Sogar US-Verbündete stoßen im großen Stil Dollar-Reserven ab

Natalja Dembinskaja (sputniknews)

Der Dollar-Anteil an den internationalen Währungsreserven ist auf den tiefsten Stand seit Beginn des Jahrhunderts gefallen. Die Menge der US-Staatsanleihen in den Zentralbanken ist auf dem niedrigsten Stand in der Geschichte. Im April war unter den Spitzenreitern beim Ausverkauf der US-Treasuries der engste Verbündete der USA: Großbritannien.

Warum die Weltgemeinschaft sich vom Dollar abkehrt – das lesen Sie in diesem Artikel.

Auf dem niedrigsten Niveau

Nach Angaben von 2018 entfallen auf US-Dollar 61,7 Prozent der Währungsreserven in verschiedenen Ländern. Das ist der niedrigste Wert seit den vergangenen 20 Jahren. Wie die Europäische Zentralbank in ihrem Bericht vom Juni betont, bleibt der Dollar weiterhin die globale Reservewährung, doch seine Führungsrolle ist deutlich geringer geworden.

Seit der globalen Finanzkrise 2008, als die Zentralbanken maximale Mengen an US-Dollar in ihren Reserven hatten, sank der Dollar-Anteil um sieben Prozentpunkte.

2019 wurden der Dollar und US-Staatsanleihen besonders intensiv von Schwellenländern veräußert. Argentinien, China, Hongkong, Indien, Indonesien, Thailand und die Türkei verkauften Treasuries im Wert von fast 200 Milliarden Dollar. Die einen brauchten dringend Dollar in Cash, um die eigene Währung zu stabilisieren, die anderen verzichten auf Dollar-Aktiva wegen Konflikten mit Washington.

„Das Ziel vieler Länder ist, die Abhängigkeit vom US-Dollar als Antwort auf US-Sanktionsdrohungen zu verringern“, berichtet die führende türkische Zeitung „Sabah“. „In der Türkei ging das Portfolio mit US-Staatsanleihen auf ein Rekordtief zurück. Es wurde fast alles verkauft“.

Dass Industrienationen auf den Dollar verzichten, darunter traditionelle Verbündete der USA, ist ein neuer Trend. So baute Großbritannien im April den Anteil der US-Staatsanleihen gleich um 16,3 Milliarden Dollar ab.

Spitzenreiter ist dabei China – der größte ausländische Besitzer von US-Schulden (1,1 Billionen Dollar). Wegen des Handelskrieges befreite sich Peking im Laufe des Jahres von US-Treasuries im Wert von 60 Milliarden Dollar. Im April waren es allein 20 Milliarden Dollar, wobei die Vorräte auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren reduziert wurden. Auch Japan, der zweitgrößte Kreditgeber der USA, verkauft US-Staatsanleihen im großen Stil– im April veräußerte Tokio US-Treasuries im Wert von 11,07 Milliarden Dollar.

Die Besorgnisse wachsen, dass China aus dem Klub der wichtigsten Kreditgeber der USA austreten will. Analysten zufolge ist dieses Szenario aber eher unwahrscheinlich. Denn in diesem Fall würde eine starke Abwertung der Obligationen den Chinesen einen größeren Schaden als den Amerikanern zufügen.
Laut Bloomberg-Informationen könnte Peking allerdings jederzeit seine Dollar-Reserven um einige Dutzend Milliarden reduzieren, um den Yuan-Kurs aufrechtzuerhalten.

„Falls China mit dem Ausverkauf der US-Staatsanleihen beginnt, wird das weniger mit den neuen Zolltarifen und mehr mit der Regelung der eigenen Währung verbunden sein“, so der Analyst von Columbia Threadneedle Investments, Gene Tannuzzo. Wenn der Kapitalabfluss zunimmt, muss Peking den Yuan verteidigen und die US-Treasuries verkaufen.

Umfassende Entdollarisierung

Zu den aktivsten Verkäufern der US-Aktiva gehört Russland. Bereits 2010 beliefen sich die Einlagen der russischen Zentralbank in die US-Staatsanleihen auf mehr als 176 Milliarden Dollar. Seit 2014, mit Beginn des wachsenden US-Sanktionsdrucks, baute die russische Zentralbank das Portfolio ab. Anfang dieses Jahres besaß Russland lediglich US-Staatsanleihen im Wert von 14 Milliarden Dollar.

Nach Angaben des US-Finanzministeriums befreite sich Russland im April von US-Staatsanleihen in Höhe von weiteren 1,6 Milliarden Dollar. Nun verfügt die russische Zentralbank über Treasuries in Höhe von 12,13 Milliarden Dollar – der niedrigste Wert seit 2007. Fast alle beim Verkauf erhaltenen Mittel wurden in Aktiva in Euro und Yuan angelegt.





„Der Euro-Anteil an den Währungsreserven Russlands stieg auf 39 Prozent, der Dollar-Anteil sank auf 27 Prozent, der Yuan-Anteil stieg auf 17 Prozent“, heißt es im jüngsten Bericht der Europäischen Zentralbank. Ähnlich gehen auch die Zentralbanken anderer Länder vor. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) verwies vor kurzem auf einen kontinuierlichen Rückgang der Bedeutung des US-Dollars und die wachsende Rolle von Euro, Yen und Yuan.

„Die Banken weltweit diversifizieren weiterhin die Reserven und kehren vom Dollar ab“, hieß es in der IWF-Übersicht der globalen Tendenzen.

Goldener Fallschirm

Parallel zur Abkehr vom US-Dollar häufen die Staaten zunehmend Gold an. Nach Angaben des World Gold Council (WGC) ist die Goldmenge bei Zentralbanken im vergangenen Jahr um 651 Tonnen gestiegen – die höchste Zahl seit 1971, als die USA auf den Goldstandard verzichteten. Fast die Hälfte davon wurde von der russischen Zentralbank gekauft.

„Russland erreicht schnell Ergebnisse beim Versuch, die Struktur der Gold- und Währungsvorräte zu diversifizieren, wobei der Anteil der US-Aktiva abgebaut wird“, berichtet Bloomberg.

Momentan werden die Goldvorräte der russischen Zentralbank auf 2112 Tonnen im Wert von rund 87 Milliarden Dollar geschätzt. Das ist ein Rekordwert im postsowjetischen Russland. In den vergangenen zehn Jahren stieg der Goldanteil an den russischen Währungsreserven von 3,5 auf 18,6 Prozent.

Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt, ist Gold „die härteste Währung der Welt“, die nur eine minimale natürliche Inflation aufweise. Zusätzlich sei das Edelmetall eine gute Absicherung gegen Schwankungen des Dollars. Daneben sei Gold äußerst liquide und höhere Goldreserven stärkten das Vertrauen der Investoren in den Rubel, so die Zeitung.

Kommt ein Goldverbot? Ökonomen klären auf

Der zweitgrößte Gold-Ankäufer ist China mit Vorräten in Höhe von 1853 Tonnen im Wert von 76 Milliarden Dollar. Ende des vergangenen Jahres steigerte Peking nach mehr als zwei Jahren Pause massiv seine Käufe, was zum Anstieg des Goldpreises auf den höchsten Wert seit sechs Monaten auf 1300 Dollar pro Unze führte.

Analysten zufolge ist Gold auch eine Absicherung gegen eine US-Insolvenz. China und Russland verstehen sehr gut, dass es den USA sehr schwerfallen wird, die Schuldverschreibungen zu tilgen, weshalb der Ankauf von Treasuries sinnlos ist. Der Zusammenbruch des Anleihenmarktes ist ziemlich wahrscheinlich, weshalb Moskau und Peking es vorziehen, in Gold zu investieren.

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3 Kommentare

  1. Moin Martin,

    Deine Sichtweise kann ich nachvollziehen. Nur:

    "Stürzt der Dollar stürzt auch der Euro."

    Nicht nur der Euro. Wenn der Dollar crasht, crashen alle Landeswährungen – einschließlich der Schweizer Franken. Die einzige Währung, die überleben wird, ist die älteste Währung des Planeten.

    " Und die Immobilien fallen nach 70 Jahre alle an den Staat. Man erwirbt da nämlich kein Eigentum sondern nur einen Gerbauchstitel."

    Das allerdings ist mir neu. Hast Du Quellen?

     

    • Es gibt die englischen Youtube Channels von Expats "Serpentza"' und "adv china". Die zeigen da viel über China inkl. der Immobilien und erzählen, warum sie trotz der schnellen Gewinne selbst nicht in Immobilien investieren, bzw. es bereut haben, einen Wohnung zu kaufen.

      Und da wurde das erwähnt, dass der Kauf nur 70 Jahre gilt und man in unserem Sinne keine Eigentum erwirbt.
       

  2. Wenn Russland US-Staatsanleihen verkauft und dann in Euro-Papiere geht, dann haben sie eine 100% Dollarwährung gegen eine 80% Dollarwährung getauscht. Besser als vorher, aber das Problem ist dann nicht gelöst. Stürzt der Dollar stürzt auch der Euro.

    Denn alle westlichen Währungen haben fast nur Dollar als Währungssicherheiten.. Wenn man von den unbegrenzt eingekauften Schrottpapieren der EZB mal absieht.

    Mit dem Yuan mag Russland das grundsätzlich richtig machen.

    Aber auch China sitzt auf einer Währungsbombe, wegen des über Jahrzehnte ungebremsten Immobilienbooms, der Buchwerte und massenhafte Spekulation mit geliehenem Geld geschaffen hat. Zudem sind die "teuren Neubauten" oft so schlecht gebaut, dass die Hauser schon weniger als 10 Jahre später einsturzgefährdet sind. Nicht alle, aber genug. Für das, was man bekommt, ist das viel zu teuer.

    Und die Immobilien fallen nach 70 Jahre alle an den Staat. Man erwirbt da nämlich kein Eigentum sondern nur einen Gerbauchstitel.

    Sobald die Chinesische Wirtschaft stottert, und die sich ständig forsetzende Landflucht stoppt, gehen sofort die Immobilienpreise in den Keller und dann kommt es zur Kettenreaktion einer Kreditkrise und zur chinesischen Bankenrettung oder -pleite.

    Ob da Yuan Investments besser sind, wird sich erst noch zeigen müssen.

    Immerhin steht der Austausch Öl und Gas gegen Fertigprodukte abgerechnet in Rubel oder Yuan auf einem soliden Fundament.

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