Soziale Spaltung in Bremen und Hintergründe der unbezahlbaren Mieten

Demokratische Eigenregie als leitendes Prinzip

Von Rodolfo Bohnenberger (nrhz)

Kaum ein Bundesland hat prozentual so viele Niedriglöhner, Langzeitarbeitslose und Hartz-IV Bezieher wie Bremen. Die Corona-Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung haben das dramatisch verschlimmert. In einigen Ortsteilen leben über 50 Prozent aller Kinder in Familien mit Hartz-IV-Bezug. Auch die seit 2019 regierende SPD/Grüne/Linke Regierungskoalition hat den Trend nicht aufgehalten. Die Zahl der registrierten Langzeitarbeitslosen in SGB II und III Bezug in Stadt Bremen stieg von April 2020 bis April 2021 um 30,3 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen Hartz-IV-Bezieher stieg um 8,2 Prozent im gleichen Zeitraum. Und gleichzeitig steigen die Mieten und verschlingen für Viele bereits 40 Prozent oder noch mehr ihres Einkommens.

Ist „sich arm Wohnen“ alternativlos? Natürlich nicht, diese Entwicklung ist das Ergebnis intensiver Lobbyarbeit der Wohnungswirtschaft über Jahrzehnte. Gegen die Interessen der Mehrheit wurden die passenden Beschlüsse in den Parlamenten gefasst. In der Stadt Bremen gilt zwar seit Ende 2015 eine sog. Mietpreisbremse, sie ist aber zahnlos. Sie greift nur bei Neuvermietungen. Dann verbietet sie auch nur Erhöhungen von mehr als zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau. In Bremen sind bis 2019 trotz Bremse die Preise bei Neuvermietungen um 19 Prozent gestiegen. Vor Mieterhöhungen im Bestand schützt sie gar nicht.

Die seit 2019 neue Koalition aus SPD/Grüne/Linke im Bremer Senat bewirbt weiterhin den Wohnungsneubau als Mittel für MEHR bezahlbare Wohnungen, aktuell auch im Wahlkampf. Große private Baufirmen (vom Bremer Senat als „Partner“ bezeichnet) freuen sich sicherlich über so eine Schleichwerbung für ihre Branche und die damit einhergehende öffentliche Subventionierung.

Erinnern wir uns: zur sicherlich notwendigen und lobenswerten Sanierung schrecklicher Bausünden der 1970er Jahre im Bremer Ortsteil Tenever (damals als Ghetto bezeichnet) wurden ca. 1/3 aller Hochhäuser dort mithilfe öffentlicher Gelder abgerissen. Dabei wurde massiv preisgünstiger Wohnraum (auch für große Familien) vernichtet, und das sei besonders betont: o h n e gleichzeitig Ersatz zu schaffen. Von 2013-2017 wurden insgesamt nur 7.132 neue Wohnungen in Bremen fertiggestellt. Für das Ziel „mehr bezahlbare Wohnungen“ brauchen wir also vordringlich eine Mieten senkende Politik im existierenden Wohnungsbestand, darunter ca. 25 Prozent in städtischem Besitz. Denn die Höhe der Mieten in Bremen ist keinem Marktgott geschuldet, sondern politisch gemacht. Dazu später mehr.

Laut Monitoring Wohnen und Bauen in Bremen 2019 (i) sind von den insgesamt 296.000 Wohnungen in Bremen ca. 172.000 (58 Prozent) Mietwohnungen. Alle Bremer Wohnungen befinden sich in 118.661 Gebäuden (Zahlen für 2018). Ca. 38 Prozent der Wohnungen, vom Appartement über das sehr verbreitete kleine Bremer Häuschen bis zur Villa im Stadtteil Oberneuland, sind vom Eigentümer selbst bewohnt.

Die behauptete Mieten senkende Wirkung der in Bremen neu gebauten Wohnungen ist ein Märchen.

Der seit Jahrzehnten betriebene Bremer Wohnungsneubau wird überwiegend bestritten von Investoren, meist Großinvestoren, wie z.B. die Zech Group und Justus Grosse. Das sind keine Wohlfahrtsorganisationen sondern nach Maximalrendite strebende private Kapitalgesellschaften. Sie bauen deshalb am liebsten Luxuswohnungen, auch „hochpreisiges Segment“ genannt, weil sich nur da so richtig „Kohle machen“ lässt: in Quartieren wie der Überseestadt, am Werdersee, im Tabakquartier, in den Weserhöfe… die Liste der geleckten „upper class“ Wohnviertel in Fahrradentfernung vom Zentrum nimmt ständig zu.

Der größte Immobilienmagnat in Bremen ist die Zech Group SE mit europaweit 11.000 Mitarbeitern und Investments in „Building, Real Estate und Hotel“; auch in der Schweiz und Österreich und aus Steuergründen mit Sitz in Luxemburg. Dass die Gustav Zech Familien-Stiftung ihren Sitz bei der TTA (Trevisa-Treuhand Anstalt) in Balzers in Liechtenstein hat, ist sicherlich nicht einer besonderen Verbundenheit mit den Bürgern in der Hansestadt Bremen geschuldet.

Der Neubau-Anteil der „städtischen“ Gesellschaften GEWOBA und BREBAU hingegen liegt laut deren Geschäftsberichten nur bei ca. 470 von den 1723 neu gebauten Wohnungen im Jahre 2019. In den anderen Jahren war es nicht viel anders. Es ist offensichtlich, dass solch ein – von Selbstlob begleitetes – Investoren-Bauprogramm nicht „mehr bezahlbare Wohnungen“ schaffen kann. Die Nettokaltmieten im Bremer Neubau liegen nun schon bei durchschnittlich 11,83 Euro, Neuvermietungen von Altbauwohnungen erreichen die 10 Euro pro qm Wohnfläche.

Weil Bremen die höchste Armutsquote hat, ist es nicht überraschend, dass es auch die höchste Mietbelastungsquote hat (d.h. überproportional viel vom Einkommen geht für’s Wohnen drauf). Die neueste Studie der Hans Böckler Stiftung vom August 2021 beweist das erneut (ii):

In Bremen Stadt müssen ca. 55 Prozent aller Haushalte mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Miete ausgeben. 30-35 Prozent der Haushalte müssen sogar mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben.

In Bremerhaven noch dramatischer: über 60 Prozent aller Haushalte müssen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Über 35 Prozent der Haushalte müssen sogar mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Folglich wohnen sich die Mieter arm – und vermieten sich die Wohnungskonzerne reich.

Die vom statistischen Landesamt ermittelten Wanderungsbewegungen zwischen Bremen Stadt und dem Bremer Umland bis 30 km Umkreis (siehe Säulendiagramm) geben ein Hinweis darauf, dass junge Familien in den sog. „Speckgürtel“ ausweichen. Junge Familien mit Kindern können sich die von Investoren gebauten Luxuswohnungen nicht leisten.

Dieser Trend wird weitergehen, denn die herrschende Wohnungspolitik im grünen Bauressort setzt auf große profitorientierte Investoren und verkauft ihnen auch noch zu Spekulationspreisen unseren kommunalen Boden, wie in der Überseestadt und auf dem St. Jürgen Krankenhausgelände (Modellprojekt „Hulsberg Viertel“) anschaulich zu beobachten.

Nötig wäre stattdessen kommunale Bodenbevorratung und die langfristige Vergabe NUR auf Erbpachtbasis, um als Kommune handlungsfähig zu bleiben.

Welche Ideen haben grüne Politiker noch so in dieser Lage? Kaum zu glauben: Mieten verteuerndes „klimaneutrales Bauen“ (iii) und eine „Wohnflächensteuer“. Liegt die Ursache etwa bei uneinsichtigen Klimaleugnern und haufenweise Egoisten, die zu viele Quadratmeter bewohnen ?

Der tieferliegende Grund für Mietsteigerungen

In Deutschland werden jährlich ca. 70 bis 80 Milliarden Euro von Banken, Hedgefonds, Kapitalanlegern wie Black Rock und Vanguard, Immobilienfonds und Versicherungen in den Immobilienmarkt gepumpt. Sechs Prozent Rendite werden für solche „Anlagen“ mindestens erwartet. Etwa ein Drittel aller Kredite in Deutschland fließen in Immobilien, nachdem die EZB zusammen mit den Privatbanken Billionen Euro zu Null Prozent Zinsen aus dem Nichts geschöpft und in die „Finanzmärkte“ gepumpt hat.

Dieses billige Geld sucht rentable und sichere Anlageobjekte in „Betongold“. Das nach sicherer profitabler Verwertung drängende Kapital strebt besonders in leistungslos zu erzielende Bodenrenten (iv); auch Bodenspekulation genannt. Die elementare Daseinsvorsorge von Wohnraum für Millionen Menschen kann nur gelingen, wenn sie sich von diesem kapitalistischen Prinzip verabschiedet.

Die Renditen der Konzerne Deutsche Wohnen, Vonovia, LEG, Adler Real Estate, Grand City Properties usw. werden absurderweise staatlich garantiert. Dies Subventionsmaschine wird gern verheimlicht. Ein großer Teil der Mietverhältnisse kann von den Mietern nur gehalten werden, weil staatliche Subventionierung („Kosten der Unterkunft“ KdU und Wohngeld) in Höhe von bundesweit ca. 20 Milliarden Euro jährlich als „durchlaufender Posten“ über die Mieter den Wohnungseigentümern zufließt – eine riesige Bereicherungsmaschine für Investoren auf Staatskosten.

Wären 20 Milliarden jährlich in den letzten 30 Jahren in die „Objektförderung“ gegangen, also z.B. in die Rekommunalisierung von Wohnungsbeständen und in öffentliche Bauprojekte in öffentlicher Trägerschaft, könnten wir die Subjektförderung (v) deutlich abbauen. Das ginge aber nur gegen den Einfluss der Lobbyisten der Wohnungswirtschaft.

KdU (volle Übernahme der Wohnkosten in Hartz IV) und Wohngeld (vi) (Zuschüsse über bestimmten knappen Einkommensgrenzen) sieht zwar wie Wohlfahrt aus, aber auf vertrackte Weise werden damit hohe Miet- und Energiepreise privater Konzerne erst realisierbar. In Bremen Stadt können ein Großteil der ca. 60.000 Hartz IV-Haushalte ihre Mieten im unteren Preissegment nur noch noch über diese KdU bezahlen. Es entstehen ganze Ortsteile mit häufigem KdU-Bezug (vii).

Die Zahl der Haushalte, die Wohngeld beantragen müssen, stieg in Bremen um 12,2 Prozent von 4389 in 2019 auf 4935 in 2020 (WK 17.08.2021).

Die Wohnungswirtschaft beschwört in ihren Hochglanzbroschüren den freien Markt, das ist zynisch. (viii) Der Bundesanteil dieser leistungslosen Geldmaschine KdU stieg auf ca. 3/4 (siehe Schaubild) (ix). Welchem Landesfinanzminister können wir es nun verdenken, dass er kostenintensive kommunale Wohnungspolitik in Eigenregie für fiskalisch unrentabel hält?

Unser Gemeinwesen kommt seiner gesellschaftlichen Aufgabe nicht mehr nach (x), leistbare, kommunale und genossenschaftliche Mietwohnungen für die Bürger in Eigenregie vorzuhalten. In Wien ist sei 100 Jahren zu besichtigen, dass eine Kommune sehr wohl in Kooperation mit Genossenschaften preisgünstiges städtisches Wohnen im Stadtzentrum gewährleisten kann. Die Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit (xi) durch CDU/FDP 1989 hat in Deutschland eine Negativspirale in Gang gesetzt. In Bremen sank die Zahl der Sozialwohnungen von ca. 90.000 auf ca. 8.000.

Die großen Privatisierungswellen kommunaler Unternehmen in Bremen in den drei Legislaturperioden der großen Koalition SPD/CDU von 1995-2007 waren ein kommunalpolitisches Desaster. Damals landeten z.B. die großen Wohnungsbestände der ehemals kommunalen Wohnungsgesellschaft „Bremische“ über Umwege bei der VONOVIA (jetzt 11.300 Wohnungen in Bremen).

Die ehemals kommunalen Stadtwerke Bremen (SWB) landeten bei der EWE AG. Die EWE, in Bremen nun ein Monopolist in der Strom-, Gas- und Wasserversorgung, gehört seit 2019 zu 26 Prozent ARDIAN, ein dem AXA Konzern nahestehender französischer Private Equity Kapitalanleger.

Das ist wirklich eine „Feine Gesellschaft“, denen SPD und CDU unsere Grundversorgung auf Jahrzehnte ausgeliefert hat.

Das Land Bremen hat drei Wohnungsunternehmen, die sich als „städtisch“ bezeichnen.

  • Die GEWOBA mit 42.325 Mietwohnungen (incl. Bremerhaven) ist eine Aktiengesellschaft zu 75,1 Prozent in kommunalem Besitz, und 24,9 Prozent in Bankenbesitz. „Bei den Geschäftszahlen konnte die Wohnungsgesellschaft an das Vorjahr anschließen. Sie erwirtschaftete einen Gewinn in Höhe von 29,5 Millionen Euro gegenüber 29,1 Millionen Euro im Vorjahr. 13,7 Millionen Euro davon wandern in die Rücklagen, knapp 15,8 Millionen Euro gehen als Dividende an die Anteilseigner. Entsprechend bekommt die Stadt Bremen, die 75,1 Prozent der Anteile hält, mehr als 11,8 Millionen Euro, die Sparkasse Bremen mit ihren 21,7 Prozent der Anteile mehr als 3,4 Millionen Euro sowie die Elbe-Weser-Sparkasse mit 3,2 Prozent mehr als 500.000 Euro.“ (Weserkurier vom 13.05.2020)
  • Die BREBAU – eine GmbH mit ca. 6000 Wohnungen vorwiegend in Stadt Bremen, zu 100 Prozent in kommunalem Besitz
  • Die STÄWOG eine GmbH in Bremerhaven mit ca. 5.000 Wohnungen

[Auf die sehr verschieden konstruierten Genossenschaften mit zusammen ca. 13.000 Wohnungen im Land Bremen kann in diesem Beitrag nicht eingegangen werden: GEWOSIE, Espabau, WGS Bremen, Beamten-Wohnungsverein, Wohnungsgenossenschaft, Vereinigte Bau- und Siedlungsgenossenschaft]





Die etablierten Parteien entsenden gut bezahlte Vertreter in die Vorstände dieser „städtischen“ Unternehmen, die ca. 25 Prozent der Mietwohnungen in Bremen ihr eigen nennen; das ist eine Größenordnung die durchaus preissenkende Wirkung entfalten könnte, also zu wirklich zu bezahlbaren Wohnungen für Bremer Bürger mit niedrigeren Einkommen. Hier müssten Mieterhöhungen doch TABU sein?

Aber weit gefehlt: Das Mietniveau liegt (von den ca. 8.000 sozial geförderten Wohnungen abgesehen) zwar etwas niedriger, aber hier kommt es trotzdem zu Erhöhungen der Nettokaltmieten, die teilweise durchaus vergleichbar sind mit den Erhöhungen bei privaten Wohnungsunternehmen.

Die BREBAU wird zudem benutzt, um die Teilprivatisierung von Schulen und KiTas (xii) in Bremen voranzutreiben, von der gesamten Landesregierung inzwischen so gewollt; ein Tabubruch mit alten sozialdemokratischen Traditionen. Ein schleichender Ausverkauf Bremer Einrichtungen an Investoren. Wer jahrzehntelang nicht vorsorgt und nicht für ausreichend Schul- und KiTa-Plätze sorgt, kann sich dann auch noch auf die Unterstützung inzwischen völlig verzweifelter Eltern berufen, die händeringend KiTa- und Schulplätze für ihre Kinder suchen.

Intensive Lobbyarbeit hat dazu geführt, dass es gesetzlich „erlaubte“ Tricks für Großinvestoren gibt, die Grunderwerbssteuer beim Kauf großer Wohnungsbestände zu umgehen. Was für alle kleinen Hauskäufer gilt, scheint für DIE nicht zu gelten. 1.100 Bremer Mietwohnungen (vorwiegend im prekären Stadtteil Gröpelingen) hätte die Stadt Bremen kaufen können. Diese hatte aber im „Bieterwettbewerb“ das Nachsehen und überließ den 120 Mio. Euro-Deal dem vor Kapital strotzenden LEG Konzern. Und dieser zahlte keinen Cent Grunderwerbsteuer (siehe Weser Kurier 15.02.2020 (xiii)).

Alles spricht dafür, leistungslose Erlöse aus großem Besitz an Grund und Boden kräftig zu besteuern. Aber die Lobbyisten der Mietwohnungskonzerne haben erreicht, dass Mietimmobilien-Besitzer im Gegensatz zu Eigenheimbesitzern gar keine Grundsteuer zahlen müssen, sondern diese Steuer einfach über die Betriebskostenabrechnung auf die Mieter umlegen dürfen. Was haben die Mieter mit einer Steuer auf den Bodenbesitz ihrer Vermieter zu tun ? Parlamentarische Initiativen zur Abschaffung dieser zutiefst ungerechten Umlegung, wurden bisher abgeschmettert. Berlin hat dazu eine Bundesratsinitiative gestartet (xiv). Hält die Bremer Landesregierung dies für unwichtig? Stattdessen werden die Bremer Mieter ab 1. Januar 2025 laut Bürgerschaftsbeschluss vom Jan. 2020 zur Grundsteuer (xv) eine erhebliche Mietsteigerung verkraften müssen, was die Gentrifizierung weiter verschärfen wird. Weitere Aspekte dieser umstrittenen Grundsteuerreform und der Hamburger Verhältnisse, finden sich in diesem aufschlussreichen Beitrag von Prof. Dr. Dirk Löhr in den Nachdenkseiten vom 17.02.2020 (xvi).

Es gibt durchaus auch unterstützenswerte Maßnahmen des Bremer Senats, wie z.B. die strengere Umsetzung von Milieuschutzsatzungen, die konsequente Anwendung von Vorkaufsrechten und bei den schlimmsten Spekulanten die Nutzung des Wohnungsaufsichtsgesetzes aus 2015, wie im maroden Hochhaus in Tenever an der Neuwieder Straße 3. Solche und weitere Instrumente schaffen durchaus ein bisschen mehr Handlungsspielraum für kommunale Gestaltung. Auch die Anhebung der „Bindung“ öffentlich geförderter Sozialwohnungen auf 30 Jahre ist marginal besser als die bisherigen 15-25 Jahre Sozialbindung. Das ändert aber nichts an der Absurdität, dass weiterhin mehr Sozialwohnungen aus der Bindung raus fallen als neue hinzukommen. „Da kannst du nicht gegenanbauen“, sagen alle, die damit befasst sind, und zucken mit den Schultern, als ob es gottgegeben wäre.

All diese in Pressekonferenzen hochgelobten Maßnahmen bleiben aber letztlich ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wie wir seit Jahren erleben, wirkt das alles nicht gegen steigende Mieten. Gentrifizierung, die Vertreibung einkommensärmerer Bürger aus den hippen Stadtmitte-Vierteln in Richtung sozialräumlich unterversorgter Viertel, vollzieht sich schleichend, spaltet die Stadt und führt zudem auch noch haufenweise zum Ansteigen sozialarbeiterischer Bedarfe und obrigkeitsstaatlicher Eingriffe in Familien.

In Bremen wachsen 35.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Hartz-IV-Haushalten auf, mit steigender Tendenz. Von der Schuldenbremse strangulierte Bremer Bildungspolitik hat dazu geführt, dass wir einige Ortsteile haben, wo über 20 Prozent der unter 25-Jährigen arbeitslos ist. Ca. 30 Prozent der Bremer SchulabgängerInnen haben entweder gar keinen Abschluss (ca. 10 Prozent!) oder die sog. „Berufsbildungsreife“ (xvii). In den wohlhabenderen Vierteln haben wir Abiturquoten von 60-70 Prozent, in den ärmeren Vierteln sind es nur 7-13 Prozent, die das Abitur schaffen.

Würden wir an die Wurzel der Wohnungsfrage gehen, dann müssten wir an die Boden- und Eigentumsfrage ran. Die Konsequenz für eine sozial gerechte Stadtentwicklung wäre in Bremen: GEWOBA, BREBAU und STÄWOG gehören 100 Prozent umgewandelt in (solide wirtschaftende) Gesellschaften öffentlichen Rechts, die nicht politisch genötigt werden, Renditen zu erzielen – schon gar nicht für Banken – auch nicht zur Querfinanzierung anderer öffentlicher Aufgaben. Wohnungsgesellschaften, die uns Bürgern gehören, werden basisdemokratisch von Mieterräten kontrolliert. Wir brauchen bundesweit eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit (xviii).

Der ver.di Bundeskongress 2019 hat zur Wohnungsfrage Folgendes beschlossen: „Öffentliche Wohnungsunternehmen leisten einen wichtigen Beitrag zur sozialgerechten Wohnraumversorgung, als Teil einer notwendigen, lokalen sozialen Infrastruktur und Stadtentwicklung. ver.di kritisiert, dass in vielen Kommunen inzwischen auch kommunale Wohnungsunternehmen gezwungen sind, Gewinne zu erwirtschaften, um zur Haushaltssanierung beizutragen. Die aktuelle Lage an den Wohnungsmärkten unterstreicht, wie wichtig staatliche Regulierung gerade in diesem Bereich der Daseinsvorsorge ist. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist eines der zentralen gesellschaftspolitischen Probleme in Deutschland. ver.di hält vor diesem Hintergrund eine fundamentale wohnungspolitische Kehrtwende für unabdingbar – ein Bruch mit der marktradikalen Wohnungspolitik der letzten 30 Jahre.“

Wir brauchen eine Neuausrichtung am GEBRAUCHSWERT Wohnung, an der kommunalen Daseinsvorsorge in demokratischer Eigenregie (commons) als leitendes Prinzip. #aufstehen Bremen unterstützt Volksentscheide (wie in Berlin jetzt) zur Vergesellschaftung von Mietwohnungskonzernen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in Newsletter Nr. 8 von #aufstehen Bremen (xix) am 21.09.2021 und wurde zum besseren Verständnis für Nichtbremer nur leicht abgeändert. Das Bundesland Bremen besteht aus zwei Städten: Bremen und Bremerhaven. Einige Zahlen beziehen sich auf Bremen Stadt, andere auf das Land. Alle Grafiken sind selbst bearbeitet und/oder erstellt. Der Autor (seit 4 Jahren in Rente) war 15 Jahre als Sozialarbeiter und Familientherapeut in der aufsuchenden Familienhilfe für einen Träger im Auftrag des Bremer Jugendamtes tätig und engagiert sich in Bremer Bündnissen für Mieterinteressen (xx) und in der AG Wohnen & Stadtentwicklung von #aufstehen Bremen

Fußnoten:

i https://www.bauumwelt.bremen.de/sixcms/media.php/13/Wohnen%20und%20Bauen%202019.pdf
ii https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008072
iii https://www.aufstehen-bremen.org/index.php/theme-styles/ag-wohnen/590-bremer-mieter-wehren-sich-gegenvonovia
iv Hans-Jochen Vogel fordert eine soziale Bodenpolitik: https://www.youtube.com/watch?v=n8plI1ozdeQ
v https://www.arbeitnehmerkammer.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Politik/Wirtschaft_Infrastruktur/Studie_Wohnungspolitik_und_Wohnsituation_im_Land_Bremen.pdf
vi https://www.econstor.eu/bitstream/10419/216019/1/hbs-fofoe-wp-093-2018.pdf
vii https://oops.uni-oldenburg.de/1048/1/Bachelorarbeit_final_version.pdf
viii https://www.awo.org/sites/default/files/2018-09/TUP_Heft_1_16_Holm.pdf
ix https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2021/heft/7/beitrag/bundesbeteiligung-an-den-kosten-der-unterkunftein-pragmatischer-transfer.html
x https://docplayer.org/57648240-Andrej-holm-mietenwahnsinn-warum-wohnen-immer-teurer-wird-und-wer-davonprofitiert.html
xi https://www.haufe.de/immobilien/wirtschaft-politik/debatte-um-neue-wohngemeinnuetzigkeit-flammt-wiederauf_84342_511086.html
xii https://www.aufstehen-bremen.org/index.php/theme-styles/ag-soziales/354-schuldenbremse-rutschbahn-in-die-kitaprivatisierung
xiii https://www.weser-kurier.de/bremen/steuervermeidung-beim-verkauf-von-bremer-wohnungen-in-form-von-sharedeals-
steht-in-der-kritik-doc7e3kv62hsms1162skjmt?reloc_action=artikel&reloc_label=/bremen/bremenstadt_artikel,-fiskus-geht-bei-bremer-immobiliendeal-leer-aus-_arid,1897546.html

xiv https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0401-0500/434-19.pdf?__blob=publicationFile&v=1
xv https://www.aufstehen-bremen.org/index.php/theme-styles/ag-wohnen/345-der-buergerschaftsbeschluss-vom-30-januar-2020-zur-grundsteuer-wird-die-mieten-ab-2025-massiv-nach-oben-treiben
xvi https://www.nachdenkseiten.de/?p=58526
xvii https://www.aufstehen-bremen.org/index.php/theme-styles/ag-kinderrechte/521-bremen-kinder-und-familienarmutund-12-arbeitslosigkeit-bei-unter-25-jaehrigen
xviii https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Studien/Studien_5-17_Neue_Wohnungsgemeinnuetzigkeit.pdf
xix https://www.aufstehen-bremen.org/
xx https://bremerbuendnissozialearbeit.jimdofree.com/b%C3%BCrgerantrag-mietendeckel-bodendeckel/

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2 Kommentare

  1. 80 Jahre lang haben die Bremer sich die unfähigen Politiker der SPD gewählt. Das Land ist nur noch ein einziger Saustall. Ob Bildung, Infrastruktur , Arbeit usw. alles ist dahin. Das führt ein zu einem Ergebnis, die Bremer sind völlig verblödet!

  2. Bremen ist einfach ein großes Shithole. Ich habe dort über 1 Jahr eine Wohnung und eine Arbeitsstelle gesucht. Nix zu finden. Ich habe im Container und bei der Caritas gewohnt. Im Ortsteil Tenever wohnte ich im ehemaligen Flüchtlingscontainer (im Winter war es saukalt) während die Asylforderer gegenüber in Mietwohnungen wohnten. Das hat den Steuerzahler monatlich ca. 900 € an Unterbringungskosten gekostet. Eine Mietwohnung wäre mehr als 50% billiger gewesen.

    Wer hat über 30 Jahre in die Sozialversicherungen eingezahlt? Die Asylforderer sicherlich nicht.

    Jetzt lebe ich ganz im Norden und ländlich auf dem Dorf. Da gibt es freie Wohnungen und wenige Asylforderer, die uns die Wohnungen streitig machen könnten. So siehts aus.

     

     

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