Statistik

von Gert Flegelskamp

Seit die Statistik dank elektronischer Hilfe einen ungeheuren Aufschwung erlebte, bekommen wir für alles statistische Beweise geliefert. Für die Politik und die Wirtschaft liefert das statistische Bundesamt und vermehrt auch Überregionale Organisationen wie z. B. die OECD eine Unmenge an Informationen, die mit Statistiken unterlegt werden.

Den Wert von Statistiken zu hinterfragen oder gar anzuzweifeln, kommt eine Majestätsbeleidigung gleich, oder noch schlimmer, einer Gotteslästerung. Schließlich ist es eine alte Weisheit, dass Zahlen nicht lügen. Das muss sogar ich anerkennen. Es sind auch nicht die Zahlen, die lügen, sondern die Art ihrer Anwendung und damit lande ich wieder bei der Statistik. Mit Statistiken kann man Märchen verbreiten und diese scheinbar wahrheitsgemäß mit Zahlen unterlegen. Deutlich wird das mit statistischen Zahlen der Bundesbank, die uns vorrechnet, wie reich wir doch sind. Die WELT bringt das unter der Überschrift: „Beamte können über Rentner-Vermögen lachen“. Graphisch und mit statistischem Zahlenmaterial unterlegt macht die Bundesbank da klar, dass jeder Rentner im Durchschnitt über ein Vermögen von 186.000 € verfügt, Pensionäre hingegen über ein Vermögen von 420.000 €.

Diese Statistik beweist mir, dass ich schon an Alzheimer leiden muss, denn ich habe nicht die geringste Idee, wo ich meine 186.000 € abgelegt habe. In der Wohnung sind sie nicht, die habe ich schon auf den Kopf gestellt und auch auf der Bank ist das Geld nicht. Ich denke, den meisten Rentnern geht es so wie mir, sie können in der Presse von ihrem Reichtum lesen, ohne ihn zu besitzen. Dann tauchen Begriffe wie der Median (Mittelwert) auf, mit denen man auch nicht viel anfangen kann, wenn man nicht das gesamte Zahlenwerk und vor allem dessen Herkunft kennt. Die Herkunft, das liest man dann ziemlich am Schluss des Artikels, ist eine Studie, die im Auftrag der EZB gemacht wurde. Nun haben Studien aus meiner Sicht einen kleinen Schönheitsfehler. Man befragt einige Leute und rechnet dann das Ergebnis hoch. Wenn ich also 1.000 Leute befrage und deren Antworten auf 80 Millionen hochrechne, als würden die Antworten der Befragten 1 zu 1 für jeden Bürger gelten, dann kann ich schon alleine durch die Wahl der Befragten ein Studienergebnis vorlegen, das meiner Wunschhaltung entspricht. Da solche Befragungen außerdem in den so genannten Multiple Choice-Verfahren erfolgen, kann ich weiteren Einfluss auf das Ergebnis durch die Fragestellung und die Auswahlstellung der möglichen Antworten nehmen.

Ein praktisches Beispiel, eine Umfrage der WELT in einem Kommentar zum Artikel. Dort lautet die generelle Frage: „Sind Vermögen in Deutschland gerecht verteilt?“

3 mögliche Antworten kann man ankreuzen:

  1. Ja, die Vermögen entsprechen der jeweiligen Leistung des Einzelnen.
  2. Nein, die oberen Einkommensschichten müssen zu viel abgeben.
  3. Nein, die unteren Einkommensschichten haben keine Chance, Vermögen aufzubauen.

Bei 1.386 abgegebenen Stimmen stimmten sich 22% für Antwort 1, 11% für Antwort 2 und 67% für Antwort 3 (Stand zum Zeitpunkt des Lesens). Sind diese Prozentzahlen nun repräsentativ für alle 80 Millionen Einwohner und decken die Fragen wirklich alle Fragen zum Thema Vermögen ab?

Was ist Vermögen überhaupt? Klar, wenn ich Geld auf der Bank habe, ist dieses Geld Vermögen. Wenn ich Aktien oder sonstige Wertpapiere habe, ist auch das Vermögen. Aber einen Augenblick, stimmt das überhaupt? Das Geld auf der Bank oder die Wertpapiere sind doch eigentlich kein Vermögen, sondern nur das Versprechen, den jeweiligen Gegenwert jederzeit in andere Werte tauschen zu können. Dass das Geld als gesetzliches Zahlungsmittel einem ständigen Werteschwund unterliegt (Inflation), das sind wir ja gewohnt. Bei den Wertpapieren haben viele Leute in der letzten Bankenkrise lernen müssen, dass sich diese Papierchen nahezu in Luft auflösen können. Und Aktien sind ebenfalls einem ständigen Wertewandel unterworfen. Was zum Teufel ist dann „Vermögen“ überhaupt. Klar, wenn ich mir ein Haus gebaut habe und auch das erforderliche Grundstück mir gehört, dann besitze ich etwas von bleibendem Wert. Für dieses Haus hat der Hausbesitzer zuerst Geld angespart und den Rest dann mit Krediten finanziert. Für die Banken war das ein gutes Geschäft, aber auch der spätere Eigenheimbesitzer konnte einige Vorteile in Anspruch nehmen. Ab dem Bezug des Hauses wohnte er mietfrei. Statt Miete musste er allerdings dann monatlich die Kreditkosten (Tilgung und Zinsen) aufbringen. Aber nicht alleine. Über einen bestimmten Zeitraum konnte er die Kreditzinsen steuerlich geltend machen, was vor allem für Gutverdiener durchaus lukrativ war. Wer also ein Haus besitzt, nennt schon ein Vermögen sein eigen. Beamte waren bei der Anschaffung eines eigenen Hauses dabei sicherlich im Vorteil, nicht nur wegen der Unkündbarkeit, sondern auch, weil sie vom Staat vergünstigte und teilweise sogar zinslose Kredite bekamen (natürlich nicht über die gesamte Kreditsumme).

Ich gehe mal davon aus, dass der prozentuale Anteil der Hausbesitzer bei Beamten höher ist, als bei der übrigen Bevölkerung und das natürlich zu einer höheren Bewertung der Vermögen von Beamten führt. Aber Deutschland ist das am dichtesten besiedelte Land Europas (ich klammere da mal die Stadtstaaten aus) und vor allem in Ballungsgebieten ist es für die meisten nahezu unerschwinglich, dort zu bauen, weil die Grundstückspreise in schwindelnde Höhen getrieben wurden. Wer also frühzeitig gebaut hat, als die Grundstücke noch bezahlbar waren, besitzt einen weiteren Vermögenswert, das Grundstück, auf dem das Haus steht.

Und nun betrachten wir das Ganze mal statistisch. Da hat ein Mensch in München ein Haus und ein anderer in Niedersachsen im ländlichen Bereich. Beide Häuser haben die gleiche Wohnfläche und Grundstücksgröße. Da aber die Grundstückspreise und auch die Mieten im Verhältnis gesehen in München astronomisch und im ländlichen Bereich in Niedersachsen eher unterirdisch sind, ist der Münchner statistisch gesehen ein vermögender Mensch, der in Niedersachsen liegt aber eher unter dem Durchschnitt. So rechnet die Statistik Vermögen vor, die nicht wirklich existent sind, sich aber vor allem im Wahljahr gut machen.

Schauen wir auf eine weitere Vermögensstatistik, die im Focus veröffentlicht wurde. In dieser Statistik blieben lt. Focus die Immobilien, Luxusautos oder Kunstschätze dieser statistischen Erhebung durch die Capgemini-Beratungsgesellschaft und die Royal-Bank of Kanada unberücksichtigt. Es wurde also nur das Anlagevermögen betrachtet. Danach gibt es in Deutschland über eine Million Millionäre, Vermögensmillionäre, versteht sich. Nun werte ich das mal statistisch im Sinne der Bundesbank aus. Eine Million Millionäre bedeutet ein Anlagevermögen für Gesamtdeutschland von mehr als 1 Billion Dollar (die Vermögen wurden in Dollar berechnet). Teile ich diese Billion durch die 80 Millionen Einwohner des Landes, dann hat statistisch gesehen jeder Einwohner, vom Säugling bis zum Greis, ein Vermögen von 12.500 Dollar. Das Problem ist, kein Mensch kann von statistischen Vermögenswerten leben. Hätte man zusätzlich in dieser Statistik auch noch das Gesamtvermögen dieser Millionäre angegeben, wäre das durchschnittliche Vermögen Deutscher noch erheblich höher, denn es gibt sie ja, die Millionäre, deren Vermögen nicht bei einer Million geblieben ist, die im Gegenteil sogar Vermögen von bis zu etlichen Milliarden haben.

Lt. Focus gibt es dabei ein Ranking und Deutschland liegt in diesem Ranking auf Platz 3 der Länder mit den meisten Millionären. Nur noch Japan (Platz 2) und die USA (Platz 1) liegen vor Deutschland.

Schon wieder eine statistische Aussage, welche die Wirklichkeit verfälscht. Würde man nämlich die Zahl der Millionäre nicht auf Landesebene, sondern aufgrund der Bevölkerungszahlen angeben, ergäbe sich ein völlig anderes Bild. Lt. IWF haben die USA 2013 insgesamt 316,85 Millionen Einwohner, davon sind 3.436 Millionäre. Deutschland mit nur 80 Millionen Einwohnern hat 1015 Millionäre. Hochgerechnet auf die Einwohnerzahl Amerikas wären das 4.020 Millionäre und die Schweiz mit gerade mal 8,05 Millionen Einwohnern, aber 282 Millionären läge weit vor den USA und vor Deutschland und Japan mit 127,34 Millionen Einwohnern und 1.902 Millionären läge ebenfalls vor den USA.

Statistiken, die sich auf Staaten und Menschen beziehen, dienen nicht der Darstellung einer realen Situation, sondern sollen die Wirklichkeit verfälschen. Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das für den Einkauf für die Fertigung statistisch errechnet hat, wie viele Schrauben es in einem bestimmten Zeitrahmen verbraucht. Welchen Sinn hätte diese Statistik, wenn sie nicht detailliert dabei die Stückzahlen jeder Schraubengröße berücksichtigen würde? Sie wäre absolut sinnlos, wenn im Unternehmen für die Fertigung unterschiedliche Schraubengrößen verwendet würden.

Ebenso sinnlos ist es, Statistiken wie die der Bundesbank oder auch die im Focus zu publizieren, weil sie nicht die Wirklichkeit widerspiegeln, sondern Zerrbilder. Wir kennen das vielleicht noch von Jahrmärkten, auf denen man ein Spiegelkabinett besuchen konnte. Die Spiegel warfen dem Betrachter völlig verzerrte Bilder seiner selbst entgegen. Ein solches Spiegelkabinett sind aus meiner Sicht auch die Institute, die uns zwar für alles Statistiken liefern, aber eben reine Zerrbilder der Wirklichkeit. Sie dienen den Herrschenden, den Menschen Dinge vorzugaukeln, die sie davon abhalten, zu revoltieren. Die von der WELT veröffentlichte Statistik der Bundesbank ist der pure Schwachsinn und dient einzig und alleine der Spaltung der Gesellschaft, nach dem bereits von den alten Römern erkannten System „divide et impera“.

Quelle: flegel

 

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