Schweigemärsche: So sieht Versammlungsfreiheit in Deutschland aus

Übernommen aus dem Blog von Norbert Häring

Hören “Im Gegensatz zur russischen Diktatur herrscht in Deutschland Demonstrationsfreiheit. Wenn man sich an die Hygienevorschriften mit Maskenpflicht und Abstand hält, wird es beispielsweise in der Stadt Köln erlaubt, am 20.2.2021 einen STEHENDEN SchweigeMARSCH am Heumarkt mit 10 Menschen durchzuführen. Die Stadt Köln zeigt damit deutlich auf, wie groß die Unterschiede zwischen Deutschland und den Schurkenstaaten Russland, Weißrussland, China oder Nordkorea sind.” So beginnt eine Pressemitteilung der Initiatoren der Schweigemärsche.

Ich beziehe hier keine Stellung für oder gegen die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Es geht mir zunächst einmal darum, zu dokumentieren, wie weit wir schon sind. Wenn wir in der Tagesschau Bilder vom Vorgehen von Polizisten in Myanmar, Russland und anderen mehr oder weniger autoritär regierten Staaten gegen Teilnehmer nicht genehmigter Demonstrationen sehen, gruseln wir uns im heimischen Fernsehsessel und sind froh, dass wir in einer Demokratie leben, wo das Recht, zu demonstrieren und die Regierung zu kritisieren, selbstverständlich ist und geachtet wird, wo man nicht öffentlich zum gefährlichen Schädling gestempelt wird, wenn man anderer Meinung ist. Pustekuchen.

Wenn man gegen die repressiven Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung von Corona ist, dann hat man das Demonstrationsrecht weitgehend verwirkt. Will man einen Schweigemarsch mit Masken und Einhaltung der Hygienevorschriften mit bis zu 100 Teilnehmern organisieren, bekommt man Bescheide wie den folgenden vom 4. Februar. Sie legen einem nahe im Hinblick auf den Eindruck in der Öffentlichkeit zu verzichten. Und wenn man doch demonstrieren möchte, dann möge man doch bitte nur maximal zehn Teilnehmer anmelden:

Polizeipräsidium Köln, ZA 12 Versammlungsrecht

Sehr geehrter Herr,

Ihre Anmeldung einer Versammlung für den 20.02.2021 habe ich erhalten.

Kürzlich wurde in der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bund eine Verlängerung des allgemeinen Lockdowns bis zum 15.02.2021 beschlossen, da eine wirkliche Verbesserung der Pandemielage bisher nicht erkennbar ist. Die neue Coronaschutzverordnung des Landes NRW sieht bezüglich Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz keine Änderungen vor. Dies bedeutet, dass Versammlungen grundsätzlich möglich sind, solange der notwendige Mindestabstand eingehalten wird.

Die Stadt Köln als Infektionsschutzbehörde kann über den notwendigen Abstand hinaus weitergehende Maßnahmen anordnen. Für Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz war und ist dies in der Regel die Begrenzung der Teilnehmer und ein Aufzugsverbot. Bei der von Ihnen angemeldeten Versammlung „Schweigemarsch” hat die Stadt Köln in der Vergangenheit, angemeldet von einer anderen Person, die Durchführung eines Aufzugs untersagt und die Teilnehmerzahl begrenzt. Während des derzeitigen harten Lockdowns erfolgt seitens der Stadt auch regelmäßig eine Begrenzung auf eine Teilnehmerzahl von lediglich 10 Personen. Die derzeitige Coronaschutzverordnung gilt bis zum 15.02.2021. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Infektionsschutzbehörde auch über dieses Datum hinaus die Kompetenz besitzen wird, individuelle Maßnahmen anzuordnen. Dies geschieht jedoch frühestens dann, wenn auch eine Rechtsgrundlage vorliegt.

Aufgrund der aktuellen Situation, vor allem im Hinblick auf die auch in Köln nachgewiesene Mutation des Virus, bitte ich Sie noch einmal über Ihr Ansinnen nachzudenken. Ihr Vorhaben könnte einen negativen Eindruck in der Öffentlichkeit hinterlassen, der Ihrem Anliegen nicht dienlich wäre. Für außenstehende Personen ist es nicht nachvollziehbar, weshalb sich einerseits das Land in einem Lockdown zur Minimierung der Kontakte befindet, andererseits jedoch zahlreiche Menschen zu Versammlungen zusammenkommen.

Bitte teilen Sie mir daher mit, ob Sie auf Rücksicht auf die allgemeine Situation und ein soziales Miteinander auf die Durchführung der Versammlung vorerst verzichten oder mit einer reduzierten Teilnehmerzahl von 10 Personen durchführen wollen. Andernfalls werde ich Ihre Versammlung der Stadt Köln zur eventuellen Anordnung weiterer Maßnahmen vorlegen. Von einem Aufzugsverbot kann nach derzeitigen Erkenntnissen ausgegangen werden.

Mit freundlichen Grüßen, Im Auftrag





Dies zu einer Zeit, in der niemand Regierendes etwas anstößig daran findet, wenn täglich Hunderte Leute in geschlossenen Räumen, wie den Amazon-Verteilzentren, zusammenkommen. Das betrifft offenbar höherstehende Grundrechte als die Versammlungsfreiheit, etwa das Grundrecht auf Digitalisierung und Vernichtung des stationären Einzelhandels.

Das zu einer Zeit, wo die Regierung nicht genug Geld übrig hat um dafür zu sorgen, dass Bundeswehrangehörige und andere Menschen mit Zeit den Altenheimen beim Testen helfen können, ohne dass es die Heime etwas kostet, damit dort weniger alte Leute isoliert von ihren Familienangehörigen sterben müssen.

Die schiefe Ebene auf der wir in Richtung totalitärer Verhältnisse rutschen, wird unmerklich immer steiler gestellt. Ich glaube jetzt habe ich irgendwie doch Stellung bezogen.

Was man tun dagegen tun kann

Von Leserinnen und Lesern werde ich immer wieder gebeten, nicht nur Fehlentwicklungen aufzuzeigen, sondern auch darüber zu schreiben, was man als Einzelne und Einzelner dagegen tun kann. Ich habe mir vorgenommen, diesem Wunsche möglichst konsequent nachzukommen. Da man sehr vieles tun kann, und ich das nicht hinter jedem Beitrag in ganzer Ausführlichkeit wiederholen kann, mache ich jedes Mal nur einen oder zwei Vorschläge, die ich auf einer gesonderten Seite sammle. Auf diese werde ich dann verlinken, sobald etwas mehr zusammengekommen ist.

Reden Sie darüber! Zeigen Sie sich und anderen, dass Zweifler und Kritikerinnen nicht die Minderheit sind!

Wenn Sie mit Leuten ins Gespräch kommen, die sie kennen, oder denen Sie begegnen, scheuen Sie sich nicht das Gespräch alltagsbezogen auf Politik zu bringen, auf die beobachtbaren Auswirkungen dessen, was gerade vorgeht. Wenn Sie Sorge haben, dass das zu unangenehmen und unproduktiven Auseinandersetzungen führen könnte, müssen Sie das Gespräch ja nicht gleich mit starken Aussagen eröffnen. Wenn Sie zart durchscheinen lassen, dass Sie Zweifel haben, ob das alles richtig ist, wird die Reaktion des Gegenüber ihnen zeigen, wie groß die Gefahr eines Streits ist. Dann können Sie das Thema immer noch fallen lassen, wenn es zu heikel scheint. Streit dient in solchen emotional aufgeladenen Fragen erfahrungsgemäß keiner Seite. Manchmal ist es aber immerhin möglich, auf innere Widersprüche in der Corona-Politik hinzuweisen, die einen stören, um wenigstens die Saat des Zweifels zu sähen. Ist ihr Gegenüber aber Zweiflerin oder Kritikerin wie Sie, tut es Ihnen und ihrem Gegenüber gut, das festzustellen und sie können sich unbefangen austauschen.

Nachsatz

Abschließend möchte ich auf die Webseite der Schweigemärsche verlinken. Das tue ich ausdrücklich nicht, weil ich mir alles was dort steht zu Eigen machen würde, sondern weil die Schweigemärsche auf eine, wie ich finde problematische Weise von fast allen Medien ignoriert werden.

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