Streit um das gigantische Anleihenkaufprogramm der EZB: Brüssel tritt die deutsche Verfassung mit Füßen – die sparende deutsche Mittelklasse ist der Hauptverlierer

von Joachim Jahnke

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1. Das gigantische Anleihenkaufprogramm der EZB

Die EZB hat 2012 unter Mario Draghi und mit einer Mehrheit der Krisenländer plus Frankreich im Vorstand („ClubMed“) gegen den Widerstand der Bundesbank ein Riesenprogramm von Aufkäufen von Staatsanleihen und später auch Unternehmensanleihen im Gesamtwert von 2,7 Billionen Euro beschlossen (OMT-Programm). Die Staatsanleihen durfte sie nicht den Regierungen direkt abkaufen und hat sie daher bei den Banken erworben, die sie ihrerseits von den Regierungen gekauft hatten, also ein ziemlich durchsichtiges Geschäft. Praktisch war es eine der EZB eigentlich verbotene Finanzierung von Regierungen, vor allem der italienischen. Die konnte sich damit weiter verschulden und mußte wegen der EZB-Käufe ihrer Anleihen auch weit weniger Zinsen zahlen, als sie es sonst an den Kapitalmärkten hätte tun müssen. Das Risiko für den Ausfall solcher von der EZB gekauften Anleihen lag voll bei der EZB und damit bei ihren Gesellschaftern, von denen Deutschland der weitaus größte ist.

Noch vor seinem Abgang setzte Dragi die Wiederaufnahme des bereits eingestellten Kaufes von Staatsanleihen gegen den Widerstand von 10 der 22 Mitglieder im EZB-Rat durch. Ab November 2019 werden monatlich weitere 20 Milliarden Euro in solche Wertpapiere gesteckt. Die Politik der EZB führt vor allem in Deutschland zu erheblichen sozialen Verwerfungen, weil sie die Vermögenswerte der Vermögenden, vor allem Aktiendepots und Immobilien, immer höher treibt. Auf der anderen Seite verlieren, vor allem in Deutschland, die ärmeren Sparer und sehr viele Menschen aus der Mittelschicht, die sich mit ihren kleinen Mitteln nicht an die Börse trauen können und daher auf ihren Sparkonten und Versicherungen kaum noch Erträge finden und oft real Verluste kassieren, oder die ärmeren Menschen, die zur Miete wohnen müssen, weil sie sich eigenen Wohnraum nicht leisten können und nun unter stark steigenden Mieten leiden.

2. Die Inflation kommt wie lange nicht mehr, der Zins der EZB wird real immer negativer

Auch hat die EZB mit dem Aufkauf von bisher etwa 30 % aller am Markt befindlichen Bundesanleihen, die vor allem bei deutschen Sparern beliebt sind, deren Rendite seit Mitte 2016 tief in real negatives Territorium gedrückt (Abb. 21235) und so die Sparer zunehmend geschädigt. Wer jetzt eine 10-Jahres-Bundesanleihe im Wert von 1.000 Euro kauft und – weil er die Sicherheit von Bundesanleihen liebt – bis zum Ablauf hält, verliert, wenn die Inflation so bleibt, jedes Jahr 27,70 Euro (nominaler Zins von -0,269 und Inflation von 2,5 %) und damit insgesamt 277 Euro oder 28 % seines Einsatzes, wahrscheinlich aber noch mehr, weil die Inflation weiter zunehmen wird. Er täte also gut, sie gleich wieder zu verkaufen und auf höhere Renditen zu warten, die bei Einstellung des EZB-Aufkaufs zu erwarten sind.

 

 

Außerdem hält die EZB den Zins weiter im real negativen Bereich, obwohl die Inflationsrate schon seit einem halben Jahr ständig steigt und inzwischen bei 2,5 % für Verbraucherpreise (der höchste Stand seit fast 10 Jahren, besonders bei Lebensmitteln, Abb. 21230) und 9,7 % für Großhandelspreise (Abb. 21334) angekommen ist und die Großhandelspreise so stark steigen wie seit 13 Jahren nicht mehr. Prognosen für die Einzelhandelspreise im Herbst gehen schon auf 4 %, angesicht der gigantischen Geldschöpfung von EZB und Bundesregierung sehr wahrscheinlich (das Bundeswirtschaftsministerium rechnet für die zweite Jahreshälfte schon mit 3 %). Mit dem niedrigen Zins treibt die EZB die Inflation weiter nach oben, was vor allem den Lohnabhängigen und Rentnern schadet. Besonders die Sparer leiden unter dem real immer negativeren Zins der EZB, der schon vor 11 Jahren in den real negativen Bereich abgestiegen ist (Abb. 19675).

 

 

 

 

 

 

3. Die EZB gießt noch mehr Öl ins Feuer: 46-mal zum Mond

Insgesamt hat die EZB die Liquidität von der elektronischen Druckmaschine auf bisher 7,7 Billionen Euro und damit so aufgeblasen, daß ein Turm von 1-Euro-Münzen 46-mal bis zum Mond reichen würde. Allein seit März 2020 sind weitere 3 Billionen Euro hinzugekommen oder etwa so viel, wie die gesamte deutsche Volkswirtschaft in einem Jahr produziert (Abb. 16572). Gerade hat die EZB beschlossen, trotz der steigenden Inflation den Kauf fortzusetzen. Christine Lagarde, hält trotz der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung die Zeit noch nicht reif für eine Diskussion über das Ende der Krisen-Anleihenkäufe.

 

 

Man muß die Politik der EZB bezogen auf Deutschland eine „Riesen-Schweinerei“ nennen. Erst klaut sie den Sparern den Zins, dann hetzt sie ihnen die Inflation an den Hals.

4. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) war schon vor sechs Jahren von deutschen Klägern angerufen worden, um die Vereinbarkeit des OMT-Programms mit der deutschen Verfassung zu prüfen. Aus Respekt vor den Institutionen der Eurozone holte die Bundesbank zunächst die Meinung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ein. Doch dieser hielt das Programm im Dezember 2018 – nicht überraschend, da die meisten Richter ebenfalls aus dem „ClubMed“ kommen – für voll durch europäisches Recht gedeckt. Das BVerfG hat dann im Mai 2020 seine Entscheidung getroffen. Danach verstößt der OMT mit seinem Teil für den Aufkauf von Staatsanleihen gegen das Grundgesetz. Die Beschwerdeführer seien in ihren Grundrechten verletzt worden. Die EZB hätte weder geprüft noch dargelegt, daß die Maßnahmen verhältnismäßig seien. Bundesregierung und Deutscher Bundestag seien aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet, der bisherigen Handhabung entgegenzutreten. In diesem Zusammenhang erklärte das Bundesverfassungsgericht das Urteil des EuGHs für willkürlich und damit für das Bundesverfassungsgericht nicht bindend.

Nach dem Austritt der immer wieder über die Machtbesessenheit der EU-Kommission nörgelnden Britten und gedeckt von einer in der Kanzlerdämmerung steckenden deutschen Bundeskanzlerin versucht Brüssel, nun auch gegenüber unserer Verfassung Muskeln zu zeigen. Dabei tritt die EU-Kommission, die nie demokratisch gewählt, sondern immer nur von den Regierungen in Hinterzimmern ausgekungelt wurde, erstmals gegen die deutsche Verfassung und seine Interpretation durch das BVerfG an. Sie hält Deutschland eine „Verletzung fundamentaler Prinzipien des EU-Rechts“ vor und hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Deutschland müsse die letzte Entscheidung des EuGHs anerkennen, auch wenn das BVerfG anderer Auffassung sei.

Das BVerfG ist nach unserer Verfassung total unabhängig. Erwartet Brüssel bei dieser Lage wirklich, daß der Bundestag die deutsche Verfassung ändert und damit dem BVerfG die Grundlage seiner Entscheidung entzieht? Etwa indem im Grundgesetz eine klare Unterordnung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit unter Entscheidungen des EuGHs bestimmt und so die Unabhängigkeit des BVerfG beseitigt wird? Das wäre schon juristisch ein Irrsinn. Denn während die Richter des BVerG mit Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat demokratisch gewählt werden, werden Richter am EuGH lediglich durch Einvernehmen der Regierungen im Ergebnis eines Hinterzimmerprozesses benannt. Das Europäische Parlament ist nicht an deren Wahl beteiligt. Eine demokratische Legitimierung der Zusammensetzung des EuGHs fehlt also.

5. Die undemokratischen und manipulativen Strukturen von EZB, EuGH und EU-Kommission

Die politische Machtverteilung im EuGH sieht ähnlich wie in der EZB aus, und Deutschland stellt dort nur einen unter 27 Richtern. So hat die Machtverteilung in der EZB wie im EuGH nichts mit der Bevölkerungszahl und daher wenig mit Demokratie zu tun. Pro Kopf haben Deutsche dramatisch weniger Einfluß als Menschen aus Malta oder Zypern. Man könne hinzufügen: Auch die EU-Kommission selbst ist das undemokratische Produkt von Verhandlungen der Regierungen in Hinterzimmern. Nicht das EU-Parlament hat von der Leyen als Präsidentin der Kommission vorgeschlagen, sondern die Regierungen haben das nach Absprache zwischen Macron und Merkel entschieden. Dabei hat Macron gleichzeitig mit Christine Lagarde eine Französin an der Spitze der EZB durchgesetzt und so sich und den französischen Banken auch eine Fortsetzung von Draghis Niedrigzinspolitik garantiert sowie die Fortsetzung des gigantischen Anleihekaufprogramms zugunsten der Schwachwirtschaftsländer, vor allem Italiens, durchgesetzt, an der sich das BVerfG stößt.

Soll nun auch noch das BVerG diesem undemokratischen und manipulativen Machtkomplex aus EZB, EuGH und EU-Kommission weichen? Es wird höchste Zeit, daß sich die Bundesregierung hinter die deutsche Verfassung und deren höchstes Gericht stellt, und die EU-fanatischen deutschen Medien endlich begreifen, was für ein Wahnsinn hier läuft.

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