RobinHood & Co. – die letzten Stützen des Systems

Ein Kommentar von Ernst Wolff (kenfm)

Das globale Finanzsystem gleicht seit Jahren einem Drogensüchtigen, der auf der Intensivstation liegt und nur durch immer höhere Dosen eines Suchtmittels am Leben erhalten werden kann. Bei dem Suchtmittel handelt es sich um Zentralbankgeld, das seit dem Beinahe-Zusammenbruch von 2007/08 in riesigen Mengen aus dem Nichts erzeugt wird.

Dieses Geld wird aber nicht etwa gleichmäßig an die Bevölkerung verteilt, sondern fließt zum überwiegenden Teil in die Taschen der großen Finanz- und Digitalkonzerne, die es umgehend dazu benutzen, die Märkte zum eigenen Vorteil zu manipulieren. Die Folge ist eine ständig zunehmende Verschärfung der ohnehin hohen sozialen Ungleichheit.

Dieser Prozess ist im vergangenen Jahr auf Grund der Lockdowns extrem beschleunigt worden. Noch nie ist die Schere zwischen Arm und Reich weltweit in so kurzer Zeit so stark auseinandergegangen wie 2020. Für die Verantwortlichen hat das unangenehme Folgen, denn immer mehr Menschen sind nicht länger bereit, diese Entwicklung widerspruchslos hinzunehmen.

Aus diesem Grund suchen sowohl der digital-finanzielle Komplex als auch die Politik händeringend nach Möglichkeiten, die Finanzmärkte auch weiterhin zu befeuern, ohne das Geld in so offener Weise wie bisher an diejenigen zu vergeben, die ohnehin am meisten davon besitzen.

Wie in der letzten Woche zu sehen war, haben sie in der jüngeren Vergangenheit Verbündete gefunden, die ihnen nicht nur helfen, künstlich erzeugtes Geld ins System einzuspeisen, sondern auch noch dazu beitragen, die höchst ungerechte Verteilung des Geldes zu verschleiern. Hierbei handelt es sich um Trading-Plattformen wie RobinHood, WallStreetBets oder Trade Republic.

Sie alle gaukeln ihren Usern vor, zugunsten des kleinen Mannes gegen das große Geld zu Felde zu ziehen und so für demokratischere Verhältnisse im Finanzsektor zu kämpfen. Tatsächlich aber ist das Gegenteil der Fall: Sie arbeiten hinter den Kulissen mit ihren vermeintlichen Gegnern zusammen, und zwar auf folgende Weise: Sie traden nicht selber, sondern vermitteln die Aufträge ihrer User gegen Bezahlung an Hedgefonds, die die Aufträge für sie erledigen und dabei an der Differenz von Ankauf- und Verkaufspreis verdienen. Aber nicht nur das: Da diese Hedgefonds gleichzeitig selber spekulieren, liefern RobinHood und Co. ihnen mit den Daten ihrer Plattform-User wichtige Hinweise auf ihre Konkurrenten, die für deren Strategie Gold wert sind.





Ein solches Konstrukt führt natürlich zu Interessenskonflikten. Als in der vorvergangenen Woche der Hedgefonds Melvin Capital im Zuge des Anstiegs der GameStop-Aktien in Not geriet, reagierten die RobinHood-Chefs, indem sie den Handel mit GameStop-Aktien aussetzten, um Melvin Capital zu schützen. Als sich Massen von RobinHood-Usern in den sozialen Netzwerken wegen dieser Praxis beschwerten, ließ RobinHood einhunderttausend negative Kommentare von Google löschen.

Das zeigte mehr als deutlich, auf wessen Seite RobinHood steht. Doch statt Kunden zu verlieren, kam es nicht nur bei RobinHood, sondern auch bei WallStreetBets und anderen Plattformen zu einer Welle von Neuanmeldungen. Der Grund dürften vor allem die von den Mainstream-Medien verbreiteten Berichte über einzelne User sein, die im Zuge des GameStop-Hypes das Glück hatten, rechtzeitig ein- und auszusteigen und so in kurzer Zeit hohe Gewinne erzielen konnten. Dass Tausende zum Teil riesige Verluste gemacht haben, wurde nicht erwähnt.

Diese Entwicklung freut vor allem die US-Politik, deren neuer oberster Repräsentant Joe Biden bereits reagiert hat: Da sich unter den App-Usern sehr viele vor allem junge Arbeitslose oder von den Pandemiemaßnahmen Betroffene befinden, die bereits in der Vergangenheit einen Großteil ihrer wöchentlichen 600-Dollar-Hilfszahlungen zur Spekulation per Handy eingesetzt haben, sollen diese Zahlungen auf Bidens Wunsch um 1400 Dollar angehoben werden.

Wenn der Hype um die Trading-Plattformen anhält – und dafür spricht vieles – wird auch der Löwenanteil dieses Geldes in die Finanzmärkte fließen und so weiterhin die ganz große Umverteilung befeuern – und das, indem man das Geld nicht an die Großen vergibt, sondern es flächendeckend an die Kleinen verteilt, weil man ja weiß, dass RobinHood, WallStreetBets und Co. bereitstehen, um die Zahlungen in die Finanzmärkte zu leiten, wo die Geier in Form von Hedgefonds bereits auf ihre Beute warten.

Unter dem Strich betrachtet, sind die Trading-Plattformen keinesfalls systemkritische und demokratische Erneuerer des Finanzsystems, sondern nichts anderes als Parasiten, die der Finanzelite einen großen Dienst erweisen, indem sie mithelfen, ein System schreiender Ungerechtigkeit zu stützen – und das in einer Zeit, in der dessen historisches Ende bereits in Sicht ist.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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