von Thierry Meyssan (voltairenet)
Im Gegensatz zum vorherrschenden Denken hat der NATO-Gipfel nicht zu einem Gegensatz der Vereinigten Staaten und der anderen Mitglieder der Allianz geführt, sondern zu einem Gegensatz zwischen Präsident Trump und der Spitze der zwischenstaatlichen Verwaltung. Für Thierry Meyssan liegt das Problem nicht im Wissen, ob man die Persönlichkeit des Mieters des Weißen Hauses schätzt oder nicht, sondern im Problem seiner Unterstützung, weil er von seinem Volk gewählt wurde, oder in der Bevorzugung der Bürokraten des Systems.
Seit dem 20. Januar 2017, seiner Ankunft im Weißen Haus, bringt ein Befürworter des produktiven Kapitalismus die internationale Ordnung auf Kosten der Unterstützer des Finanzkapitalismus völlig durcheinander. Der Imperialismus, der bis dahin von den Präsidenten der Vereinigten Staaten blind bis zu einem Punkt verteidigt wurde, dass man ihn mit der US-Außenpolitik gleichsetzte, stützt sich jetzt auf Bürokratien, deren wichtigste die Verwaltungen der NATO und der EU sind.
Donald Trump handelt, wie er es während seiner Wahlkampagne angekündigt hatte, und ist daher ein sehr berechenbarer Präsident. Seine Fähigkeit, das System zu ändern, ist jedoch ziemlich unberechenbar. Bis jetzt ist er noch nicht wie John Kennedy ermordet, noch wie Richard Nixon zum Rücktritt gezwungen worden [1] und verfolgt seinen Weg, wobei er zwei Schritte vorwärts, und einen rückwärts macht.
Der Westen hat es vergessen, aber die einzige Rolle der Abgeordneten in einer Republik ist, die Verwaltungen der Staaten zu kontrollieren. Jedoch hat sich allmählich bei allen ein „Einheitsdenken“ eingenistet, das die Gewählten in Beamte hohen Ranges und die Staaten in administrative Diktaturen verwandelt hat. Der Konflikt zwischen Präsident Trump und den hohen Beamten seiner Vorgänger ist also ein einfacher Versuch, zur Normalität zurückzukehren. Er ist auch ein gigantischer Konflikt, vergleichbar mit dem der beiden französischen Regierungen während des zweiten Weltkrieges [2].
Nachdem die Verwaltung der NATO durch den NATO-Gipfel vom 25. Mai 2017, in dessen Verlauf es Donald Trump erreichte, zu den Zielen des Bündnisses auch die Bekämpfung des Terrorismus hinzuzufügen, und durch den G-7-Gipfel vom 8. und 9. Juni 2018, wo Donald Trump sich weigerte, die abschließende Erklärung zu unterzeichnen, enttäuscht wurde, versuchte sie, die Ziele des Imperialismus zu erhalten.
Erstens unterzeichnete sie am Vorabend des Gipfels eine gemeinsame Erklärung mit ihren Amtskollegen aus der Europäischen Union [3]. So sicherte sie die Unterordnung der EU unter die NATO, welche durch den Artikel 42 des Vertrags von Maastricht festgelegt wurde. Diese Erklärung wurde vom Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, und von dem der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, unterzeichnet. Der Pole Tusk stammt aus einer Familie, die während des Kalten Krieges heimlich für die NATO arbeitete, während der Luxemburger Juncker der ehemalige Leiter des Geheimdienstes der Allianz (Gladio) in seinem Lande war [4]. Die europäischen Spitzenbeamten fühlen sich bedroht, seitdem der ehemalige Sonderberater von Donald Trump, Steve Bannon, nach Italien kam, um ein Anti-Regierungssystem aufzubauen, mit dem offenen Ziel, die Europäische Union zu sprengen.
Zweitens ließ die NATO-Verwaltung den Entwurf der gemeinsamen Erklärung zu Beginn des Gipfels und nicht an dessen Ende unterzeichnen [5]. Es gab daher keine Diskussion über die anti-russische Doktrin des Bündnisses.
Präsident Trump, der die ihm gestellte Falle durchschaut hatte, beschloss ihre Beamten zu überrumpeln. Während alle Teilnehmer sich über den niedrigen Beitrag der Alliierten an den gemeinsamen Kriegsanstrengungen auf eine Kontroverse gefasst machten, stellte Donald Trump die Basis der Allianz in Frage: den Schutz gegen Russland.
Bei der Einberufung des Generalsekretärs des Bündnisses, Jens Stoltenberg, in der Residenz des US-Botschafters, in Anwesenheit der Presse, bemerkte er, dass Deutschland seine Wirtschaft mit dem Gas seines russischen „Freundes“ betreibt, und zugleich verlangt, vor seinem russischen „Feind“ geschützt zu werden. Mit diesem Widerspruch verbannte er die Frage der Finanzierung auf den zweiten Platz, die er aber trotzdem nicht ausließ. Vor allem machte er eine Woche vor seinem Treffen mit Präsident Wladimir Putin die lange Anklage gegen Russland, die in der Öffnungs-Gipfelerklärung enthalten war, zunichte.
Im Gegensatz zu Pressestimmen war diese Bemerkung von Präsident Trump weniger auf Deutschland gemünzt, als auf Stoltenberg selbst. Sie streicht die Fahrlässigkeit dieses hohen Funktionärs heraus, der die NATO verwaltet, ohne den Zweck des Bündnisses zu hinterfragen.
Der Zusammenstoß zwischen dem Weißen Haus und Brüssel [6] geht weiter.
Auf der einen Seite hat die NATO gerade die Schaffung von zwei gemeinsamen Kommandozentralen (Ulm in Deutschland und Norfolk in den USA) gutgeheißen… und die Aufstockung seiner Mitarbeiter um 10 Prozent. Währenddessen hat die Europäische Union gerade die „ständige strukturierte Zusammenarbeit“ geschaffen (eine Fähigkeits-Programm mit 6,5 Milliarden Euro) und Frankreich ihr die „Europäische Initiative zur Aktion“ beifügt (ein operationelles Programm).
Auf der einen Seite hat die NATO gerade die Schaffung von zwei gemeinsamen Kommandozentralen (Ulm in Deutschland und Norfolk in den USA) gutgeheißen… und die Aufstockung seiner Mitarbeiter um 10 Prozent. Währenddessen hat die Europäische Union gerade ein Programm der „ständigen strukturierten Zusammenarbeit“ geschaffen (ein Ausbau-Programm in der Größe von 6,5 Milliarden Euro) und Frankreich die „Europäische Eingreif-Initiative“ hinzugefügt (ein operationelles Programm). Im Gegensatz zu der Rede über die europäische Unabhängigkeit unterliegen diese beiden Strukturen dem Maastricht-Vertrag und sind daher im Dienst der NATO. Sie erhöhen die Komplexität der europäischen Bürokratie zur größten Zufriedenheit ihrer hochrangigen Beamten.
Auf der anderen Seite hat Präsident Trump geheime Gespräche mit seinem russischen Amtskollegen begonnen, um den Abzug der russischen Truppen und die der NATO von ihrer gemeinsamen Frontlinie zu realisieren.
Thierry Meyssan
Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser
[1] Richard Nixon musste sicherlich wegen seiner Verantwortung im Watergate-Fall zurücktreten. Aber diese existierte nur durch den Willen des „Deep Throat“ Informanten, in diesem Fall Mark Felt, einem der Assistenten von J. Edgar Hoover.
[2] Anlässlich des Weltkrieges und der [franz.] Niederlage verkündet die Nationalversammlung, am 10. Juli 1940 in dem Kurort Vichy den „Französischen Staat“, der de facto die Republik aufhebt. Dieser Regimewechsel war schon seit längerem von Gruppen und anti-parlamentarischen Parteien unterstützt worden. Daher war Frankreich durch zwei konkurrierende Regierungen vertreten: die legitime der Republik im Exil in London und die rechtliche in Vichy. Im August 1944 wird die Regierung der Republik von de Gaulle in Paris neu eingerichtet, während die des Staates in Deutschland, in Sigmaringen, bis April 1945 weiter geht.
Die Verwechselung zwischen der französischen Republik und dem französischen Staat ist heute derart gängig, dass man sich zur Bezeichnung des Präsidenten der Republik wahllos entweder auf den zeremoniellen Rang eines „Staatsoberhauptes“ (chef d’État) bezieht oder auf den Titel « chef de l’État ».
[3] « Déclaration conjointe sur la coopération entre l’UE et l’OTAN », Réseau Voltaire, 10 juillet 2018. (Auch auf Englisch)
[4] « La guerre secrète au Luxembourg », par Daniele Ganser; „Luxembourg: Juncker verweigert seinen Rücktritt wegen dem Gladio“, „Gladio-Luxembourg: Juncker zum Abtritt gezwungen“, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 16. Juli 2013.
[5] « Déclaration d’ouverture du sommet de l’Otan », Réseau Voltaire, 11 juillet 2018. (Auch auf Englisch)
[6] Brüssel ist sowohl Sitz der NATO als auch der EU
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