Steuersünder?

von Gert Flegelskamp

Erneut beschäftigt die Presse das Problem eines prominenten „Steuersünders“. Die Steuer zu hinterziehen oder den Staat um die Steuer zu betrügen scheint eine Art religiöser Akt zu sein, wie sonst ist der Begriff „Steuersünder“ zu erklären? Für mich sind das keine Sünder, sondern einfach Betrüger. Dieses Mal hat man den Moralprediger Uli Hoeneß im Visier, dessen Selbstanzeige publik geworden ist.

Dabei kursieren Beträge im Netz und teilweise auch in der Presse, bei denen einem schwindlig werden kann. So soll eine bayrische Zeitung von Beträgen so um die 500 Millionen gesprochen haben. Man fragt sich natürlich, wie ein ehemaliger Fußballspieler und jetziger Vereinspräsident und Vorsitzender im Aufsichtsrat des Münchner FC Bayern überhaupt zu solchen Summen gekommen sein kann. Na ja, nebenbei ist er Inhaber bzw. Teilhaber einer Wurstfabrik, die auch große Konzerne beliefert, so z. B. ALDI.

Lassen wir aber mal die Höhe der Beträge, um die es hier geht, außeracht. Die Frage ist, warum Leute, die locker ihre Steuern zahlen könnten, ohne dass ihr Lebensstandard darunter leiden würde, überhaupt auf die Idee kommen, Steuern zu hinterziehen und damit eine kriminelle Handlung zu begehen, die ihre Reputation erheblich schädigt, wenn es rauskommt.

Dazu ist vielleicht anzumerken, dass Steuerhinterziehung eine Art Volkssport ist, wobei Otto Normalverbraucher allerdings nur wenig Gelegenheit hat, weil seine Abschreibungsmöglichkeiten sehr begrenzt sind. Früher hat er vielleicht ein wenig bei den Angaben über den Weg zur Arbeit ein wenig gemogelt, doch das kann er sich heute auch nicht mehr erlauben, denn wenn er einen kritischen Finanzbeamten vor sich hat, der diese Angaben überprüft, fällt jede Mogelei sofort auf. Dazu genügt bereits eine kleine Routenberechnung bei Google-Maps und der Finanzbeamte bekommt für jede mögliche Route genaue Angaben über die Kilometer geliefert.

In den Kommentaren zum Fall Hoeneß gibt es sie natürlich, die Kommentatoren, die Verständnis aufbringen, weil ja der Staat den Bürgern derartig hohe Steuern abverlangt, dass Steuerhinterziehung der einzige Weg zu sein scheint, sich davor zu schützen, dem Staat sein ganzes Geld in den Rachen zu werfen. Bei ein wenig Überlegung könnten auch diese Kommentatoren darauf kommen, dass die Steuern durchaus niedriger sein könnten, wenn es nicht so viele Großbetrüger in Sachen Steuern gäbe. Außerdem ist der Steueranteil des Kapitals in Deutschland durchaus relativ niedrig, wenn man Vergleiche mit anderen westlichen Staaten betreibt.

Ich denke, dass Steuerhinterziehung bisher in den meisten Fällen ungeahndet geblieben ist, weil Väterchen Staat den „Steuersündern“ gegenüber ziemlich nachsichtig gewesen ist, vor allem dann, wenn dafür gelegentliche Parteispenden den Besitzer wechselten und mitunter genau so illegal gebunkert wurde, wie es der edle Spender am Fiskus vorbei geschleust hatte.

Meiner Kenntnis nach ist Deutschland auch das einzige Land, in welchem Steuerhinterziehern die Möglichkeit zur Selbstanzeige (§ 153 Abgabeordnung) gegeben und dabei Straffreiheit gewährt wird. Nicht mehr gültig ist dieser Schritt nach § 371 AO, wenn der Fiskus vor der Selbstanzeige schon (offiziell) Kenntnis über die Steuerhinterziehung erlangt.

Ich denke, in zu vielen Köpfen wird Steuerhinterziehung noch als Kavaliersdelikt angesehen. Aber das ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine klare Schädigung der Allgemeinheit, die letztendlich dafür mehr Steuern zahlen muss.

Was mich am Fall Hoeneß wundert, ist die Veröffentlichung, denn im Normalfall wird nicht bekannt, wenn jemand Selbstanzeige eingereicht hat, wer dieser Jemand ist. Ich denke, seine Selbstanzeige steht im Zusammenhang mit dem letzten Ankauf eine CD durch mehrere Bundesländer. Auch als das durch die Presse ging, waren die Leserkommentare geteilt. Ein Teil der Leser fand das richtig, ein anderer Teil sah den Rechtsstaat in Gefahr, wenn deutsche Behörden Hehlerware kaufen. Nun, ich gehöre zum ersten Teil, finde den Ankauf also richtig. Außerdem widerspreche ich der Meinung, das sei Hehlerware. Hehlerware ist, wenn gestohlene Waren verkauft werden, also jemandem etwas gestohlen wurde und dann von einem Hehler weiter verkauft wird. Aber die Daten wurden ja nicht gestohlen, sondern lediglich kopiert und es sind Daten von Straftätern. Es ist ein durchaus übliches Verfahren bei der Ermittlung von Straftaten, auch V-Leute einzusetzen, die teils aus der Scene sind und für ihre Kooperation mit den Strafbehörden für kleinere Vergehen Straffreiheit oder zumindest Strafminderung zugesichert bekommen. Wie diese V-Leute an die für die Strafbehörden wichtigen Informationen kommen, ist dem Staat in der Regel egal, Hauptsache, man erhält die Informationen. Nichts anderes ist das hier. Da werden dem Staat Deutschland Daten angeboten, die Informationen über Steuerhinterzieher enthalten und man fragt nicht lange, wie sich die Anbieter diese Daten beschafft haben. Dass die Banken, deren Daten kopiert wurden, in den meisten Fällen durchaus wussten, dass diese Konten nicht legal waren, macht sie zu Mittätern einer Straftat. Somit sind die Anbieter dieser Steuerdaten eigentlich eine Art V-Leute für die deutschen Strafbehörden.

Für Hoeneß wird der Fall zu einem Absturz führen, was seine Pöstchen angeht, aber er wird keine Not leiden müssen und muss auch seinen Lebensstil nicht ändern. Und wir wissen alle, das Gedächtnis der Menschen ist relativ kurz. Es wird schnell Gras über die Sache wachsen und bald schwimmt er wieder oben, wie alle Fettaugen.

Quelle: flegelskamp

 

(Visited 8 times, 1 visits today)
Steuersünder?
0 Stimmen, 0.00 durchschnittliche Bewertung (0% Ergebnis)

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*