von Egon W. Kreutzer
Strafzölle in Höhe von 100 Prozent hat Donald Trump den BRICS Staaten angedroht, sollten sie den Dollar von seinem Sockel stoßen und so etwas wie eine parallele Leitwährung etablieren, um den Dollar aus ihren Geschäften draußen zu halten.
Wenn ich auch – ungeachtet der Wirkung auf Deutschland – Trumps Politik im Interesse der USA für weitgehend gut und richtig halte: Diese Drohung gegen die BRICS-Staaten halte ich für einen strategischen Fehler.
Um dies zu begründen, müssen zuerst die Ursachen für die Abwendung vom Dollar betrachtet werden. Es ist nicht die Funktion des Dollars als Weltleitwährung gewesen, die den USA im Welthandel Vorteile verschafft hat, die zur Abkehr vom Dollar führt. Es ist nicht der Petro-Dollar gewesen, der es den USA ermöglichte sich praktisch grenzenlos zu verschulden. Es ist die Abhängigkeit vom Wohlwollen der USA gewesen, die den Dollar-Nutzern weltweit im Laufe der Zeit immer deutlicher wurde, und mit der Verhängung von Sanktionen, die auch zum Ausschluss Russlands vom SWIFT-System und zur Beschlagnahme russischer Guthaben führten, unerträglich geworden ist.
Die USA haben sich mit dem Nutzen des Dollars auf rein wirtschaftlicher Ebene nicht zufrieden gegeben. Sie haben sich des Dollars als Machtmittel bedient – und wollen sich jetzt dafür rächen, dass die BRICS-Staaten nicht länger hilflos unter dieser Knute verharren wollen.
Man kann dieses Ansinnen noch nicht einmal dann nachvollziehen, wenn man sich in die Rolle der USA versetzt. Es gibt kein Anrecht für alle Zeiten, den Dollar als einzige Leit- und Reservewährung der Welt behalten zu können. Wenn souveräne Staaten wie Russland und China beschließen, ihren Handel ohne Nutzung des Dollars zu treiben, dann zeigt das nur, dass das Angebot der USA, eine international anerkannte Währung zur Verfügung zu stellen, von den Nutzern nicht mehr für attraktiv gehalten wird. Es wäre an den USA, den Dollar so zu gestalten, dass er wieder gerne akzeptiert wird.
Es sieht auch nicht so aus, als könnten die USA durch verdammt hohe Einfuhrzölle für sich einen Vorteil verbuchen.
Das Importvolumen der USA im Handel mit China, Brasilien, Indien, Russland, Südafrika, Iran, Ägypten, Äthiopien und den VAE dürfte grob überschläglich ermittelt zuletzt bei vielleicht 750 bis 800 Milliarden Dollar jährlich gelegen haben, zwei Drittel davon brachte alleine China auf die Waage.
Die Konsumausgaben der US-Verbraucher beliefen sich zuletzt auf 16,1 Billionen Dollar. Diese Zahl muss allerdings so betrachtet werden, dass damit die verfügbaren Einkommen der Bevölkerung nicht nur weitgehend aufgezehrt wurden, sondern dass dieses Volumen nur durch die Ausweitung der Verschuldung der privaten Haushalte erreicht werden konnte. Spielräume nach oben existieren praktisch nicht. (Hier ein interessanter Artikel zur Verschuldungssituation in den USA, in dem auch aufgezeigt wird, wie stark gerade jetzt am Black Friday die Neigung gewachsen ist, „Kaufe jetzt- zahle später Angebote“ zu nutzen.)
Die zu erwartende Folge extremer Einfuhrzölle wird sein, dass die Importe aus den BRIX-Staaten drastisch zurückgehen werden. Das bedeutet, dass eine Angebotslücke auf dem US-Markt entsteht, die nicht so einfach durch Produkte aus eigener Herstellung oder Importe aus anderen Ländern geschlossen werden kann, weil die jeweils kostengünstigsten Produkte durch teurere ersetzt werden müssten, wobei die Kaufkraft jedoch nicht vollständig ausreicht, um den Unterschied in den Gestehungskosten auszugleichen.
Wir sprechen zwar nur von etwa fünf Prozent des Konsums, der durch teurere Produkte ersetzt werden müsste, was jedoch immer noch eine Steigerung der Konsumausgaben von 1,5 bis 2 Prozent zur Folge haben dürfte. Trumps Berater werden genauer gerechnet, am Schluss aber ähnliche Zahlen ermittelt haben. Die Frage ist, wie lange die Banken die Verschuldung der Privathaushalte (durchschnittlich 50.000 Dollar pro Kopf) noch unterstützen werden. Um es zu verdeutlichen: Die Gesamtschulden der Privaten in den USA übersteigen die gesamten Konsumausgaben des letzten Jahres. Man könnte es so betrachten, dass alles, was die Amis in den letzten 12 Monaten konsumiert haben, quasi auf Pump gekauft worden ist. Wann – und wovon – soll das jemals wieder getilgt werden?
Natürlich verspricht sich Trump einen neuerlichen Aufschwung und damit mehr Beschäftigung, doch der Protektionismus, mit dem Trump in seiner ersten Amtszeit noch eher „behutsam“ begonnen hat, der von Biden dann mit weiteren Zöllen und dem Anlocken ausländischer Investitoren fortgesetzt wurde und nun von Trump noch einmal vorangetrieben werden soll, ist letztlich ein Vabanque-Spiel, mit dem viele ehemalige Handelspartner verprellt werden. Auch die EU wird über kurz oder lang nicht mehr anders können, als ihre wirtschaftlichen Bindungen an die USA zu lockern. Die Zusammensetzung des neuen EU-Parlaments spricht dafür, dass ein neuer Nationalismus auch in der EU erstarkt und salonfähig geworden ist, wobei Trumps ab- und erschreckende Überlegungen zur NATO mittelfristig auch zu einer neuen Sicherheitsarchitektur und zu schwindenden Exportumsätzen der US-Rüstungsindustrie führen könnten.
Nach meiner Einschätzung bewegt sich Trump mit dem Versuch, die Fortdauer der Vorherrschaft des Dollars mit Strafzöllen erzwingen zu wollen, auf sehr dünnem Eis. Das deute ich allerdings so, dass er nicht davon ausgeht, diese Zölle jemals erheben zu müssen, weil er hofft, gerade China damit so empfindlich treffen zu können, dass die auf die Errichtung einer eigenen Verrechnungswährung abzielenden Pläne im Interesse der eigenen Exportwirtschaft aufgegeben werden. Würde China in dieser Sache einknicken, würden ihm alle weiteren BRICS-Staaten folgen, und Trumps Plan wäre – ohne Blutvergießen – aufgegangen.
Diese Hoffnung halte ich allerdings für weitgehend unbegründet.
Ende 2020, im Zuge der Festlegung des 14. Fünfjahres-Plans, hat die chinesische Führung genau diesen Absichten der USA ihre damals radikal neue Strategie der zwei Kreisläufe entgegen gesetzt. Die Zielsetzung: Reduzierung der Abhängigkeit vom Exportmarkt USA durch Stärkung des chinesischen Binnenmarktes und Ausweitung der Beziehungen zu anderen Staaten. Überspitzt gesagt, läuft Trump mit seinen Zöllen den Ablösungsbestrebungen Chinas inzwischen hinterher und beschleunigt damit nur das Eintreten des Risikos, das in den weltweit gehaltenen Dollar-Reserven liegt.
Wenn die Notwendigkeit schwindet, sich für die Bezahlung von Importrechnungen mit US-Dollar eindecken zu müssen, verliert der Dollar an den Devisenmärkten an Wert. Nur wenn es gelingen sollte, die USA rechtzeitig weitgehend unabhängig von Importen zu machen, bleibt der Schaden für die USA und den US-Binnenmarkt gering. Ansonsten droht eine neue, schwere Inflationswelle.
Aber vielleicht ist das ja das Ziel: Autark werden, bevor die Folgen des Hemmungslosen Dollar-Druckens über die USA hereinbrechen.
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Zum Thema Verschuldung:
„Verschuldung ist nichts weiter als vorgezogener Konsum, der in der Zukunft ausfällt.“ (Dr. Hjalmar Schacht, 1923-1930 Reichsbankpräsident)
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