Don McGregor, US-Kriegsveteran und F-16-Kampfpilot, ruft dazu auf, aus der Spirale der «nicht enden wollenden Kriege» auszubrechen. Auch das Argument der Terrorismusbekämpfung zählt hier für ihn nicht. Worauf es dagegen ankomme, sei «Soft Power», also Diplomatie und wirtschaftliche Einflussnahme. Von Torsten Engelbrecht
Quelle: transition-news
Wie unterschiedlich die Wahrnehmungen doch sein können. So zog RND-Chefautor Matthias Koch am Samstag eine «Bilanz» zu den, wie er meint, ersten «50 Chaostagen» von US-Präsident Donald Trump. Sein Fazit:
«Kurz nach ihrem wirren Start im Weißen Haus stehen Donald Trump, Elon Musk und die Republikaner rundum ramponiert da: ökonomisch, politisch, moralisch. Nie hat in der jüngeren Geschichte ein neuer US-Präsident in so kurzer Zeit für sich und sein Land so viel Schaden angerichtet.»
Nur wenige Stunden später ging dann die Nachricht durch die Medien, dass diejenigen, die am stärksten von der Politik des 78-Jährigen betroffen sind – also die US-Bürgerinnen und -Bürger – das ganz anders sehen als Koch. So meinen laut einer Umfrage des Senders NBC News 47 Prozent der US-Amerikaner, dass Trump «einen guten Job macht». Ein persönlicher Rekord für den 45. und 47. Präsidenten, der in seiner Zeit im Weißen Haus noch nie mehr Zuspruch genossen hat.
Was derweil an Kochs Bilanz auch aufstößt: Er vergisst zu erwähnen, wie kritikwürdig die Politik zuvor war. Trump drückte es in seiner Antrittsrede wie folgt aus:
«Die Waage der Gerechtigkeit wird wieder ausbalanciert. Die bösartige, gewalttätige und unfaire Nutzung unseres Justizministeriums und unserer Regierung als Waffe wird enden (…) Während wir uns heute versammeln, sieht sich unsere Regierung mit einer Vertrauenskrise konfrontiert. Viele Jahre lang hat ein radikales und korruptes Establishment unseren Bürgern Macht und Reichtum entzogen, während die Säulen unserer Gesellschaft zerbrochen sind und scheinbar in völligem Verfall waren (…) Meine jüngste Wahl ist ein Mandat, um einen furchtbaren Verrat vollständig und total rückgängig zu machen.»
Sicher, jede öffentliche Person und damit auch Trump muss kritisch begleitet werden. Auf Transition News erschien Ende Oktober 2024, also kurz vor der US-Wahl, ein Artikel, in dem es um einen Beitrag des US-Journalisten und Autors Chris Hedges ging. Er meinte, die US-Amerikaner hätten nur die Wahl zwischen «Zerstörung durch Konzernmacht oder durch Oligarchie». Dabei würde die Konzernmacht von Kamala Harris repräsentiert, die Macht der Oligarchie hingegen von Donald Trump. Beide Systeme würden zu einem weiteren wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch und zum Neo-Feudalismus führen.
Ob es so kommen wird, wird sich noch zeigen. Doch dass es Trump zum Beispiel gelungen ist, Persönlichkeiten wie Robert F. Kennedy Jr. in verantwortungsvolle Positionen zu heben, macht zumindest dahingehend Mut, dass etwas geschehen könnte, was überfällig ist: dass die Macht von Big Pharma merklich zurückgedrängt und deutlich mehr Raum für wirklich unabhängige Forschung geschaffen wird (siehe dazu hier). Auch dieser Aspekt wird von Koch nicht tangiert.
Genauso wenig geht Koch auf das ein, was Trump in seiner Antrittsrede angesprochen hat:
«Wir werden unseren Erfolg nicht nur an den Schlachten messen, die wir gewinnen, sondern auch an den Kriegen, die wir beenden – und vielleicht am wichtigsten: an den Kriegen, in die wir gar nicht erst geraten. Mein stolzestes Vermächtnis wird das eines Friedensstifters und Versöhners sein.»
Tatsächlich wurde kürzlich berichtet, Trump könne sich vorstellen, «die Militärausgaben um die Hälfte» zu kürzen und es gebe «keinen Grund, neue Atomwaffen zu bauen». Der Ehemalige Kreml-Berater und Politikwissenschaftler Sergej Karaganow erachtet das allerdings als «Honigfalle», in die Russland nicht tappen dürfe, da diese Abrüstung den wirtschaftlich, wissenschaftlich und militärtechnisch überlegenen USA zugutekommen würde. Ein Überschuss an Atomwaffen sei zwar nicht nötig, aber Russland benötige eine «ausreichende Anzahl» davon zur Abschreckung.
Der US-Präsident wolle jedenfalls auch eine globale Konferenz mit Russland und China abhalten, um die Reduzierung der Militärausgaben zu diskutieren. Trump wird wie folgt zitiert:
«Irgendwann, wenn sich die Lage beruhigt hat, werde ich mich mit China und Russland treffen, insbesondere mit diesen beiden, und ich werde sagen, dass es für uns keinen Grund gibt, fast eine Billion Dollar für das Militär auszugeben (…) und ich werde sagen, dass wir dies für andere Dinge ausgeben können.»
Da kann man nur hoffen, dass den Worten auch Taten folgen werden. Denn eine Beendigung des Rüstungswahnsinns erscheint überfällig, wenn man sich das Verhältnis von Aufwand und Ertrag vergegenwärtigt. So schreibt Don McGregor, US-Generalmajor, Kriegsveteran und F-16-Kampfpilot, in dem Beitrag «Wir müssen aus den nicht enden wollenden Kriegen herauskommen» auf ZeroHedge:
«Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 befinden sich die Vereinigten Staaten in ‹ewigen Kriegen› – langwierigen Konflikten ohne eindeutigen Sieg, die Billionen von Dollar, Tausende von Menschenleben und wirtschaftliche Vitalität verschlingen. Eine PEW-Umfrage aus dem Jahr 2023 zeigt, dass 54 Prozent der Amerikaner eine Verringerung des militärischen Engagements in Übersee befürworten, während 83 Prozent der Befragten inländischen Bedürfnissen Vorrang einräumen – ein klarer Ruf nach Veränderung.»
Offenkundig hat eben jener jahrzehntelange Militarismus der USA Donald Trump an die Macht gebracht. Zu diesem Schluss kommt der US-Publizist Norman Solomon. Und auch McGregor ist überzeugt, die USA könnten sich eine jahrelange militärische Überdehnung nicht länger leisten. Eine pragmatische Strategie mit Schwerpunkt auf Diplomatie, Lastenteilung unter den Verbündeten und strategischer Zurückhaltung sei unerlässlich, um die nationalen Interessen zu schützen, ohne die endlichen Ressourcen zu erschöpfen.
Warum er zu dieser Auffassung kommt, wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass die Kriege nach dem 11. September «einen hohen Tribut gefordert haben». So «schätzt das Costs of War Project der Brown University, dass die USA acht Billionen Dollar – 38 Prozent des BIP des Jahres 2020 – für Konflikte im Irak, in Afghanistan, Pakistan und Syrien ausgegeben haben», erklärt McGregor. «Das entspricht 24.000 Dollar pro Bürger.»
Trotz dieser 8.000.000.000.000 Dollar ist es um viele betroffene Länder katastrophal bestellt. Das zeigt sich beispielhaft an Afghanistan. Dieses Land steht seit August 2021 de facto unter der Kontrolle der Taliban. Und laut Auswärtigem Amt besteht in ganz Afghanistan, auch in den Städten sowie in der Hauptstadt Kabul, für Deutsche ein hohes Risiko, Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden.
Und es kommt womöglich noch dicker. So könnten künftige Zinsen auf diese Schulden die Staatsverschuldung bis 2050 um 2,2 Billionen Dollar erhöhen und künftige Generationen belasten. Die menschlichen Verluste seien ebenso schrecklich, so McGregor: 7000 getötete Militärangehörige und 8000 Auftragnehmer, 55.000 Verletzte und insgesamt 940.000 Tote durch direkte Gewalt, wobei 3,6 Millionen weitere indirekt in Kriegsgebieten sterben würden. McGregor meint weiter:
«Über die Zahlen hinaus ist die Krise der psychischen Gesundheit tiefgreifend. Die Zahl der Selbstmorde unter Veteranen und aktiven Soldaten in diesen Konflikten ist viermal so hoch wie die Zahl der Gefechtsverluste – mehr als 28.000 seit 2001 – und wird hauptsächlich durch posttraumatische Belastungsstörungen und wiederholte Einsätze verursacht.
Zu den erschöpfenden Kosten des Konflikts kommt hinzu, dass die Versorgung dieser Veteranen bis 2050 2,2 bis 2,5 Billionen Dollar kosten wird. Diese finanziellen und menschlichen Kosten zeigen, dass die Kriege nicht nachhaltig sind. Die begrenzten Ressourcen und die Besorgnis der Öffentlichkeit machen es erforderlich, dass die USA ihren globalen Sicherheitsansatz neu überdenken müssen.»
McGregor erwähnt auch eine Studie des International Institute of Strategic Studies aus dem Jahr 2021, der zufolge die USA 750 Militäreinrichtungen in 80 Ländern mit jährlichen Kosten von 80 Milliarden Dollar unterhalten. 55 Milliarden Dollar entfallen allein auf Stützpunkte. «Das Quincy Institute berichtet, dass 91 Prozent der Operationen nach dem 11. September 2001 auf diese Stützpunkte angewiesen waren», erklärt McGregor.
«Dennoch haben sie oft zur Instabilität beigetragen – man denke nur an die Unruhen im Irak oder den Zusammenbruch Afghanistans – anstatt die Sicherheit zu gewährleisten, die sie eigentlich bieten sollten. Dieser ausufernde Fußabdruck, der der Logik des Kalten Krieges entspringt, passt nicht mehr zum heutigen finanzpolitischen Umfeld, das einen schlankeren, praktischeren Ansatz erfordert.»
Auch das gerne angeführte Argument, Militärbasen jenseits der USA würden zur Terrorismusabschreckung beitragen, lässt er nicht gelten. «Die Fakten sprechen dagegen», ist McGregor überzeugt. «Nach Angaben des Cato-Instituts liegt die Wahrscheinlichkeit, bei einem Terroranschlag in den USA zu sterben, bei nur 1 zu 150 Millionen.» Weiter schreibt er:
«Seit dem 11. September 2001 hat Amerika neun Terroranschläge erlebt, bei denen insgesamt 44 Menschen ums Leben kamen. Demgegenüber hat das US-Militär im selben Zeitraum im Irak und in Afghanistan mehr als 7000 Tote und 55.000 Verletzte zu beklagen, was Fragen nach dem Sinn von Militäroperationen in Übersee aufwirft.»
Eine RAND-Studie aus dem Jahr 2023 habe außerdem ergeben, dass 30 Prozent der Stützpunkte keinen strategischen Zweck erfüllen. Eine Reduzierung um 25 Prozent, die sich auf veraltete Standorte aus dem Kalten Krieg und unproduktive Bemühungen im Nahen Osten konzentriert, würde jährlich 15 Milliarden Dollar einsparen.
Ein vollständiger Rückzug ist laut McGregor jedoch unklug. Stützpunkte in Japan und Deutschland würden immer noch der Abschreckung Russlands und Chinas dienen und es den Streitkräften ermöglichen, bei Bedarf in Stellung zu gehen. Die Schließung veralteter Stützpunkte in stabilen Regionen wie Teilen Europas oder Asiens setze Milliarden für dringende Verteidigungsbedürfnisse im Inland frei.
McGregor regt an, dass die Schließung von Basen, die nicht der Machtprojektion dienen, überdacht werden sollten. «Durch die Kürzung dieser Basen werden Mittel für Soft Power – Diplomatie und wirtschaftliche Einflussnahme – frei, mit denen ähnliche Ziele zu geringeren Kosten erreicht werden können», so der Kriegsveteran.
Soft Power – Überzeugungsarbeit durch Anziehungskraft, nicht durch Gewalt – biete einen nachhaltigen Vorteil, meint McGregor. Diplomatie könne Konflikten zuvorkommen, die harte Machtgewinne imitieren. Ein Beispiel dafür sei der Waffenstillstand, der die Kämpfe im Sudan beendete und es 150.000 Menschen ermöglichte, in Sicherheit zu fliehen und 500.000 Menschen mit Hilfe zu versorgen.
Diplomatie könne zudem Handelsabkommen ermöglichen. Ein Beispiel hierfür sei jenes zwischen den USA und Japan im Jahr 2020, durch das Zölle gesenkt und die US-Agrarexporte gesichert worden seien, um Chinas Handelsdominanz entgegenzuwirken.
Quelle:
Zero Hedge: Getting Out Of Forever Wars – 17. März 2025
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