Schlupfloch für Exporte deutscher Waffen nach Lateinamerika

Eine neue Studie von Mexiko via Berlin dokumentiert die Umgehung des Kriegswaffenkontrollgesetzes für Schusswaffenexporte nach Kolumbien und Mexiko

Von Peter Clausing (amerika21)

Berlin. In ihrer neuen Studie, die in dieser Woche vom gemeinnützigen Verein México via Berlín veröffentlicht wurde, dokumentieren Carlos Pérez Ricart und Lotta Ramhorst, dass der vermeintliche Rückgang von Kleinwaffenexporten von einer Produktionsverlagerung und Exporten über Drittländer begleitet ist. Konkret wurden zwei Fallbeispiele untersucht – die Holdings von SIG Sauer sowie Heckler & Koch (H&K) in den USA und ihre Exporte nach Kolumbien und Mexiko.

Gemessen an anderen Ländern hat Deutschland, auch bedingt durch seine Geschichte, eines der restriktivsten Gesetze zur Kontrolle der Produktion und Vermarktung von Kriegswaffen. Die aktuellen Statistiken suggerieren, dass das seit 1961 existierende Gesetz in den letzten Jahren konsequenter zur Anwendung kam. So haben sich die deutschen Exporte von sogenannten Kleinwaffen (Gewehre, Pistolen) in der Zeit von 2011 bis 2015 gegenüber dem Zeitraum 2006 bis 2010 praktisch halbiert. Dieser Trend setzte sich fort, denn die deutschen Unternehmen exportierten 2017 nur etwas über 33 Millionen Stück dieser Waffen, während es 2015 noch 80 Millionen waren.

Der Anteil der seit Jahren laufenden Kampagnen gegen Rüstungsexporte (zum Beispiel Aktion Aufschrei) an dieser Entwicklung ist offensichtlich. Der endlich stattfindende Strafprozess gegen Mitarbeiter von H&K wäre ohne anhaltenden politischen Druck nicht zustande gekommen. Doch die Rüstungsschmieden haben begonnen, auf die neue Situation zu reagieren. Anhand ihrer Fallstudien demonstrieren Pérez Ricart und Ramhorst, dass die Unternehmen Produktionsstätten im Ausland errichten, um ihre Exporte in Krisengebiete zu sichern.

Nach vierjährigen Ermittlungen stehen fünf leitende Mitarbeiter von SIG Sauer wegen des illegalen Exports von 37.000 Pistolen in Kiel vor Gericht. Die Pistolen gelangten zwischen 2009 und 2012 nach Kolumbien. Zuvor waren sie jedoch in die USA exportiert worden, was aber nicht dem Endverbleib entsprach. Die Rüstungsunternehmen müssen eine Endverbleibserklärung abgeben, um eine Exportgenehmigung zu bekommen. In Reaktion auf die sich abzeichnenden Schwierigkeiten errichtete das Unternehmen eine neue Waffenfabrik in New Hampshire und eine Munitionsfabrik in Arkansas. Von 2013 bis 2016 produzierte die SIG Sauer Tochter in den USA 505.000 Pistolen und 63.000 Gewehre. Folgerichtig stieg die Zahl der Beschäftigten in den USA von 130 im Jahr 2004 auf 900 im Jahr 2014, während die Beschäftigtenzahl am deutschen Standort Eckernförde von rund 450 in 2009 auf derzeit knapp 100 zurückging.

Die neuen Produktionsstätten sollen unter anderem der Belieferung der mexikanischen Marine dienen, ein Vertrag bis 2024 beläuft sich auf einen Warenwert von 226 Millionen US-Dollar. Und im Jahr 2015 verkaufte die US-Tochter von SIG Sauer 7.400 Schusswaffen vorrangig an die mexikanische Polizei, während im deutschen Rüstungsexportbericht keinerlei SIG Sauer-Exporte nach Mexiko Erwähnung fanden.

Ähnlich verhält es sich mit der Heckler & Koch GmbH, die 2017 verkündete, dass sie nur noch in europäische und Nato-Länder exportieren werde. Einen Monat später nahm eine neue H&K-Fabrik in Columbus im US-Bundesstaat Georgia, ihren Betrieb auf – zusätzlich zu einer bereits seit 2008 in New Hampshire existierenden. In einem Radiobeitrag vertritt der Rechtsanwalt Holger Rothbauer, der am Prozess gegen H&K beteiligt ist, die Vermutung, dass der Export von den USA ausgehen werde, wo „die Kapazitäten enorm nach oben gefahren werden, weil man hier weiß, dass Exportkontrolle quasi nicht mehr stattfindet“.

Die wesentliche Schlussfolgerung aus der Analyse von Pérez Ricart und Ramhorst ist, dass eine auf die nationalen Unternehmen beschränkte Rüstungsexportkontrolle nicht ausreicht und dass Kontrollsystem an die neue, in ihrem Bericht beschriebene Realität angepasst werden muss.

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