noch ertrage, wenn jW sie nur zitiert um sie zu widerlegen.

Uwe Pieper, Rostock

Ohne schnelle Hilfen jedoch droht den spanischen Banken der baldige Bankrott. Anfang der Woche hatte Madrid bereits die Europäische Zentralbank (EZB) aufgefordert, die angeschlagenen Kreditinstitute zu refinanzieren. Die EZB beschied Madrid über die Medien, sie habe für solche Aktionen kein Mandat. Allerdings hat die Zentralbank in den vergangenen zwei Krisenjahren mehrfach gegen dieses Mandat verstoßen, ohne legale Folgen, weil alle Regierungen der Euro-Zone damit einverstanden waren und keine geklagt hat. Indem Madrid sich weigert, in der sich zuspitzenden Lage seiner Geldhäuser den EFSF als Staat in Anspruch zu nehmen, sollen ganz offensichtlich Berlin, Paris und Brüssel gezwungen werden, der EZB oder dem EFSF grünes Licht für Direkthilfen zur Refinanzierung der spanischen Banken zu geben.

Zunächst sprach einiges dafür, daß dieses Pokerspiel aufgehen könnte. Maßgebliche europäische Politiker schienen plötzlich bereit, unter der Bedingung einer Bankenreform EFSF-Gelder direkt an spanische Kreditinstitute zu verteilen. Allerdings würde eine solche Ausnahme Athen, Dublin und Lissabon auf den Plan rufen. Die dortigen Regierungen könnten Gleichbehandlung verlangen und die von Brüssel aufgezwungenen Sanierungsabkommen aufkündigen. Die nächste Krisenphase wäre damit eingeleitet.

Doch vom Donnerstag zum Freitag senkte die Ratingagentur Fitch Spaniens Kreditwürdigkeit gleich um drei Stufen herab. Am Freitag verdichteten sich Gerüchte, daß Madrid nachgeben und doch noch unter dem Schutzschirm Zuflucht suchen könnte. Spanien werde nach Insiderinformationen voraussichtlich am Wochenende einen Hilfeantrag beim EFSF stellen, um seine Banken mit Kapital zu stärken, hieß es von der Nachrichtenagentur Reuters. Die bezog sich auf mehrere, mit der Situation vertraute, Personen der EU und aus Deutschland. Die Ankündigung wurde für Samstag nachmittag erwartet.

Quelle: jungewelt

 

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