Trump, Twitter, Edelman und die Bankrotterklärung des Staates

Übernommen aus dem Blog von Norbert Häring

Hören Die globale Führungsmacht wählt und erduldet vier Jahre lang einen aus Prinzip lügenden Präsidenten, bis private Betreiber sozialer Medien den Regierungschef von seinen direkten Kommunikationskanälen abklemmen. Die führende PR-Agentur Edelman liefert die angebliche Bestätigung, dass diese pervertierte Form der Gewaltenteilung das sei, was das Volk will.

Unternehmen müssen, wenn alle Vermögenswerte von den Schulden aufgezehrt sind, Konkurs anmelden. Sonst werden die Verantwortlichen wegen Konkursverschleppung belangt. Legt man den gleichen Maßstab an die Politik an, dass sie Bankrott, Unfähigkeit zur Selbstkontrolle, offen erklären muss, dann – und nur dann – kann man es begrüßen, dass die US-Firmen Twitter und Facebook den Präsidenten der USA ausgesperrt haben, dass sie ihm nach seiner umstrittenen Rolle bei der Erstürmung des US-Parlaments am 6. Januar jede Möglichkeit genommen haben, seine Millionen Follower über seine etablierten direkten Kanäle zu erreichen.

Wer das gut findet, der muss das politische System der USA für bankrott, für unrettbar kaputt halten. Denn wenn das gewählte Staatsoberhaupt lügen, gegen Minderheiten hetzen und gefährliche Falschbehauptungen in die Welt setzen kann, ohne dass ihn ein effektives System der Gewaltenkontrolle disziplinieren kann, sodass private Unternehmen mit freihändigen Entscheidungen beschließen dürfen oder gar müssen, was der Präsident darf und was nicht, dann ist das System kaputt.

(Wenn die Vorwürfe gegen Trump nicht zutreffen, dann haben Twitter und Facebook keine Rechtfertigung, ihn zu sperren. Diese Möglichkeit lassen wir hier einmal weg um die Argumentation einfach zu halten.)

Wer der Meinung ist, dass das politische System kaputt ist, der sollte sich tunlichst nicht damit zufrieden geben zu klatschen, wenn zwei der mächtigsten Unternehmen der Welt auf scheinbar positive Weise eingreifen. Da ist dann schon grundsätzliche Positionierung gefragt: Wie kann das System repariert oder durch ein neues ersetzt werden? Führt es über den Moment hinaus in eine gute Richtung, wenn Großkonzerne die Regentschaft ganz oder teilweise übernehmen? So viel Ehrlichkeit darf man verlangen.

Das ist keine abstrakte sondern eine ganz praktische und auch dringliche Frage. Denn die globalen Konzerne haben durchaus die Ambition, das nationalstaatliche System der Regierungen durch ein von ihnen regiertes grenzüberschreitendes System von digitalen “Gemeinschaften” oder besser Kundengruppen in den Hintergrund zu drängen und immer mehr zu entmachten.

Edelman assistiert mit einem Vertrauensbarometer

Das hat wenige Tage nach der Sperre für Trump die PR Agentur Edelman in New York eindrücklich signalisiert. Edelman ist eine der größten PR-Agenturen der Welt und einer der 100 strategischen Partner der Großkonzernlobby Weltwirtschaftsforum. Auf diesem Blog sind Sie der Firma begegnet, wenn Sie den Beitrag “Event 201 und die Bekämpfung von Fake News” gelesen haben, wo eine Pandemie wie Corona 2019 geprobt wurde. Dort war der Chief Operating Officer von Edelman, Harrington, bei der Übung zur Kommunikationsstrategie dabei. Er betonte, man müsse eine international zentralisierte obere Instanz haben, von der aus die Informationen in Kaskaden nach unten gereicht werden. Es brauche ein zentrales Depot von Daten, Fakten und Schlüsselbotschaften.

Nun verkündet Edelmann auf Basis der traditionsreichen Umfrage Edelman-Vertrauensbarometer bei 34.000 Befragten in 28 Ländern, es gebe ein Führungsvakuum, dass die Konzernchefs füllen müssten. Das sagt Dave Samson, der bei Edelman für Firmenkunden verantwortlich ist. Mehr als acht von zehn Befragten fordern nämlich der Umfrage zufolge, dass sich Konzernchefs zu wichtigen gesellschaftlichen Themen wie den Auswirkungen der Pandemie, der Automatisierung von Arbeitsplätzen und gesellschaftlichen Problemen äußern, heißt es in der Edelman-Studie.

Das ist zufällig genau die Position des Weltwirtschaftsforums, das sich “DAS Forum für öffentlich private Partnerschaft” nennt und für praktisch jedes halbwegs relevante Themengebiet einen Globalen Agenda-Rat oder eine “Industriepartnerschaft” hat, wo Konzepte zur Regulierung oder Bearbeitung des jeweiligen Themas ausgearbeitet und den zuständigen öffentlichen Stellen mundgerecht serviert werden.





Mehr als zwei Drittel erwarteten von den Unternehmensführern, dass sie einschritten, falls die Regierung gesellschaftliche Probleme nicht löse, erfahren wir von dem Vertrauensbarometer. Wenn Edelman eine Umfrage so gestaltet, dass das herauskommt, darf man getrost davon ausgehen, dass es die Botschaft ist, die die Konzerne hören und verbreiten wollen. Bei der Kompetenz lägen die Unternehmen (“Business”) fast 50 Prozentpunkte vor der Regierung. Das führen die Marktforscher von Edelman wohlwollend darauf zurück, dass die Wirtschaft in Rekordzeit nicht nur Impfstoffe gegen das Coronavirus entwickelt, sondern auch die Arbeit den schwierigen Bedingungen der Pandemie angepasst habe.

Dass eine Mehrheit auch den Unternehmen nicht traut, ist ein kleiner, aber notwendiger Schönheitsfehler in dieser Argumentation. Notwendig, weil es Edelmans Geschäft ist, Konzernen zu sagen, wie sie Vertrauen gewinnen. Auch das Wirtschaftssystem genießt wenig Vertrauen. 56 Prozent sind der Meinung, dass der Kapitalismus in seiner derzeitigen Form mehr Schaden anrichtet als Gutes bewirkt. Aber hey, was macht das schon. Trotzdem will das Volk angeblich dass die Konzerne, denen es nicht traut, und die ein abgelehntes Wirtschaftssystem dominieren, auch noch die politische Macht direkt übernehmen. Ganz glaubwürdig ist die Botschaft nicht, bei Licht betrachtet, aber eben kundengerecht.

Wie bestellt von Twitter und Facebook sieht Edelman einen Ausweg aus der globalen Vertrauenskrise nur, wenn soziale Medien, Regierungen, NGOs und Unternehmen mehr glaubwürdige Qualitätsinformationen lieferten. „Die klassischen Medien allein können das nicht schaffen“, sagte der 66jährige Inhaber Richard Edelman.

Kungeleien mit den Regierenden

Noch sind die Konzerne aus dem Silicon Valley nicht so weit wie es auf den ersten Blick aussieht, wenn sie straflos den Präsidenten von seinen wichtigsten Kommunikationskanälen abkoppeln können. Sie haben das erst wenige Wochen vor dessen Abtritt getan, als klar war, dass es wichtiger geworden ist, sich mit dem Nachfolger von der anderen Partei gut zu stellen, als mit dem Amtsinhaber. Noch hat die Regierung Werkzeuge um die Konzerne zu knechten, wenn sie will. Aber sie will schon lange nicht mehr. Und je länger und öfter die Regierenden die Konzerne nutzen, um ohne demokratische Kontrolle ihre eigene Agenda voranzutreiben, desto mehr Macht gestehen sie ihnen zu. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Machtbalance vollends kippt und sie keine Macht über die Konzerne mehr ausüben können, selbst wenn sie wollten.

Wenn, wie nach der Sperrung von Trump durch Twitter geschehen, Apple und Google umgehend die App des boomenden Twitter-Konkurrenten “Parler” aus ihren dominanten Vertriebskanälen werfen und die ebenfalls dominante Amazon-Tochter AWS für Cloud-Computing den Web-Hosting-Vertrag mit Parler kündigt, ohne dass eine Wettbewerbsbehörde gegen dieses wettbewerbsvernichtende Kartell vorgeht, dann werden Präzedenzfälle geschaffen und Entwicklungen praktisch unumkehrbar gemacht.

Deutschland und Europa sind nicht weit hinterher. Mit dem berüchtigten NetzDG hat ein verantwortungsloser Gesetzgeber den mächtigen privaten Betreibern von Sozialen Medien Aufgaben aufgedrückt, die bisher staatliche Hoheitsaufgaben waren: zu entscheiden, was verboten und was noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wissend, dass die gewinnorientierten Konzerne weder die Strukturen noch ein Interesse daran haben, das mit der nötigen Gewissenhaftigkeit und Objektivität zu tun.

Dieser Pfad ist stark abschüssig und führt direkt dahin, wo die USA schon stehen: zum Bankrott der Politik und der Übernahme der Macht durch die Konzerne zum Schleuderpreis.

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