Seymour Hersh: Hass auf Putin für EU wichtiger als Suche nach Frieden

Die USA und Russland sind weiter miteinander im Gespräch, auch unterhalb der medialen Aufmerksamkeit. Das berichtet der US-Journalist Seymour Hersh in einem aktuellen Text. Darin schreibt er auch darüber, warum die EU-Führung die US-Friedensbemühungen für die Ukraine nicht unterstützt.

Quelle: transition-news

Während die US-Führung unter Donald Trump sich um ein Ende des Krieges in der Ukraine bemüht, wollen einige EU-Staaten und Großbritannien anscheinend um jeden Preis und bis zum letzten Ukrainer den Krieg gegen Russland verlängern. Darauf macht auch der investigative US-Journalist Seymour Hersh (88) in einem am 16. April veröffentlichten Beitrag auf seiner Substack-Seite aufmerksam. Zugleich zeigt er, wie tief das innerwestliche Zerwürfnis zu sein scheint, seit Trump wieder US-Präsident ist.

Hersh berichtet, er habe sich in der letzten Zeit mit US-Regierungsvertretern ausgetauscht, die über die Friedensgespräche zum Ukraine-Krieg informiert seien. Er hatte bereits zuvor über diese Gespräche und seine Informationen dazu geschrieben – «vielleicht mit mehr Optimismus, als angebracht war», wie er hinzufügt. Das Problem aus seiner Sicht:

«Aus Angst vor einer katastrophalen Niederlage in der Ukraine hat sich Europa hinter Wolodymyr Selenskyj gestellt, den umkämpften Präsidenten der Ukraine, dessen jüngster Besuch im Weißen Haus in einer demütigenden Niederlage endete, die ihm die Sympathie vieler Beobachter einbrachte.»

US-Präsident Trump sehe den russischen Präsidenten Wladimir Putin als möglichen Geschäftspartner, so der Journalist. Er schreibt, ihm sei berichtet worden, dass es Gespräche mit Russland über den Bau eines großen Strandresorts durch die Familie Trump auf der Krim gegeben habe.

Ähnliches sei für den Donbass im Gespräch. Die USA würden alle Sanktionen gegen Russland aufheben, so Hersh, wieder russisches Gas und Öl kaufen und möglicherweise den Abbau von Seltenerdmetallen in Sibirien finanzieren.

Doch die Gespräche, die als Schlüsselelement einer früheren möglichen Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine dargestellt wurden, seien aus Trumps Sicht ins Leere gelaufen. Der Grund: Die NATO und die Europäische Union (EU) haben der Ukraine noch mehr politische und militärische Unterstützung im anhaltenden Krieg zugesagt.

Dem US-Journalisten zufolge hat sich der hartnäckige Bodenkrieg in der Ukraine verlangsamt. Die russischen Truppen an der Front dringen weiterhin entlang der langen ukrainischen Front vor, auch wenn Hersh sie als «erschöpft» beschreibt.

Doch der Bodenkrieg werde laut einem gut informierten US-Regierungsvertreter nicht der entscheidende Faktor sein, «solange das zunehmend besorgte Europa nicht beschließt, NATO- und andere Streitkräfte in die Ukraine zu entsenden». In Washington ist demnach bekannt und klar, dass Russland das nicht akzeptieren würde.

Laut Hersh führen beide Seiten weiter Gespräche, an denen hochrangige Berater von Trump teilnehmen. Einige Treffen hätten in Saudi-Arabien stattgefunden. Das Ziel sei es, «einen Krieg zu beenden, den alle als militärisch destruktiv bezeichnen», zitiert der Journalist seinen Informanten.

Der habe erklärt, der weit verbreitete Hass auf Putin in Europa verhindere bisher eine Einigung. Der russische Präsident werde von vielen in Westeuropa als jemand angesehen, «der sich in Schafskleidern präsentiert, aber in Wirklichkeit der Teufel ist».

Hersh zitiert auch Mark Medish, einen Demokraten und Washingtoner Anwalt ukrainischer Abstammung, der das Ukraine-Referat des Nationalen Sicherheitsrats geleitet hat und in einer hohen Position im Finanzministerium tätig war. Dieser habe ihm gesagt, dass die Europäer nicht monolithisch seien.

Es gebe «eine Gruppe von Calvinisten und Kreuzrittern von den baltischen Staaten über die nordischen Länder bis hin zu den Niederlanden und Großbritannien, die von Russophobie zerfressen sind». Sie würden sich als Hauptopfer eines angeblichen russischen hybriden Krieges gegen sie sehen.

«Auf der anderen Seite gibt es eine Gruppe von überwiegend katholisch-orthodoxen Pragmatikern in Südeuropa, die zwar nicht um jeden Preis Frieden wollen, aber skeptisch gegenüber dem Eskalationsdrang der nordischen Falken sind.»

Medish habe die EU informell in Fragen der Geheimdienstarbeit und Politik beraten. Er habe gesagt:

«Abgesehen von Ländern wie Ungarn sind die Europäer fast alle einig in ihrer Bestürzung über Trumps unverhohlene Kehrtwende gegenüber Kiew und der EU zugunsten Moskaus.»

Hersh berichtet außerdem, dass laut dem erwähnten US-Regierungsvertreter die saudische Regierung als Vermittlerin auftrete, weil sie eine Einigung im Ukraine-Konflikt wolle. Dabei gehe es nicht nur darum, dass das gut für den weltweiten Ölmarkt und die mögliche Produktionssteigerung wäre.

«Aber Europa will das nicht. Sie kämpfen mit allen Mitteln dagegen. Trump sagt den Europäern: ‹Friss oder stirb.› Er glaubt, dass es großartig für die europäische Wirtschaft sein wird.»

Der US-Vertreter habe die Bereitschaft der saudischen Führung gelobt, sich in die europäische Diplomatie einzuschalten. «Die Welt verändert sich, und niemand bemerkt es», sagte er demnach zu Hersh.

«Europa ist bankrott, und die Saudis sind die Zukunft.»

Die Saudis hätten vor Jahren erkannt, dass sie sich der modernen Welt anschließen müssten. Dagegen seien die EU-Führung und die westlichen Medien unfähig, über ihren «instinktiven Hass auf Putin» und ihre anhaltende Ablehnung einer Einigung hinauszudenken, die Russland die Kontrolle über weite Teile der von ihm besetzten Ukraine belassen würde.

Hersh schreibt außerdem, ein Politikwissenschaftler, der sich mit der Nachkriegsgeschichte Europas beschäftigt, habe ihm gesagt, dass das Argument für eine Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland nicht nur auf der gemeinsamen Verachtung der Europäer für Putin beruht, sondern auch auf einer gemeinsamen Feindseligkeit gegenüber Trump. Die Europäer hätten Angst vor Russland und Russland wolle nicht, dass die Ukraine ein freies Land ist, behauptete demnach der Politologe.

Die Europäer hätten auch Angst vor Trump, «weil er Russland nahesteht und Europa verkaufen wird, um von Putin zu bekommen, was er will». Der zitierte Politikwissenschaftler behauptet, Trump wolle die EU schwächen, um Putin zu beschwichtigen.

«Die Europäer» würden nicht glauben, «dass Amerika Europa verteidigen wird, wenn Putin in ein Nachbarland einmarschiert». Die EU und ihre führenden Mitgliedsstaaten hätten nach dem Amtsantritt von Trump alle ihre Pläne geändert, «weil sie davon ausgehen, dass Trump jeden geplanten NATO-Einsatz außerhalb des Bündnisgebietes mit seinem Veto blockieren wird».

Aus Sicht von Hersh führt das zu einer Reihe von Fragen, auf die es in Zeiten des Chaos und der Kriegslust im Weißen Haus keine Antworten gibt.

«Wird Wladimir Putin den Krieg gegen die Ukraine fortsetzen oder eskalieren, wenn er in den aktuellen Friedensgesprächen nicht bekommt, was er will? Glaubt er, dass Trump ihn unterstützen oder zumindest wegschauen wird, wenn er dies tut?»

Hersh geht in seinem Text am Ende noch einen Schritt weiter und fragt:

«Ist Amerika wirklich bereit, gegen die NATO in den Krieg zu ziehen?»

 

Quelle:

Seymour Hersh: EUROPE AND THE UKRAINE QUESTION (hinter Bezahlschranke) – 16. April 2025

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