Angst vor Finanzzusammenbruch und sozialen Unruhen wächst
Nick Beams (wsws)
In den amerikanischen und globalen Finanzkreisen wächst die Besorgnis, dass die amerikanischen Aktienmärkte nach dem Anstieg, der sich mit Donald Trumps Wahlsieg beschleunigte, auf einen schweren Abschwung zusteuern. Diese Bedenken werfen ein erhellendes Licht auf einige der treibenden Kräfte des Schlagabtauschs, der innerhalb des politischen Establishments der USA ausgefochten wird und sich praktisch zu einem Bürgerkrieg entwickelt hat.
Unter den Spekulanten der Wall Street und Unternehmensvorständen setzt sich die Meinung durch, dass der „Trump-Boom“, durch den der Dow Jones und andere Aktienindizes auf Rekordstände gestiegen sind, an Schwung verliert und der Präsident zunehmend zu einem wirtschaftlichen Risiko wird. Mit dem Konflikt, der letzte Woche wegen der Nazi-Ausschreitungen in Charlottesville ausgebrochen war, kippte die Stimmung in der Wirtschaft. Dass Trump Neonazis verteidigt hatte, wurde als schädlich für die Interessen des amerikanischen Imperialismus in der Welt und als Bedrohung für die soziale und politische Stabilität im Inland angesehen.
Doch die Bedenken wegen der Instabilität, die Trump mit seinen Äußerungen ausgelöst hat, sind Ausdruck tieferer Ängste. Die amerikanische herrschende Klasse steht vor Problemen, die weit über den derzeitigen Bewohner des Weißen Hauses hinausgehen.
Ray Dalio, der Chef des weltweit größten Hedgefonds Bridgewater, erklärte am Montag in einem Kommentar, die Politik werde jetzt „wahrscheinlich eine größere Rolle spielen als bisher, in einer Weise, die an das Jahr 1937 erinnert.“ Die Fähigkeit der USA, politische Konflikte zu bewältigen, werde auf die Wirtschaft eine größere Auswirkung haben als „klassische Geld- und Fiskalpolitik.“
Es ist bedeutsam, dass Dalio auf das Jahr 1937 Bezug nimmt. In der ersten Hälfte dieses Jahres verzeichnete die amerikanische Wirtschaft einen deutlichen stärkeren Abschwung als im Jahr 1932 während der Großen Depression. In diesem Jahr brachen zudem Klassenkämpfe in der Auto- und Stahlindustrie aus.
Dalio schrieb, die wirtschaftlichen und sozialen Spaltungen in den USA seien mit den revolutionären Umwälzungen dieser früheren Zeit vergleichbar. „In solchen Zeiten verschärfen sich interne und externe Konflikte, Populismus blüht auf, Demokratien sind bedroht und es kann zu Kriegen kommen.“ Er fügte hinzu, er könne zwar nicht sagen, wie schlimm es werden würde, er sei jedoch nicht gerade ermutigt. „Die Konflikte haben sich mittlerweile so weit verschärft, dass ein Kampf auf Leben und Tod wahrscheinlicher ist als Versöhnung.“
Marx schrieb vor fast 170 Jahren in seinem Werk „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850“, der Ausbruch des Klassenkampfs habe gravierende Auswirkungen auf das Finanzsystem, weil er die Lebensfähigkeit des Wirtschaftssystems in Frage stellt, über das die herrschende Klasse regiert.
Dalio schrieb in seinem Kommentar, bei Betrachtung der Durchschnittszahlen „könnte man zu dem Schluss kommen, dass in der amerikanischen Wirtschaft alles glatt läuft. Aber wenn man die Zahlen betrachtet, aus denen sich diese Durchschnitte zusammensetzen, wird deutlich, dass es einigen sehr gut geht, anderen aber sehr schlecht. Die Kluft bei Vermögen und Einkommen ist so groß wie zuletzt in den 1930ern.“
Dalio und andere bezeichnen jeden Hinweis auf die wachsende soziale und politische Kluft als „Populismus“, doch in Wirklichkeit fürchten sie den Ausbruch offener Klassenkonflikte. Er schrieb: „Die Mehrheit der Amerikaner scheint unserer Führung und der Entwicklung unseres Landes mit starker und unnachgiebiger Ablehnung gegenüberzustehen“ und seien „eher geneigt, für das zu kämpfen, woran sie glauben, als herauszufinden, wie man über Unstimmigkeiten hinwegkommt und produktiv auf gemeinsamen Prinzipien zusammenarbeitet.“
Mit anderen Worten, die Allheilmittel des „amerikanischen Traums“ und Amerika als „Land der wirtschaftlichen Möglichkeiten“, die historisch als eine Art politischer Kleber fungierten, haben sich aufgelöst. Die herrschende Klasse befürchtet, dass die Arbeiterklasse unter Bedingungen interveniert, in denen alle Anzeichen auf ein Platzen der Finanzblase hindeuten, die von den Zentralbanken der Welt seit der Finanzkrise von 2008 geschaffen wurde.
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Vor neun Jahren wurde die vollständige Auflösung der Finanzmärkte nur durch Geldspritzen in das globale Finanzsystem in Höhe von Billionen Dollar verhindert – alleine die amerikanische Fed steuerte mehr als vier Billionen Dollar bei. Diese Maßnahmen haben jedoch nicht zu einer deutlichen Erholung der Realwirtschaft geführt – die Investitionsquoten in den USA und anderen großen Volkswirtschaften liegen weiterhin auf einem historischen Tiefststand. Die wesentliche Folge war vielmehr die Förderung eines Booms der Finanzmärkte.
Der jüngste Ausdruck dieses Spekulationswahns ist der Aufstieg der Kryptowährung Bitcoin, die im Internethandel benutzt wird. Nachdem sie erst nach mehr als 3.000 Tagen den Wert von 2.000 Dollar erreicht hatte, stieg sie in nur 85 Tagen von 2.000 auf mehr als 4.000 Dollar. Der Gesamtmarktwert von Bitcoins hat sich auf 140 Milliarden Dollar erhöht, da sich mittlerweile auch Großinvestoren wie Goldman Sachs am Handel beteiligen.
Das ist jedoch nur ein Ausdruck der Blasen, die sich bei fast allen Vermögenswerten gebildet haben.
Durch die Bereitstellung von ultrabilligem Geld durch die Fed und andere Zentralbanken wurde der Einsatz von geliehenem Geld für Aktienrückkäufe zu einem der wichtigsten Mechanismen, mit dem Unternehmen ihre Aktienkurse aufrechterhalten konnten. Doch dieser Prozess stößt an seine Grenzen, da ohnehin überbewertete Unternehmen sich nicht noch mehr Geld leihen können, um ihren Aktienkurs zu halten.
Wie die Financial Times am Montag in einem Kommentar erklärte, der auf längerfristigen historischen Berechnungen basiert, scheinen amerikanische Aktien „heute teurer als jemals zuvor, abgesehen von den Monaten vor dem großen Börsenkrach von 1929 und dem Platzen der Dotcom-Blase 2000.“
Unter Bedingungen, so wie sie früher als „normal“ gegolten hätten, würde das Geld in die Anleihenmärkte investiert werden, um von den höheren Ertragsraten zu profitieren. Doch auch auf den Anleihenmärkten hat sich eine Blase gebildet. Die Preise befinden sich auf Höchstständen, die Zinsen (die sich im umgekehrten Verhältnis zum Preis entwickeln) hingegen auf einem historischen Tiefststand.
Im Jahr 2008 reagierte die amerikanische herrschende Klasse auf den Finanzzusammenbruch mit politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen. Einerseits machten sie Obama mit den Schlagworten „Mut zur Hoffnung“ und „Wandel, an den man glauben kann“, zum US-Präsidenten. Unterstützt wurden sie dabei von der Gewerkschaftsbürokratie und den diversen Organisationen des privilegierten Kleinbürgertums, die seine Wahl als „transformatives“ Ereignis feierten.
Andererseits pumpten sie so viel Geld ins Finanzsystem wie noch nie zuvor in der Wirtschaftsgeschichte, um eine Spekulationsorgie zu finanzieren und eine massive Umverteilung der Vermögen von der Arbeiterklasse zu den Reichen zu organisieren. Weit davon entfernt, die Widersprüche zu lösen, haben diese Maßnahmen sie lediglich auf höherer Ebene reproduziert.
Obwohl Teile der herrschenden Klasse über das Anwachsen von Klassenkonflikten extrem beunruhigt sind, können sie keine Maßnahmen zur Verbesserung dieser Verhältnisse, die unweigerlich zu sozialen Explosionen führen werden, zum Vorschlag machen. Während Trump eine außerparlamentarische rechtsextreme Bewegung aufbaut, versuchen seine Kritiker innerhalb der herrschenden Klasse, seine Regierung neu zu organisieren und noch fester unter die Kontrolle des Militärs und der Finanzelite zu bringen.
Eine neue Periode wirtschaftlicher und politischer Umwälzungen entwickelt sich rasch. Die Arbeiterklasse muss sich auf diese Periode vorbereiten, indem sie auf der Grundlage eines internationalistischen und sozialistischen Programms eine revolutionäre Führung aufbaut, um die historische Krise des kapitalistischen Profitsystems in ihrem Interesse zu lösen.
Nick Beams
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