Uns geht’s doch gut!

Deutschland geht es gut!

von Michael Winkler  (611. Pranger)

Haben Sie diesen Satz schon gehört? Oder gar selbst gesagt? Dieser Satz ist oft genug die Antwort, wenn ich jemandem erklären möchte, wie es um die heutige Zeit bestellt ist. Und ja, der Satz ist richtig. Uns geht es gut, so gut, wie nie zuvor in der bekannten Geschichte. Im Wirtschaftswunder gönnte man sich einen Fernseher, vor dem Haus stand ein Auto und jeder freute sich auf den Urlaub, 14 Tage Italien. Heute stehen Fernseher in jedem Kinderzimmer, neben dem Zweitwagen der Ehefrau gibt es noch einen Drittwagen für Spaßfahrten oder wenigstens ein Motorrad. Zweimal, dreimal Urlaub im Jahr ist selbstverständlich, Malediven, Seychellen, Karibik, Neuseeland, Hawaii, Tahiti oder eine Kreuzfahrt? Italien ist langweilig, Mallorca zu prollig…

Oh ja, uns geht es gut. So gut, daß ich jenen Leuten antworte, die sich bei mir beklagen, in welchem Staat wir leben und den Umbruch herbeisehnen, daß sie bei diesem Umbruch sehr viel verlieren werden. Alles hat seinen Preis, die Freiheit ebenso wie das jetzige, ach so gute Leben.

Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden? (Markus 8,36) Was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse? (Markus 8,37)

Die Bibel ist zwar keine Referenz mehr, jedoch enthält der nichtjüdische Teil, also jener, der nicht ständig von Massakern und Völkermorden im Dienste Jahwes spricht, durchaus Weisheiten, die es zu kennen lohnt.

Ein Wildschwein lebt bei Wind und Wetter draußen, es muß sich seine Nahrung suchen und vor Raubtieren in acht nehmen. Jäger stellen ihm nach, und den Autoverkehr gilt es zu vermeiden. Ein Hausschwein hat es viel besser. Es lebt im warmen Stall, wird täglich gefüttert, ein Tierarzt sorgt für seine Gesundheit. Wenn sein Besitzer auf artgerechte Haltung Wert legt, fühlt es sich sauwohl. Bis zu dem Tag, an dem es geschlachtet wird. Wem geht es nun wirklich besser?

Der Römer in der Zeit der Republik war ein Bauer, ein freier Mann auf seinem eigenen Land. Er bestimmte über seinen Besitz und seine Familie, er hatte eine Stimme in der Volksversammlung, redete mit bei den res publicae, den allgemeinen, den öffentlichen Angelegenheiten. Und er zog in den Krieg, wenn er gebraucht wurde, um seinen Staat und sein Eigentum zu verteidigen. Er hatte Bedeutung in einem kleinen Staat. Zur Zeit des Imperiums war der normale Römer ein „Prolet“ im unangenehmen Sinne des Wortes. Er wohnte eingepfercht in einer mehrstöckigen Mietskaserne. Für seinen Lebensunterhalt sorgte der Staat mittels öffentlich verteiltem Brot, für seine Unterhaltung ebenfalls der Staat mittels „Spielen“, vom Wagenrennen bis zu Gladiatorenkämpfen. Die Arbeit erledigten Sklaven, der einfache Römer wurde nirgendwo gebraucht. Er lebte relativ sorgenfrei in den Tag, mit den res publicae hatte er nichts mehr zu tun, darum kümmerte sich die kaiserliche Verwaltung. Der Militärdienst war freiwillig, in den Legionen dienten oft genug Barbaren. Es ging diesem Römer gut, er war ein absolut bedeutungsloser Mann in einem riesigen Reich.

In welchem Rom hätten Sie leben wollen? Oder sollte ich fragen, wer von beiden war wirklich Römer, wer hingegen nur ein Hausschwein? Ach, Sie arbeiten, Sie leben nicht vom Staat, Sie zahlen im Gegenteil Steuern? Machen wir aus dem Römer der Kaiserzeit einen Handwerker, einen Töpfer. Er hat seine Werkstatt, seinen Laden im Erdgeschoß des Hauses, das ihm sogar gehört. Seine Familie lebt im ersten Stock, über der Werkstatt, die Stockwerke darüber hat er an die Proleten vermietet. Er ist trotzdem unbedeutend, hat mit dem Imperium nichts zu tun. Die Grenzen sind weit weg, ob da Varus seine Legionen verliert, er merkt es nicht. Ob nun Vespasian oder Marcus Aurelius regiert, er merkt es nicht. Er jubelt, als Christen verbrannt werden, und er steigt ins Taufbecken, als das Christentum Staatsreligion wird.

Diesem Römer stand formal die Welt offen. Die Kultur Griechenlands, die Wunder Ägyptens, die Überreste Karthagos, die Überlieferungen Galliens, die alte Welt Syriens und Kleinasiens – das alles war römisches Gebiet, sicheres, befriedetes Reiseland. Zwar gab es damals noch nicht den Begriff es „Rucksack-Touristen“, doch wenn er gewollt hätte, er hätte losziehen können. Und Sie? Ihnen steht die Welt offen, und Sie reisen tatsächlich. Würde Reisen wirklich den Horizont erweitern, wir wären ein Volk von Weltbürgern, die das Beste, was sie dort draußen vorfinden, in die Heimat holen.

Aber sind wir das wirklich? Natürlich nicht, wir sind „Kosmopoliten“ mit Blockwart-Mentalität, die dem Mitmenschen nicht die Gedankenfreiheit gönnen. Wir sind nichts anderes als die Hausschwein-Römer, die der Klatsch der Nachbarschaft interessiert, denen ihr Staat jedoch egal ist. Ein großer König hat einmal gesagt, ein jeder solle nach seiner Fasson selig werden. Unter der Regierung einer kleinlichen Bundeskanzlerin sollen wir alle nach ihrer Version selig werden. Das Volk wird gefüttert, es darf reisen, doch es soll sich aus den staatlichen Angelegenheiten heraushalten.

Hausschweine sind dümmer als Wildschweine, sie würden „draußen“ nicht mehr überleben. Uns geht es gut? Das hätte ein DDR-Bürger mit dem gleichen Recht sagen können. Auch die DDR hatte Brot und Spiele, und verglichen mit dem Jahr 1935 hatte die DDR 1985 einen eindeutig höheren Lebensstandard zu bieten. Dummerweise gab es in der DDR ein Schaufenster der Begehrlichkeiten, den verlockenden Westen, ein paar Kilometer entfernt, von dem der DDR-Bürger ausgeschlossen war. Dort lebten Leute, denen es scheinbar noch besser ging.

Diesen Vergleich, dieses „noch besser“, gibt es heute nicht mehr. Uns geht es gut, oder? Nicht nur gut, sondern besser. Millionen Menschen wollen nach Merkeldeutschland, um es sich hier besser gehen zu lassen als zu Hause. Beweist nicht allein das schon, wie gut es uns geht? Unterschreiben Sie hier, geben Sie alles auf, was Sie bisher besitzen, und Sie erhalten das hier: einen Gutschein für ein besseres Leben. Sie brauchen sich um nichts mehr zu kümmern, alles wird für Sie besorgt. Dafür hören Sie auf zu denken und zu wünschen. Seien Sie glücklich. Der Staat will, daß Sie glücklich sind. Der Staat wird alles dafür tun, daß Sie glücklich sind. Wenn Sie trotzdem nicht glücklich sind, muß der Staat Sie leider eliminieren.

Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden?

Die ganze Welt haben Sie gewonnen, sie steht Ihnen offen, sie liegt Ihnen zu Füßen. Aber was ist mit Ihrer Seele? Sie werden dafür bezahlt, daß Sie sich aus den res publicae heraushalten. Alle vier Jahre dürfen Sie ankreuzen, doch das, was Ihnen für Ihr Kreuz versprochen wurde, bekommen Sie in aller Regel nicht. Koalitionszwänge, Sie verstehen? Merkel behält ihr neuwertiges, unbenutztes Arbeitszimmer und den stets startbereiten Kanzlerairbus, alles andere wird nach Tagesform entschieden. 70% Ihrer Arbeitsleistung werden für Steuern und Abgaben vereinnahmt, aber vom Rest geht es Ihnen doch gut? Also, was wollen Sie?

Freiheit? Die haben Sie doch! Gehen Sie ins Reisebüro, fahren Sie zum nächsten Flughafen, bereisen Sie die Welt, was wollen Sie denn noch? Gedankenfreiheit? Schalten Sie den Fernseher an! Dort gibt es Talkshows, da erfahren Sie, was Sie denken sollen. Dort gibt es Fußball, dort zeigt Ihnen Hollywood seine ganze Feuerwerkskunst, dort zeigt man Ihnen, wie brutal Deutschland vor 1945 gewesen ist. Seien Sie dankbar, daß Sie heute leben dürfen. Seien Sie dankbar, daß Sie nicht wegen der unendlichen Schuld bestraft werden, die Ihre Vorfahren lange vor Ihrer Geburt auf sich geladen haben. Der liebe Gott hat damit nichts zu tun, das gute Leben verdanken Sie der Weisheit der Bundesregierung.

Im Jahre 410 endete das sorgenfreie Leben der Römer. Da haben die Goten die Stadt besichtigt. Zum ersten Mal seit Brennus, seit 800 Jahren, standen Fremde, standen Feinde in der Stadt. Eine Epoche war zu Ende. Wo einmal Imperatoren ihre Triumphzüge abgehalten hatten, wurden Ziegen gehütet. Jahrhunderte hat es funktioniert, können Sie dagegen halten. Es genügt vollkommen, wenn es funktioniert, solange Sie leben. Nach Ihnen die Sintflut…

Italien hatte sich für tausend Jahre aus der Geschichte verabschiedet. Erst mit der Renaissance erschien Italien wieder auf der kulturellen Weltbühne. Die Römer, denen es so gut gegangen ist, haben ihren Kindern eine Welt in Scherben hinterlassen. Die Reisenden des Wirtschaftswunders haben in Italien Strand und Sonne gesucht, ihre weitaus gebildeteren Vorgänger sind dorthin gereist, um Ruinen zu besichtigen.

Das letzte Hemd hat keine Taschen.

Das steht zwar nicht in der Bibel, es ist trotzdem sehr bekannt. Was nehmen Sie mit, aus dem ach so guten Leben? Was hinterlassen Sie? Ein Bankkonto? Eine Villa? Sehr schön, das hat alles einen Preis. Doch was hinterlassen Sie, das einen WERT hat? Was nehmen Sie aus diesem Leben mit? Sie waren in Mexiko? Sie haben Geysire in Island bewundert? Was soll das Jenseits mit solchen Erlebnissen anfangen? Dort gibt es Mexikaner zuhauf, auch eine Menge Isländer. Sie haben 20 Millionen Euro „gemacht“? Aha, das ist für das Jenseits ungefähr soviel wert wie eine Sammlung aller Bierdeckel der Wirtshäuser in Mittelmietraching.

Haben Sie GELEBT? Oder bloß existiert? Existieren ist so einfach, wie das Hausschwein, sich ein wenig suhlen, brav fressen… Kurz gesagt, Sie haben es sich gut gehen lassen. Was, bitte, soll der Himmel mit Ihnen anfangen? Sie haben das Klassenziel nicht erreicht, Sie müssen die Klasse wiederholen. Ist das schlimm? Sie können es sich ja wieder gutgehen lassen…

Was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse?

Geben? Nichts! Auch wenn die Kirche das ganz bestimmt anders sieht, ein paar Millionen in den Opferstock helfen Ihnen nicht weiter. Geben ist materiell, was soll Materie bewirken? Es geht um das, was jenseits des Materiellen liegt, dort, wo Dollar, Euro, selbst Gold und Silber keinen Wert mehr haben. Ihre zentrale Aufgabe ist, Ihr Bewußtsein zu erweitern. Dies ist ein Lernvorgang, dies ist gedankliche Arbeit. Leider geht das nicht mit ein paar Drogen. Die haben zwar die Macht, Ihr Bewußtsein auf Zeit zu verändern, doch der kurze Rausch erweitert Ihr Bewußtsein nicht wirklich. Sie würden nur konsumieren, nicht erarbeiten.

Ich spreche nicht von Askese, nicht von Kasteiung. Niemand hat etwas dagegen, wenn Sie es sich gut gehen lassen. Sie müssen nur die Augen offen halten, sich nicht auf das beschränken, was Ihnen Andere zu denken vorgeben. Die Regierung will, daß Sie nach deren Fasson selig werden, nicht nach Ihrer eigenen. Die Regierung tut das, weil Sie etwas von Ihnen will. Etwas, was so wertvoll ist, daß es Ihnen im Gegenzug dafür gut gehen darf. Die Kaiser Roms haben sich mit Brot und Spielen die Ruhe der Bevölkerung erkauft, aus stolzen Römern Hausschweine werden lassen, die keinen politischen Willen mehr hatten.

Rein formal sind Sie, sind die Bürger der Souverän dieses Staates. Rein formal sollen Sie entscheiden, was für die Republik, für die res publicae das Beste ist. Doch diese Rechte haben Sie sich abkaufen lassen. Es geht Ihnen gut? Gehören Sie zu dem einen Prozent der Reichsten, denen mehr als ein Drittel aller Werte gehört? Nein? Wenigstens zu den reichsten zehn Prozent, die zwei Drittel von allem besitzen? Auch nicht? Und da glauben Sie wirklich, es ginge Ihnen GUT? Ein Jahr der Arbeitslosigkeit, und Sie müssen Ihr Vermögen aufbrauchen. Wenn das weg ist, bleibt Ihnen Hartz IV. Keine Sorge, Brot und Spiele gibt es weiterhin, Ihren Fernseher dürfen Sie behalten. Sie stehen dann nur vor dem Reisebüro, anstatt darin zu sitzen und den nächsten Urlaub zu planen.

Bitte bedauern Sie sich deswegen nicht, denn im Reisebüro hätten Sie nicht den wichtigsten Menschen Ihres Lebens getroffen: sich selbst. Erst, wer aus dem scheinbaren Wohlleben gerissen wird, findet zu sich selbst. Zumindest ist das in den meisten Fällen so. Wenn Sie zehn Stunden pro Tag im Hamsterrad rennen, damit Ihr Futternapf gefüllt wird, kommen Sie nicht dazu, sich selbst zu begegnen. Selbst Ihre großartigen Fernreisen sind ein Rennen im Hamsterrad, weil Sie sich so nur beweisen, daß es Ihnen gut geht, daß Sie es zu etwas gebracht haben.

Ich habe eine schöne Anekdote über Träger in Afrika gelesen. Nach zwei Tagen Expedition haben die auf einer Rast bestanden, mit der Begründung, sie seien in den letzten Tagen so weit und so schnell gelaufen, daß sie nun warten müßten, damit ihre Seelen sie wieder einholen. Im Hamsterrad laufen Sie nicht voran, Sie sind auf der Flucht, auf der Flucht vor sich selbst. Sie tun alles, damit Ihre Seele Sie nicht einholt, damit Sie nicht innehalten und nachdenken müssen.

Ich weiß nicht, wie Sie sich an Ihre erste Schulklasse erinnern. Für mich war das eine tolle Zeit gewesen, voller neuer Erfahrungen. Eine nette Lehrerin, Geschichten von Sankt Nikolaus, vom Christkind, vom Osterhasen, Bücher mit vielen Bildern darin, andere Bücher, die mir plötzlich etwas zu erzählen hatten… Für mich als Sechsjährigen ein schönes Leben, es ist mir gut gegangen. Aber heute? Als Sechzigjähriger? Ich habe diese erste Klasse hinter mir gelassen, geradezu unerreichbar weit hinter mir. Obwohl ich wirklich gute Noten bekäme, außer in Schönschrift und Turnen. Na gut, in Religion stünde ich ebenfalls auf der Kippe.

Unser Lebensziel ist nicht, die immer gleiche Klasse zu wiederholen, nur weil es in dieser Klasse so schön ist und es uns gut geht. Das Leben erwartet, daß wir voranschreiten, daß wir uns entwickeln. Wer dazu nicht freiwillig bereit ist, wird aus seiner geistigen Komfortzone schließlich ausgetrieben. Kann Ihnen nicht passieren, sagen Sie? Sie werden nicht entlassen, werden niemals arbeitslos und Hartz IV werden? Gegen Altersarmut haben Sie vorgesorgt, Ihr Riester-Vertrag schwillt immer mehr an? Brav, haben Sie gut gemacht! Sagt Ihnen der Begriff „Währungsreform“ etwas? Macht nichts, Ihr Riester-Vertrag weiß, was damit gemeint ist.

Ach so, Sie sind Beamter. Erstens auf Lebenszeit und zweitens mit Pensionsberechtigung. Dann sind Sie natürlich abgesichert. Aber sogar Staaten gehen bankrott. Dann muß der Staat sparen, und wo wird er das? Bei den aktiven Beamten, auf die er angewiesen ist? Oder doch bei den Pensionären? Für den Staat müssen wir alle unser Opfer bringen, und gerade Sie, dem es doch solange gut gegangen ist…

Sie können rennen, solange Sie wollen, Ihre Seele wird Sie schließlich einholen. Die einzige Möglichkeit, nicht in der Realität aufzuschlagen, ist vorher zu sterben. Und dann hat Ihre Seele Sie erst recht eingeholt. Es gibt keinen Gott, sagen Sie? Nicht mal Allah? Warum sollte ich darüber mit Ihnen streiten? Sie erfahren früh genug, ob Sie recht haben. Ohne Gott wäre alles sinnlos, behaupte ich. Sogar sein Versprechen, daß es Ihnen wohlergehe auf Erden, wenn Sie seine Gebote einhalten.

Der Staat will aus reiner Selbstsucht nicht, daß Sie denken. Wobei „der Staat“ als solcher nicht greifbar ist, es handelt sich um jene, die den Staat für sich vereinnahmt haben, die Politiker. Mittelmäßige Menschen, die im normalen Berufsleben nichts erreicht haben, die als letzten Ausweg in die Politik gegangen sind, in die große Lotterie, die immer ein paar Leute nach oben spült. Leute, die brav und gehorsam sind, die vor den Parteioberen katzbuckeln. Leute ohne Rückgrat, die heute Hosianna singen und morgen Kreuzigt ihn rufen, wenn es die Partei verlangt. Und genau diese anpassungsfähige menschliche Knetmasse, diese wirbellosen Vertreter unserer Art, werden dann Führungspersonen. Sie, die nie widersprochen haben, empfinden es als Beleidigung, wenn ihnen widersprochen wird. Da bestechen sie lieber die Wähler, auf daß diese sich der Politik fernhalten, auf daß diese genauso wirbellos auftreten wie die Politiker.

Ginge es nur um den Staat, wäre das sogar zu vertreten. Bei den Römern ist es lange gut gegangen, oder? Es geht jedoch nicht um den Staat, es geht um Sie. Staaten kommen und gehen, das haben wir Deutsche in den letzten 200 Jahren zur Genüge erlebt. Unsere heutige DDR 2.0 ist nur eine Neuauflage des alten Gestapo-Staates, angereichert mit ein wenig von jener alttestamentarischen Brutalität, die uns Hollywood so gerne vorführt. Zensur statt Meinungsfreiheit, Wahlen, bei denen nicht unterscheidbare Parteien einen Einheitsblock bilden, Denunzianten, gleichgeschaltete Medien, das alles hat es bereits gegeben. Bonzen mit Sonderrechten und Leibgarden, „Gleichere“, die mehr Rechte haben als jene, die arbeiten, Ordensblech und schöne Titel, Preise und Auszeichnungen, auch das gehört zum Umfeld einer Diktatur. Das ist das, was in den nächsten Monaten und Jahren auf uns zukommen wird. Es hat längst angefangen und es wird sich wie ein Buschfeuer ausbreiten und schließlich ausbrennen.

Dagegen brauchen Sie nicht mehr anzukämpfen, dazu ist es bereits zu spät. Merkel fährt nur die Ernte dessen ein, was Kohl und Schröder gesät haben. Es geht Ihnen trotzdem gut, oder? Schauen Sie bitte hin, beachten Sie, welchen Preis Sie dafür bezahlen, daß es Ihnen so gut geht. Sie tanzen auf einem Vulkan, denn die Fundamente der Gesellschaft sind längst unterspült. Wir leben von geborgter Zeit, der Wirtschafts- und Finanzkollaps wird nur hinausgezögert. Wenn die Wirtschaft zusammenbricht, wenn es uns nicht mehr so gut geht, zeigt der Staat sein wahres Gesicht, dann erleben wir Staatsterror. Ein bis ins Mark verrottetes System wird nicht freiwillig aufgeben, und es wird nicht von jetzt auf nachher von einem besseren, gerechteren System abgelöst werden.

Kämpfen Sie nicht dagegen an, sondern stellen Sie sich darauf ein. Rom nennt sich die „ewige“ Stadt, auch wenn nach den Imperatoren die Ziegenhirten durch die zerfallenden Ruinen gezogen sind. Deutschland war für die Römer eine Wildnis, die schreckliche Kimbern und Teutonen ausgespuckt hat. Doch gerade dieses Deutschland hat Rom beerbt, wurde zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Auf den Glanz des Mittelalters folgte der Niedergang zum Dreißigjährigen Krieg, folgte die Unterwerfung durch Napoleon. Doch aus diesem darniederliegenden Deutschland erwuchsen große Komponisten, erstanden Dichter und Denker. Als das Reich 1871 neu erstand, war es das Land der Wissenschaftler und Ingenieure. Niedergerungen von der ganzen Welt, wurde es zum Land politischer Hasardeure, von Scheidemann bis Merkel. Das aber ist nur ein Moment der Geschichte, es wird weitergehen, auch mit Deutschland.

Ihr Leben, in denen es Ihnen so gut geht, ist nicht mehr als ein Wimpernschlag, mag es auch hundert Jahre währen. Sie entscheiden, ob Sie blind und schlafend durch das Leben taumeln, ob Sie zufrieden grasend einem ach so guten Hirten folgen, der Sie scheren und schließlich schlachten wird. Sie entscheiden, ob Sie vegetieren oder leben wollen. Sie entscheiden, ob Sie Ihre Augen öffnen wollen. Und am Ende entscheiden Sie, ob Sie nach eigener Fasson selig werden oder nur einer mehr in der Masse derer sind, deren Existenz von Dritten bestimmt wird.

Am Ende haben Sie sicher nicht die ganze Welt gewonnen, aber dafür Ihre Seele unbeschadet durch dieses Leben geführt. Das wiederum hat keinen Preis, sondern einen bleibenden Wert.

© Michael Winkler

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