Theater und Subventionen: Ein absurdes Theater

Wo sind sie nur, meine Steuergroschen?

Gotthilf Steuerzahler fragt sich: Was machen eigentlich … meine Steuergroschen?

Liebe Leserinnen und Leser,

können Sie sich vorstellen, dass Ihre Stadt oder Ihr Bundesland Ihnen Geld schenkt? So um die 100 Euro, jedes Mal wenn Sie vorbeischauen? An eine solche Großzügigkeit können Sie nicht so recht glauben? Dann gehen Sie doch einfach mal in Ihr Stadttheater oder in Ihr Opernhaus. Bei jedem Besuch erhalten Sie – indirekt – ein solches Geschenk. Zu jeder Eintrittskarte, die Sie für sagen wir mal 30 Euro kaufen, gibt die öffentliche Hand zwischen 100 und 150 Euro dazu. Eine feine Sache. Das steigert doch erheblich den Kunstgenuss, wenn man nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Kosten selbst tragen muss, während für den großen Rest der anonyme Steuerzahler aufzukommen hat!

Ja, die deutsche Theaterlandschaft mit insgesamt 140 von der öffentlichen Hand getragenen Theatern, Schauspiel- und Opernhäusern ist wirklich einzigartig. Fast 40.000 fest angestellte Mitarbeiter werden hier beschäftigt. Diese Dichte an öffentlich finanzierten Spielstätten gibt es im weltweiten Vergleich nur in Deutschland, ein Erbe der Kleinstaaterei früherer Jahrhunderte.
Weltweit einzigartig ist aber auch der Umfang, in dem die deutschen Theater von der öffentlichen Hand subventioniert werden. Weniger als 20 Prozent ihrer Kosten erwirtschaften die Theater durch Ticketverkäufe selbst, mehr als 80 Prozent schießen die Kommunen bzw. die Bundesländer aus Steuergeldern zu. Die Subventionen für die öffentlichen Theater belaufen sich zurzeit auf mehr als zwei Milliarden Euro jährlich. Natürlich unterstützen auch andere Industrieländer ihre Theater, aber dass 80 und mehr Prozent der Defizite übernommen werden, das gibt es sonst nirgendwo.

Die Interessen des Publikums werden vernachlässigt

Die massive Subventionierung der deutschen Theater, die aus der Sicht der Steuerzahler schon schlimm genug ist, hat überdies zu mehreren beklagenswerten Fehlentwicklungen geführt. Zum einen haben die Theaterleitungen die Interessen und Wünsche des Publikums weitgehend aus den Augen verloren. Schließlich hängt die Existenz der Theater ja nicht von den Einspielerlösen, sondern von der Zahlungsbereitschaft der Politik ab. So hat sich bei Intendanten und sonstigem künstlerischen Leitungspersonal die Einstellung breit gemacht, es sei unfein, sich um die Wünsche und Vorlieben des Publikums zu kümmern, man mache Kunst um der Kunst willen. Kein Wunder, dass überall die Zuschauerzahlen langsam, aber kontinuierlich sinken. Zum anderen hatte man es dank üppiger Subventionen nicht nötig, sich um die Effizienz des Theaterbetriebs zu kümmern. Kostensenkende Maßnahmen, wie sie von jedem im Wettbewerb stehenden Unternehmen regelmäßig durchgeführt werden, sind in der Welt des Theaters weitgehend unbekannt. Und schließlich konnte man es sich erlauben, die Gagen für künstlerisches Spitzenpersonal in immer neue Höhen zu treiben, die öffentliche Hand finanziert es ja schließlich.

Die hohe Subventionierung der Theater lässt sich ökonomisch nicht begründen

Da fragt man sich doch als naiver Steuerzahler, warum die Städte bzw. Bundesländer als Finanziers des Theaterbereichs dieses Spiel mitspielen und über die geschilderten Fehlentwicklungen hinwegsehen. Nun, die Theaterlobby ist stark und treibt in Verbindung mit den Medien die Kulturpolitik vor sich her. Kein Politiker wagt es, die Axt an die verfestigten Strukturen zu legen aus Angst, als Banause und Zerstörer der abendländischen Kultur beschimpft zu werden.

Dabei tragen die Argumente, die zur Rechtfertigung der maßlosen Subventionierung vorgetragen werden, allesamt nicht weit. Es liegt kein Marktversagen vor, welches die öffentliche Hand zu korrigieren hätte. Denn schließlich gibt es auch freie Theater in Deutschland, die sich am Markt behaupten und von ihren Einspielerlösen leben können. Auch gibt es eine Reihe von Nationen, in denen eine blühende Theaterszene gar nicht oder nur in geringem Umfang mit Steuergeldern unterstützt wird.

Ferner beweisen die kommerziellen Erfolge von Musicals und Rockkonzerten, dass man auch in Deutschland mit professionellen Musikdarbietungen gutes Geld verdienen kann. Letztlich bleiben als Begründungen für die Subventionierung der öffentlichen Theater nur die langjährige Fördertradition und die Angst vor Arbeitsplatz- und Attraktivitätsverlusten der betroffenen Städte.

Die öffentlich finanzierten Theater gehen einer ungewissen Zukunft entgegen

Entgegen aller Unkenrufe der Theaterlobby ist es in den letzten Jahren nicht zu dem befürchteten Theatersterben in Deutschland gekommen. Nur in den neuen Bundesländern, wo die Bevölkerung dramatisch schrumpft, hat es Schließungen bzw. Zusammenfassungen von Theatern gegeben. Die derzeit stabile Situation dürfte allerdings nicht von Dauer sein. Sie ist weitgehend dem hohen Steueraufkommen der öffentlichen Hand geschuldet, das viele Problemfelder überdeckt. Allerdings steht zu erwarten, dass die Finanzierung der öffentlichen Theater bei der nächsten Finanzkrise ein wichtiges Thema werden wird. Denn allmählich schwindet der Einfluss der Theaterlobby auf die Politik und die Bedeutung des theaterinteressierten Bildungsbürgertums nimmt ab.

Angesichts dieser Entwicklungen gehen die öffentlich finanzierten Theater in Deutschland einer ungewissen Zukunft entgegen. Um langfristig zu überleben, müssen sie ihre Einnahmen deutlich erhöhen, indem sie sich endlich stärker an den Wünschen des zahlenden Publikums orientieren. Auch müssen sie ihre Abläufe effizienter organisieren und viel stärker als derzeit miteinander kooperieren, um Kosten zu senken. Dass dies alles möglich ist, zeigen Beispiele aus mehreren Nachbarländern, die solche Reformen bereits mit Erfolg vollzogen haben. Nur wenn dieser Weg konsequent beschritten wird, liebe Leserinnen und Leser, haben die öffentlich finanzierten Theater in Deutschland eine Zukunft. Darauf hofft unverdrossen

Ihr
Gotthilf Steuerzahler (freitum)

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In Münster/Westfalen z.B. wurde das städtische Theater in der Spielzeit 2011/12 mit knapp 19 Mio. Euro subventioniert.  Auf jedem Münsteraner entfallen somit ca. 68 Euro. Die Besucherzahl während dieser Spielzeit lag bei etwa 195.000. Jede Eintrittskarte wird mit rund 100 Euro subventioniert. Zu diesem Artikel gab es auch einen Leserbrief, der meines Wissens nicht veröffentlicht wurde. Hier der Leserbrief:

 

23. Mai 2012
Hallo Herr Anger,
Leserbrief zu dem Thema:Theater steht Wasser bis zum Hals
Stellen Sie sich mal vor, man würde ähnlich wie im Fall Hindenburgplatz eine
Bürgerbefragung mit der folgenden Frage durchführen: „Darf die Stadt Münster jede
Eintrittskarte der städtischen Bühnen Münster mit 100 Euro aus Steuermitteln subventionieren?“.
Diese Frage erscheint Ihnen absonderlich?
Ist sie aber leider nicht: Im Schnitt kassieren die städtischen Bühnen ca. € 13,34 pro Besucher, (Spielzeit 2009/2010 ca. 183.800 Besuchern bei Umsatzerlösen von € 2.453.373,65 lt. Bilanz). Lt. Bürgerhaushalt (Produktgruppe 0407)
subventioniert die Stadt die städtischen Bühnen in der aktuellen Spielzeit mit € 18.964.300.
Bei etwa gleichbleibenden Besucherzahlen wie im Vorjahr (195.840) errechnet sich eine Beihilfe von ca. 96,80 € pro Eintrittskarte (wohlgemerkt vor der neuen Tarifrunde). Ein kostendeckender Eintrittspreis läge also € 110 pro Person.
Als Steuerzahler finde ich es da durchaus angebracht, wenn die Kulturpolitiker über die Schliessung des Kleinen Hauses
diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen

 

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