Robert Habeck und der Geschmack der Diktatur

Musste er nicht, wie alle Minister, schwören, „das Wohl des deutschen Volkes zu wahren und Schaden von ihm zu wenden“? Habeck ist das eher fremd. Freiheitsphrasen und Wertegeklingel kann er gut, aber noch besser gefallen ihm Notstand und Zensur.

von Dagmar Henn (rtdeutsch)

Zweimal hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in den letzten Tagen groß zu Wort gemeldet. Einmal vor der Jahrestagung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), und einmal in einem Interview mit dem ZDF. Die Reden unterscheiden sich; und was Habeck wie wo sagte, verrät mehr über ihn und seine Gesinnung, als er vermutlich beabsichtigte.

Lassen wir mal beiseite, dass er selbst das Publikum des BDI mit wiedergekäuter BBC-Propaganda belästigte, fiktiven Rührgeschichten, die dort so deplatziert waren wie einst jene des Herrn Poroschenko in Davos. Dass er selbst vor diesem Publikum eine geopolitische Auseinandersetzung personalisiert (Putin hat, Putin will), als stünde er vor einer Grundschule. Aber vielleicht überschätze ich dieses Publikum auch, und es bewegt sich mittlerweile auf Habecks Niveau, denn er wurde nicht einmal für die unsinnigsten Behauptungen gerügt, wie jene, die Reduktion der Gasmenge, die zurzeit durch Nord Stream 1 fließt, sei „ein ökonomischer Angriff auf uns“.

Das ist politischer Dummfug, von dem eine kleine Kostprobe genügt: „Deswegen hat er diesen Krieg angefangen, weil Diktatoren die Freiheit fürchten. Und deswegen darf er diesen Krieg nicht erfolgreich abschließen, weil das bedeuten würde, dass Diktatoren die Freiheit immer wieder erfolgreich angreifen können.“ Mir kommt kein einziger Krieg in den Sinn, der geführt wurde, weil „Diktatoren die Freiheit fürchten“. Das ist, mit Verlaub gesagt, das Geschwätz, das jene absondern, die unbedingt Kriege führen wollen, aber mit allen Mitteln verhüllen wollen, warum und wofür. Jeder einzelne Krieg der Weltgeschichte hat einen rationalen, materiellen Kern. Nicht einmal der trojanische wurde wirklich um die schöne Helena geführt.

Habeck und der trübe Haufen um ihn herum, der diese Bundesregierung bildet, trägt jedenfalls weit mehr Verantwortung für die wirtschaftliche Zwangslage, in der sich Deutschland inzwischen befindet, als Wladimir Putin. Er gehört schließlich zu den Einpeitschern der Sanktionspolitik. Aber er reagiert auf die inzwischen manifesten Folgen nicht damit, Abbitte zu leisten oder gar Einsicht zu entwickeln. Nein, er hat mindestens so viel Geschmack an der Gaslage gefunden wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an der ewigen Pandemie, und aus den gleichen Gründen.

„Das ist eine gewisse Form von Korporatismus, der Deutschland stark gemacht hat“, sagt er vor dem BDI. Korporatismus? Der Begriff stammt, das hätte ihm vielleicht jemand sagen sollen, von Benito Mussolini, der damit den italienischen Faschismus bezeichnete. Habeck strich hervor, er könne kein „Fördermittelbescheiderstellungsministerium“ leiten. Er redete von „kollektiver Debattenanstrengung“, davon, „unter dem Druck des Tages den alten Mehltau wegzublasen“, und erklärte, „mit einer affenartigen Geschwindigkeit drücken wir die Gesetze durch die Parlamente“.

Anders gesagt, er befürwortet und genießt den dauerhaften Notstand. In dem alles, was an demokratischen Prozeduren in Planungsverfahren eingeführt wurde, beiseitegeschoben werden kann, in dem Gesetze eben nicht wirklich debattiert werden, sondern „durchgedrückt“, und in dem die Politik, allen anderen voran Herr Habeck persönlich, die Kontrolle über die Ökonomie übernimmt.

Was eine gute Sache sein kann, wenn es für das Wohl der Bürger geschieht; aber davon redet Habeck nicht. Das ist nicht sein Ziel. Seine Absicht ist die Unterordnung der Wirtschaft unter das politische Ziel, Russland zu bezwingen, auch wenn er drei Lagen Girlanden aus großzügig verteiltem Freiheitsgefasel darum windet. Sein Ziel ist Krieg. Und für einen Korporatismus, der im geostrategischen Interesse der Konzerne die Ökonomie der Politik unterordnet und demokratische Verfahrensweisen aufhebt, gibt es einen Begriff. Er lautet Faschismus.

Dem gemeinen Insassen der Bundesrepublik gegenüber formuliert er natürlich anders. Da singt er das hohe Lied vom Energiesparen. Freut sich: „Die Gebäudesanierung, endlich nimmt sie richtig Fahrt auf.“ Es ist ganz einfach zu erklären, warum das vorher nicht geschah – weil die energetische Sanierung so hohe Kosten verursacht, dass sie noch einmal fünf, sechs Euro je Quadratmeter und Monat auf die ohnehin schon zu hohen Mieten aufschlägt. Weshalb Wohnungsbaugenossenschaften in den letzten Jahren mit normalen Erhaltungsmaßnahmen sparsam geworden sind, weil sie dank Energieeinsparverordnung (EnEV) dazu führen, dass die Mieter die Wohnungen nicht mehr zahlen können.

„Gas ist ab nun ein knappes Gut in Deutschland“, verkündet er und erklärt dann, dass „30 und mehr Prozent“ „in das Heizen, wie unsere Wohnungen, wo unser Wasser warm gemacht wird“, gehen. (Für die Plebs wird die grüne Kleinkindsprache übrigens besonders ausgeprägt gebraucht; beim BDI griff Habeck gelegentlich durchaus zu ganzen, sogar ausgefeilten Sätzen.)

Und dann rechnet er: „Sagen wir mal, es gelingt jedem Haushalt, oder den allermeisten, zehn Prozent Energie zu sparen, und das mal vierzig Millionen, dann macht es einen Unterschied.“ Ja, wenn bei der Rechnung tatsächlich zehn Prozent mit vierzig Millionen multipliziert würden. Ohne manifeste Rechenschwäche sind allerdings zehn Prozent von „30 und mehr Prozent“ nicht mehr als ein Wert irgendwo zwischen drei und vier Prozent.

Kommt ihm in diesem Interview einmal der Gedanke, dass es echte, lebendige Menschen gibt, die unter diesen Einsparmaßnahmen leiden werden? Weil sie Mieter sind und daher keinen Einfluss auf die Heiztechnik haben, weil sie arm sind und sich nicht die neuesten Geräte leisten können? Wirkliche, lebende, atmende Menschen? Nicht wirklich. Die Interviewerin Marietta Slomka erwähnt zwischendrin, dass höhere Preise fatal seien für kleinere Einkommen, und spricht in diesem Zusammenhang von Belohnung fürs Energiesparen, aber Habeck, dem Energiekrieger, fällt dazu nur ein: „Ich glaube, es geht eher darum, wenn ich das mal in meiner Sprache sagen darf, den inneren Schweinehund oder den eigenen blinden Fleck zu überwinden.“ Abgesehen davon, dass man blinde Flecke nicht überwinden kann – woher nimmt Habeck seine Diktion? Aus Landserheftchen?

„Putin“ will, behauptet Habeck, die Gasmenge immer weiter reduzieren. „Das folgt einem erkennbaren Plan, nämlich die Preise in Europa und in Deutschland hoch zu halten, damit dann, ich würde gar nicht sagen ökonomische Sorgen zu steigern, sondern gesellschaftliche Unruhe zu steigern, und damit die Geschlossenheit, die es doch gab, aufzubrechen.“ Dass arme Deutsche ihre Wohnungen nicht mehr heizen können, da ist nur das „Überwinden des Schweinehundes“ gefragt. Wirklich relevant ist nur, dass die Frierenden womöglich auf den Gedanken kommen könnten, dass ihnen die Ukraine am festgefrorenen Allerwertesten vorbeigeht. „Und deswegen sind die Maßnahmen, die wir ergreifen, nicht nur energiepolitische Maßnahmen, sondern Maßnahmen zur Geschlossenheit der Gesellschaft.“

Nein, keine sozialpolitischen Maßnahmen, um das Elend wenigstens zu lindern. Was er davon hält, sagt er am Ende des Interviews: „Und wenn wir da uns gegenseitig nicht helfen, kommen wir da nicht durch. Und wenn da jemand sagt, ‚ich helfe nur, wenn ich nochmal 50 Euro kriege‘, würde ich sagen: ‚Die kriegst du nicht, Alter.'“ Immerhin, sein sozialpolitisches Wissen reicht noch weit genug, um zu erkennen, dass es insbesondere die Rentner treffen dürfte.

„Helfen“, nur als Randbemerkung, bezieht sich in seiner Aussage auf die „Solidarität mit der Ukraine“. Es geht nicht darum, dass die Deutschen sich gegenseitig helfen sollen, um den kommenden Winter zu überstehen. Nur, dass sich da niemand Illusionen macht.

Beim BDI ist er ein klein wenig deutlicher, was den kommenden Winter betrifft. „Aber wir reden ja über ein Szenario, das möglicherweise über Monate andauert, und da reden wir nicht mehr darüber, dass vielleicht der Shareholder-Value im Jahr 2022/23 etwas zurückgegangen ist, sondern dass die Unternehmen einfach weg sind.“ „Wenn wir mit nur halbvollen Speichern in den Winter gehen und der Gashahn abgedreht wird, dann reden wir über eine schwere Wirtschaftskrise, die Deutschland trifft.“

Hauptsache, die Plebs ist mit Energiesparen beschäftigt. In der Entwicklung verschiedener Beschäftigungstherapien sind die Grünen schließlich Meister, das zeigt ein flüchtiger Blick auf die deutsche Tonnensammlung. Entscheidend ist, dass niemand zur Besinnung kommt und ernsthaft über die Sanktionen nachdenkt: „Denn durch die materielle Not, durch die hohe Inflation, durch die hohen Energiepreise haben natürlich Menschen Angst, Angst vor Armut, Angst vor Wohlstandsverlust, (…) Angst vor Arbeitslosigkeit. (…) Und dann geht es nicht darum, den wohldosierten Streit um die richtige Antwort zu führen, sondern darum, ziehen wir uns zurück, soll Putin gewinnen. Dann macht man den Raum auf für Populismus.“

Wie er darauf reagieren will, wenn ihm nicht einmal der Gedanke eines sozialen Ausgleichs kommt, für die von ihm mitverschuldete Misere? Schon, wenn man an den Sanktionen zweifelt, handelt es sich Habeck zu Folge „nicht mehr um den demokratischen Streit“, und „diese Strategie darf nicht erfolgreich sein“.

Da ist er, der nächste Schritt, der das berüchtigte Overton-Fenster der gesellschaftlich akzeptablen Debatte jetzt auf die Breite eines Haarrisses reduziert. Nicht nur jene, die den russischen Militäreinsatz für richtig halten, nicht nur jene, die das nicht tun, aber dennoch keine Fans der NATO sind, nicht nur jene, die Verhandlungen für besser halten als Waffenlieferungen, jetzt sind auch alle, die Zweifel an der Vernunft der Sanktionspolitik haben, keine Demokraten mehr, sondern, nach Habecks Definition, „Rechtspopulisten“. Rosa Luxemburg stand in seinem verdrehten Weltbild vermutlich auch ganz weit rechts. Links ist da, wo die NATO ist? Alle anderen jedenfalls, das gibt er deutlich zu erkennen, sind böse, nützen Putin und haben folglich die Klappe zu halten. Ein passender Paragraf zur Ahndung von Sanktionszweifeln wird sich schon noch finden, und wenn nicht, kann man ihn ja „mit affenartiger Geschwindigkeit“ durchs Parlament drücken.

Zum Schluss seiner Rede vor dem BDI legte er noch mal nach und drohte in Richtung China. „Dass wir die Handelsabkommen nutzen, um unsere Werte in der Welt zumindest zu befördern, durchzusetzen ist vielleicht ein hehrer Anspruch“, – nicht hehr, Herr Habeck, sondern größenwahnsinnig. „So kann daraus ein Schuh werden, dass wir unseren Einfluss in der Welt nutzen und gleichzeitig ein bisschen unabhängiger werden von den bösen Absichten von Diktatoren in der Welt.“ Habeck, dessen Kriegswirtschaft sich auf Mussolini beruft, der den Notstand genießt und gerne durch Armut ausgelöste Zweifel verbieten würde, meint sich damit natürlich nicht selbst. Seine Absichten sind schließlich gute.

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D

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Robert Habeck und der Geschmack der Diktatur
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2 Kommentare

  1. Ich habe nur eine Frage: Wo werden diese „Herrschaften“ eines Tages leben, wenn das Chaos ausbricht? Ganz sicher nicht mehr hier in diesem Land.

    • Es gibt genug Wohlfühlparadiese für Reiche…

      Auf den Cayman Island interessiert sich sicher niemand dafür, was ein Habeck in seiner Vergangenheit getan hat, solange er ein paar Köfferchen Eintrittsgeld dabei hat.

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