Russland hat seine südliche Grenze „gehärtet“, politisch wie militärisch

Dagmar Henn (vom Saker)

Russland plant, Indien, Pakistan und Iran in die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) einzuladen

Dies wurde schon eine sehr lange Zeit diskutiert, aber diesmal ist es offiziell: Sergej Lawrow hat gerade erklärt, dass Russland auf dem nächsten Gipfel der Länder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) vorschlange wird, den Prozess einzuleiten, durch den Iran neben Indien und Pakistan Vollmitglied wird.

Eine kurze Erinnerung: die folgenden Länder sind gegenwärtig Mitglied der SCO: China, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan; die folgenden Länder sind gegenwärtig „Beobachter“ und daher mögliche Kandidaten: Afghanistan, Indien, Iran, Mongolei und Pakistan, während Weißrussland, Sri Lanka und Türkei „Gesprächspartner“ sind. In naher Zukunft wird die SCO also aus folgenden Vollmitgliedern bestehen: China, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan.

[Randnotiz: es ist ebenso wichtig, sich daran zu erinnern, dass die SCO eine Sicherheitsorganisation mit einer starken militärischen Komponente ist. Während ihr Hauptziel darin besteht, die Mitgliedsländer in ihrem Kampf gegen Terrorismus, Separatismus und Extremismus zu koordinieren, hat die SCO eine Reihe von Manövern durchgeführt. Die SCO ist formal gesehen keine militärische Allianz, aber ihren Kern bilden Länder, die Mitglieder der Organisation des Vertrags für gemeinsame Sicherheit (CSTO) sind, Russland, Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan. Wir können grob sagen, dass die SCO eine Funktion hat, die der der NATO ähnelt, während die Funktion der CSTO vergleichbar ist mit der des Obersten Hauptquartiers der Allierten Kräfte in Europa (SHAPE). Dieser Vergleich sollte nicht wörtlich genommen werden, aber wie wir in Europa ein wirtschaftliches Bündnis (die EU), eine politische Sicherheitsallianz (NATO) und ein einzelnes rein militärisches Kommando (SHAPE) sehen können, so sehen wir in Asien die Eurasische Wirtschaftsunion (EEU) als das wirtschaftliche Bündnis, die SCO als die politische Sicherheitsorganisation und die CSTO als rein militärische Organisation].

Unnötig zu sagen, dass das Weisse Haus von all dem absolut erschüttert ist: die USA haben sich nicht nur auf jedem einzelnen Schritt gegen die Schaffung von SCO, CSTO und EEU gestemmt, die weitere Verfestigung dieser Organsiation ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie viel Einfluss und Macht die USA verloren haben. Die USA haben versucht, es aufzuhalten, schwer dafür geworben, um jeden davon abzuhalten, beizutreten, und sogar versucht, sie zu ignorieren – und sie sind gescheitert: die SCO nimmt an Mitgliedern und an Einfluss zu.

Um die Lage noch schlimmer zu machen, sind jetzt die BRICS-Staaten zu einer offenen und unmittelbaren Herausforderung der US-Vorherrschaft über unseren Planeten geworden. Den Leuten in Washington wird jetzt langsam die Größe der Bedrohung bewusst, der sich das Empire gegenübersieht.

Diese Entwicklungen illustrieren auch den dramatischen Kontrast zwischen den Methoden und Zielen der US-amerikanischen und der russischen Diplomatie. Während die USA die klassische Methode „teile und siege“ bevorzugen, folgt Russland einer Methode des „eine und führe“, die dafür geschaffen ist, ehemalige Feinde zusammen zu bringen (wie Indien und Pakistan oder China und Indien) und große Koalitionen zu bauen.

Die Aussicht, dass der Iran der SCO beitritt, wird in Washington als offene Provokation gesehen, als Schlag ins Gesicht des Kaisers, insbesondere zu einer Zeit, da die USA und das Königreich Saudi-Arabien im Jemen einen Krieg führen um gerade den Iran zu isolieren und „einzugrenzen“ (natürlich, Russland, China und den Iran gleichzeitig „eingrenzen“ zu wollen war von Anfang an kein sehr kluger Plan!). Die Antwort der USA ist vorhersehbar: alle, die beteiligt sind, mit Chaos strafen. Diesmal ist das kleine Mazedonien das Objekt der US-Aggression (über die CIA-betriebenen Terroristen der UCK aus dem Kosovo), mit dem erkennbaren Ziel, allen Übrigen die folgende Nachricht zu schicken: stellt euch an Russlands Seite, und ihr werdet teuer bezahlen. Es gab außerdem Warnungen russischer Analysten die Risiken von ISIS/IS-Ausbildung in Georgien betreffend, oder vor einer Wiederaufnahme des tschetschenischen Aufstands, aber diesmal mit direkter Unterstützung durch die Ukronazis. Onkel Sam versucht anscheinend, Russland in seinen „weichen Bauch“ zu schlagen, aber dieser Plan hat keine Aussicht auf Erfolg, weil es keinen solchen weichen Bauch mehr gibt.

Der Mythos vom weichen Bauch Russlands

Eine der vielen Mythen der Geopolitik älterer Art war der berühmte „weiche Bauch Russlands“. Um fair zu sein, er enthielt ein wenig Wahrheit, aber nicht viel. Heute ist das jedoch vollkommen falsch.

In Wirklichkeit haben die kombinierten Ergebnisse der zwei Tschetschenienkriege, der Krieg gegen Georgien, der Bürgerkrieg in der Ukraine, die terroristische Bedrohung in Dagestan, der wahhabitische Aufstand in Tadschikistan und das US-geschaffene Chaos im Irak alle zur Definition und Umsetzung einer langfristigen russischen Politik beigetragen, den „Bauch zu panzern“.

Die früheste Verkörperung dieser Politik war die Entscheidung, die Eliteeinheit der 201. Motorschützendivision nach Tadschikistan zu verlagern, zur unmittelbaren Unterstützung der gemeinsamen russisch-tadschikischen Grenztruppen. Später wurde diese Division in 201. Stützpunkt umbenannt, um die einzigartigen Fähigkeiten dieser Einheit wiederzuspiegeln. Gegewärtig sind Untereinheiten dieses Stützpunkts in drei tadschikischen Städten stationiert und „decken“ alle kritischen Bereiche. Die 201 ist in jeder Hinsicht eine beeindruckende Truppe, allem, was Tadschikistan oder Afghanistan einsetzen könnten, weit überlegen. Aber die Russen gingen noch einen Schritt weiter: jüngst prüften sie die Fähigkeit der russischen Luftlandetruppen, binnen Stunden nach Tadschikistan verlagert zu werden: ohne Vorwarung wurden Teile der 98. Luftlandedivision in Alarm versetzt und mit all ihrer Ausrüstung und ihren Waffen nach Südtadschikistan transportiert.

Diese Übung wurde speziell unter dem Schirm der schnellen Eingreifkräfte der CSTO ausgeführt und zielte darauf ab, die russische Fähigkeit zu überprüfen, die militärische Macht direkt an die tadschikisch-afghanische Grenze zu werfen.

Augenblicklich verlässt sich der russische Sicherheitsansatz gegenüber Afghanistan auf folgende Ebenen: zuerst, eine gute Arbeitsbeziehung mit der tadschikischen Bevölkerung in Nordafghanistan zu halten; dann – die Tadschikischen Grenztruppen und das reguläre Militär stärken, indem sie Ausbilder und Ausrüstung erhalten; dann der Einsatz russischer Grenzwachen an der Seite ihrer tadschikischen Kollegen; dann, eine mächtige Kampftruppe in Gestalt des 201. Stützpunkts bereit halten, und schließlich, bereit zu sein, die 201. mit Luftlandetruppen und Luftwaffenteilen zu verstärken. Das Ergebnis ist, dass Russland jetzt fähig ist, innerhalb von 48 Stunden eine extrem starke Kampfgruppe irgendwo in oder nahe bei Tadschikistan einzusetzen.

Ein weiteres Beispiel für den „gepanzerten Bauch Russlands“ ist die nicht weniger beeindruckende 58. Armee, die in Tschetschenien und um es herum angesiedelt ist, auf der Liste deren in jüngerer Zeit erfolgten Kampfeinsätze der Sieg über die tschetschenischen Wahabiten 200 und über das georgische Militär 2008 stehen. Die 58. Armee ist eine der bestausgebildeten und bestausgestatteten Armeen der russischen Streitkräfte. Mittlerweile kann sie auch mit der vollen Unterstützung der tschetschenischen Kräfte rechnen, die Achmad Kadyrow gegenüber loyal sind und die ohne jeden Zweifel die erfahrensten und bestausgebildeten Kräfte im Kaukasus sind. Sollten die Irren von ISIS/IS je versuchten, in den Kaukasus einzudringen (sagen wir, über Georgien), würden sie auf eine sehr mächtige Streitmacht stoßen, die allem überlegen ist, was Syrien oder der Irak einsetzen könnten.

Schließlich ist da noch die Schwarzmeerflotte, die zu Sowjetzeiten als die am wenigsten fähige galt und auch, offen gesagt, als die unwichtigste der vier sowjetischen Flotten (der Nördlichen, Pazifischen, Baltischen und zuletzt der Schwarzmeerflotte in der Reihenfolge der Bedeutung). Jetzt, mit dem Bürgerkrieg in der Ukraine und nach dem Krieg in Georgien, hat die Schwarzmeerflotte eine neu gefundene Bedeutung, insbesondere als „Flotte der Krim“. Russische Würdenträger haben erklärt, sie würden nicht nur die Gruppe der Streitkräfte auf der Krim bedeutend stärken, sondern auch die Schwarzmeerflotte.

Die Lösung, die von Russland gewählt wurde, war die Schaffung einer gesonderten Militärgruppe auf der Krim, die aus 96 Gliederungen und Einheiten besteht und deren Aufgabe nicht nur den Schutz russischer Interessen im schwarzen Meer und im Bundesdistrikt Krim umfassen sondern auch, „den Herausforderungen im maritimen Großbereich zu begegnen“. Mit anderen Worten – Projektion der Stärke.

Die „Festung“ der Krim, die Schwarzmeerflotte, die 58. Armee und der 201. Stützpunkt sind alle Teil eines neuen, gepanzerten, harten russischen Bauchs, der ziemlich bereit dafür ist, mit jeder Bedrohung umzugehen, die aus dem Süden kommt.

Schlussfolgerung

In den letzten Jahrzehnten hat Russland ungeheure Ressourcen in die Entwicklung einer multidimensionalen Politik Richtung Süden und Osten investiert. Auf der politischen Ebene bilden Organisationen wie die SCO, die CSTO und die BRICS ein Netzwerk von Bündnissen, auf dessen Unterstützung Russland rechnen kann. Auf militärischer Ebene hat Russland „militärische Schlösser“ an seiner südlichen Flanke im schwarzen Meer, dem Kaukasus und Zentralasien angebracht, und hat die Fähigkeit entwickelt, diesen „Schlössern“ mächtige Verstärkung zu schicken. In der Folge hat Russland einen „cordon sanitaire“ gebildet, um sich selbst vor der Instabilität an seiner südlichen Grenze zu schützen. Diese Kombination politischer und militärischer Maßnahmen hat Russland einen hohen Grad von Flexibilität bei der Beantwortung jeder Krise oder Herausforderung verliehen.

Der Saker

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