So ein Unsinn!

Will Russland Krieg in Europa? – Transatlantiker mit absurder „Räuberpistole“

Tilo Gräser (sputniknews)

Mit deutlichen Worten kritisieren Politiker und Experten Behauptungen in der „Welt am Sonntag“ vom 14. Juli, Russland bereite sich auf begrenzte regionale Kriege in Europa vor. Das haben ein Politikwissenschaftler und ein Ex-General gegenüber der Zeitung behauptet. Deren Aussagen haben Experten gegenüber Sputnik widerlegt.

„Russland bereite sich auf regionale Kriege in Europa vor“ – das behauptete die „Welt am Sonntag“ („WamS“) auf Seite 1 ihrer gedruckten Ausgabe vom 14. Juli. Das „Springer“-Blatt berief sich dabei auf den Politikwissenschaftler Joachim Krause aus Kiel und den ehemaligen Bundeswehr-General Heinrich Brauß. Krause behauptete danach, Russland bereite sich „völlig unprovoziert“ auf regionale Kriege in Europa vor, „die es mit Hilfe von Kernwaffendrohungen siegreich beenden will“. Ex-Militär Brauß meinte laut „WamS“, Russlands strategisches Konzept habe das Ziel, „Kriege an der europäischen Peripherie führen und erfolgreich zu Ende bringen zu können“.

Solche Meinungen ließen sich schnell als realitätsfremd abtun, wenn die beiden Stichwortgeber ohne Einfluss wären. Doch Krause ist Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und arbeitete zuvor als stellvertretender Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Bei dieser „Denkfabrik“ der deutschen Transatlantiker ist der ehemalige Generalleutnant Brauß nun aktiv. Vor seinem Ruhestand war er von 2013 bis 2018 Beigeordneter Generalsekretär der Nato für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung und damit verantwortlich für die Nato-Strategie. Beide hatten im Mai in Heft 2/2019 der außenpolitischen Zeitschrift „Sirius“ einen Beitrag veröffentlicht, in dem sie fragten: „Was will Russland mit den vielen Mittelstreckenwaffen?“

Ende des INF-Vertrages

Ausgangspunkt der Behauptungen ist das offizielle Ende des INF-Vertrages zu den nuklearen Mittelstreckenraketen zwischen den USA und Russland am 2. August dieses Jahres. Die USA hatten den Vertrag von 1988 gekündigt und das mit russischen Verstößen begründet. In dem Abkommen ist vereinbart, eventuelle Verstöße durch Vor-Ort-Kontrollen zu überprüfen. Eine entsprechende Einladung Moskaus hatte Washington aber gar nicht angenommen.

Krause und Brauß haben wie die Nato, einschließlich der Bundesregierung, die US-Vorwürfe übernommen. Sie behaupten nun in ihrem Text, die russische Rüstung basiere auf dem Konzept, „Kriege an der europäischen Peripherie führen und erfolgreich zu Ende bringen zu können (einschließlich mit durch Nuklearwaffen untermauerter Eskalationsdominanz)“.

Die Nato plane angeblich nicht, „einen Krieg gegen Russland aus dessen Peripherie heraus zu führen. Deshalb werten die Autoren die russischen Maßnahmen als Versuch, „für von Moskau initiierte regional begrenzte Kriege im baltischen Raum oder in der Schwarzmeerregion die Bedingungen dafür zu schaffen, dass die NATO nicht eingreift und so die Abschreckung der NATO unterlaufen werden kann.“

Berlin im Ziel von Russlands Raketen?

Der „WamS“-Beitrag ist mit einer Karte garniert, die die Reichweiten russischer Raketen wie die des in Kaliningrad stationierten Typs „Iskander“ zeigen soll. Diese würden „direkt Städte wie Berlin und Warschau“ bedrohen, so „WamS“-Redakteur Thorsten Jungholt. In der Karte sind die Standorte westlicher Atomwaffen und der angeblichen US-Raketenabwehr dagegen ohne die entsprechenden Reichweiten eingezeichnet.

Das „Springer“-Blatt gibt wieder, was Krause und Brauß von der Bundesregierung fordern: Nämlich die Nato-Ziele von mehr Geld für Rüstung zu erfüllen. Die meisten Nato-Staaten würden angesichts des INF-Vertragsendes eine Debatte um neue landgestützte Atomraketen „scheuen“, bedauert Jungholt. Er zitiert Brauß und Krause, die es „befremdlich“ finden, dass die Bundesregierung „trotz der durch das Auslaufen des INF-Vertrags markierten rüstungspolitischen Zeitenwende die notwendigen Mittel nicht bereitstelle“.
NATO-Manöver „Trident Juncture 2015“ (Archiv)

Politikwissenschaftler und Ex-General wie auch den „WamS“-Redakteur scheinen bei ihrem Appell zu mehr westlicher Aufrüstung nicht zu stören, was die Bundesregierung im Oktober 2018 erklärte: Ihr lägen „keine Erkenntnisse“ über eine tatsächlich bevorstehende militärische Invasion oder auch nur derartige Pläne und Absichten seitens der Russischen Föderation gegen Nato-Mitglieder vor. Das war in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag enthalten.
MdB Neu: Druck für mehr Nato-Aufrüstung

Daran erinnerte Alexander Neu, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, gegenüber Sputnik, auf die Frage, wie er die Aussagen von Krause und Brauß einschätzt. Er sagte dazu: „Wenn man sich den Artikel anschaut, geht es letztendlich darum, in der Öffentlichkeit Werbung und Druck zu machen für das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Bundeswehr auszugeben. Das soll in der Bevölkerung ankommen und von ihr akzeptiert werden. Vor diesem Hintergrund wird dieser Popanz aufgebaut, dass Russland eventuell regionale Kriege in Osteuropa planen würde.“

Für Neu sind die beiden Stichwortgeber der „WamS“ „überzeugte Transatlantiker“ und zudem die Zeitung aus dem Springer-Verlag „auch sehr stark transatlantisch orientiert“. Es gehe ihnen darum, „der Nato wieder einen Sinn geben“. Deshalb sei es ihnen wichtig, „wieder aufzurüsten und ein Feindbild aufzubauen. Entspannungspolitik ist Gift für die Nato und für ihren Zusammenhalt.“

Für den Bundestagsabgeordneten steht die Frage, warum Russland solche behaupteten Kriegspläne verfolgen sollte. „Soweit ich das beurteilen kann, hat Russland ein Interesse an einer Stabilität zwischen Lissabon und Wladiwostok – und nicht an Kriegen. Russland akzeptiert aber nicht, dass die Nato sich immer weiter nach Osten ausdehnt. Wenn man von Provokation und Eskalationsdominanz spricht, so ist es die Nato, die sich nach Osten erweitert, nicht Russland nach Westen, und das entgegen der Zusagen, die 1990 gemacht worden sind.“

Friedensforscher: „Durchschaubare ‚Räuberpistole‘“

Für den Friedensforscher Lühr Henken vom Bundesausschuss Friedensratschlag sind die Behauptungen des Kieler Professors und des Ex-Generals „frei erfunden und entstammen der Mottenkiste des Kalten Krieges“, wie er Sputnik gegenüber erklärte. „Es handelt sich beim Text von Krause und Brauß somit um eine leicht widerlegbare und durchschaubare ‚Räuberpistole‘, wie sie der Weltbevölkerung seit 1945 in immer neuen Varianten aufgetischt wird: Russland wird Angriffsabsichten auf den ‚Westen‘ unterstellt, wogegen die NATO-‚Verteidigung‘ organisiert werden muss.“

Henken machte darauf aufmerksam, dass die russische Militärdoktrin von 2014 festlegt, dass die Regierung nur dann, wenn „die Existenz des Staates selbst bedroht“ ist, den Einsatz von Nuklearwaffen gegen einen konventionellen oder nuklearen Angriff vorsieht. „Aktive russische Angriffe, womöglich noch mit der Drohung, Nuklearwaffen einzusetzen, kommen darin nicht vor.“ Die russischen Vorstellungen würden sich ausdrücklich dagegen wenden, einen Nuklearkrieg begrenzbar halten zu können.

Warum die „russische Gefahr“ eine Lüge ist und wer sie braucht – Friedensforscher

Der Friedensforscher meinte „zur Logik von Krause und Brauß: Da ihre Thesen auf falschen Annahmen beruhen, kann auch die Schlussfolgerung nur falsch sein. Denn Russland hat kein strategisches Interesse am Baltikum und an Polen.“ Die beiden vermeintlichen Experten würden dagegen an einem Konflikt zündeln: „Kein Konflikt der NATO mit Russland ist jedoch militärisch lösbar, sondern nur durch Vertrauensbildung, Verhandlungen und der westlichen Bereitschaft zu Abrüstung.“
Ex-Offizier: „Märchen aus dem Kalten Krieg“

„Die sogenannte Analyse der beiden wärmt das Märchen einer offensiven Sowjetunion des Kalten Krieges wieder auf, das seit 1988 widerlegt worden ist.“ Das erklärte der ehemalige Oberstleutnant der Bundeswehr, Jochen Scholz, gegenüber Sputnik. In einem Vortrag der CIA sei damals den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Verteidigungspolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei einem Besuch im US-Geheimdienst erklärt worden: Die UdSSR habe seit 1945 in Osteuropa ausschließlich defensive Ziele verfolgt und sich mit der Warschauer Vertragsgemeinschaft vor dem Hintergrund ihrer geschichtlichen Erfahrungen mit Napoleon und Hitler eine Glacis, ein sicheres Umfeld, geschaffen. Offiziell sei dagegen immer behauptet worden: „Wenn wir nicht abschrecken, stößt die UdSSR in kurzer Zeit bis zum Atlantik vor.“





Scholz war selbst bis zum Jahr 2000 in verschiedenen Nato-Gremien tätig. Er sieht Krause und Brauß ebenfalls als eingeschworene Transatlantiker. Der Kieler Politikwissenschaftler sei mit Hannes Adomeit verbunden, „einem unverbesserlichen Kalten Krieger. Beide sollen nach Erkenntnissen der ‚Nachdenkseiten‘ in der deutschen Sektion der britischen ‚Integrity Initiative‘eine führende Rolle spielen, die unter der Tarnkappe einer Organisation gegen russische Desinformation westliche Propaganda gegen Russland betreiben und das Feindbild des Kalten Krieges reaktivieren soll.“

Heute gehe es darum, „das durch die NATO-Osterweiterung gewonnene Territorium militärisch und politisch abzusichern“, so Scholz. „Dazu benötigt man erneut das alte Feindbild im neuen Gewand unter Ausnutzung der historischen Erfahrungen der baltischen und mittel-osteuropäischen Staaten in der Zeit zwischen 1945 und 1990.“

Politologe: Deutsche Großmachtinteressen

Russland habe nach den verheerenden Jahren unter Präsident Jelzin und der seit fast 20 Jahre andauernden Konsolidierung unter den Präsidenten Putin und Medwedew andere Sorgen, als militärische Aktionen gen Westen zu planen, so Scholz. „Im Übrigen hat Präsident Putin seit seiner Rede im September 2001 vor dem Bundestag mehrmals seinen Willen bekundet, mit ‚unseren Partnern‘ friedlich, aber auf gleicher Augenhöhe zusammenzuarbeiten. All dies ist stets zurückgewiesen worden.“

Der Ex-Offizier fügte hinzu: „Wer wollte es Russland denn verübeln, wenn es militärische Vorsorge trifft angesichts des Vorrückens der Nato bis an seinen Grenzen und der nach wie vor verfolgten Bestrebungen, Georgien und die Ukraine in die Nato zu holen und demnächst vielleicht auch Moldawien? Dies als Zeichen offensiver Absichten zu bewerten ist, wie die Texaner sagen: Bullshit.“

Für den Politikwissenschaftler Erhard Crome sind die Aussagen von Krause und Brauß „ein weiterer Aufguss dessen, was der besonders reaktionäre Teil der deutschen politischen Klasse bereits seit mehreren Jahren diskutiert.“ Sie würden zu jenem Flügel gehören, der sich die „deutsche Eskalationsdominanz“ gegen Russland nicht mit der eigenen Atombombe, sondern als Juniorpartner der USA und im NATO-Verbund vorstellt.

US-Experte: USA haben INF-Vertrag verletzt

Crome hat das in einem neuen Buch unter dem Titel „Deutschland auf Machtwegen – Moralin als Ressource für weltpolitische Ambitionen“ genauer beschrieben. Darin erinnert er unter anderem daran, dass der jetzige Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, John Bolton, bereits 2011 in der Zeitung „Wall Street Journal“ forderte, aus dem INF-Vertrag einseitig auszusteigen. Er schade den USA, behauptete Bolton damals bereits.

Laut dem Politikwissenschaftler lasse die Nato-Osterweiterung bis an die russische Grenze den INF-Vertrag bereits fragwürdig erscheinen. Aus Moskauer Sicht sei der Aufbau eines Raketenabwehrsystems der Nato in Rumänien und Polen von Anfang an gegen Russland gerichtet. Zudem könnten die verwendeten Aegis-Systeme der USA entgegen anderslautender Erklärungen Marschflugkörper mit Atomsprengköpfen abfeuern. Das habe der US-Wissenschaftler Theodore A. Postol bestätigt.

Postol hatte der Journalistin Gabriele Muthesius auf eine Frage 2019 dazu erklärt: „Als Berater des Chefs für Marine-Operationen während einer meiner Positionen in der US-Regierung kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass es im Pentagon Menschen gab, die wussten, dass die landgestützte Komponente von Aegis […] in der Lage sein würde, Marschflugkörper zu starten und damit eine offensive Bedrohung für Russland darstellen würde.“

Ex-General Kujat: „Einseitig und absurd“

Inzwischen hat auch der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur und frühere Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Harald Kujat, die Aussagen von Krause und Brauß kritisiert. Sie seien „einseitig, unvollständig und einer rationalen Überprüfung nicht standhaltend“, so der Ex-General gegenüber der Online-Ausgabe des Magazins „Focus“. Er habe das Szenario eines regional begrenzten Angriffs auf ein Nato-Mitgliedsland als „völlig absurd“ bezeichnet, meldet das Magazin.

Bei einem Angriff auf ein Natomitglied würde sofort der Bündnisfall erklärt, so Kujat. „Putin weiß, dass dies die völlige internationale Isolation zur Folge hätte – mit unübersehbaren politischen und wirtschaftlichen Folgen für das Land“. Die „massiven Investitionen Russlands in moderne Waffensysteme“ werte Kujat als „Aufrechterhaltung des strategischen Gleichgewichts mit den Vereinigten Staaten“. Das werde von Krause und Brauß nicht erwähnt.

Der Ex-General erinnert gegenüber dem Magazin ebenfalls daran, dass auf Angebote Russlands, Waffensysteme vor Ort kontrollieren zu lassen, die USA „nicht einmal reagiert“ hätten. Die Nato habe sich bis heute nicht um die Wiederaufnahme der Inspektionen bemüht, die Vertrauen zwischen den Militärblöcken fördern könnten.

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1 Kommentar

  1. Warum will alles so schnell wie möglich KI installieren ?

    Einfach, in Germoney und anderen EU-Mit und ohne Gliedern mangelt es krass an Ni.

    Sieht man am dummen Gelaber von unzähligen selbsternannten Expädden und anderen hoffnungslos überbezahlten Dummlaberern.

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