Richter Borchert geht in den Ruhestand

von Gert Flegelskamp (flegel-g)

Ein Artikel in der Süddeutschen hat mich zu einer Antwort bewogen. Leider gibt es da ein Problem denn die Kommentarfunktion in der Süddeutschen ist in der früheren Form abgeschafft und heute zumeist auf Twitter- oder Facebook-Kommentare beschränkt. Nun, ich sehe diese „social-Medien“ als wenig sozial an, weshalb ich ihnen meine Mitgliedschaft bisher auch erfolgreich verweigert habe. Auch die Möglichkeit, den Kommentar gleich an die NSA (über Google) zu senden, was auch eine direkte und damit dauerhafte Anmeldung bewirken würde, findet nicht so recht meine Zustimmung. Bleibt mir also nur meine Webseite.

Zum Thema. Auch ich halte den Richter Borchert für einen gerechten Richter. Meines Wissens nach war er es, der wegen der Berechnung der Hartz-Zahlungen über Art. 100 GG erfolgreich das BVerfG angerufen hat und v. d. Leyen damit gezwungen hat, die Berechnung neu zu „konfigurieren“. Das ist dann allerdings auf eine Art und Weise geschehen, die eigentlich erneut vor das BVerfG gehört.

Ich möchte nicht näher darauf eingehen, dass seine Pension sich erheblich von der Rente eines Rentners (selbst bei gleicher Bildung) unterscheiden wird und deshalb im Focus seiner Überlegungen nicht auftaucht. Allerdings glaube ich, dass er bei seinen Aussagen in 2 Dingen irrt. Die Demographie hat nichts mit den Rentenzahlungen zu tun. Zum Ende des Krieges war die Demographie als Folge der vielen Toten des 2. WK weitaus schlimmer als heute und trotzdem wurde das Wirtschaftswunder Wirklichkeit. Die fehlenden Arbeitskräfte hat man aus dem Ausland geholt, denn es gab mehr Arbeitsplätze als deutsche Arbeiter.

Heute ist das anders. Die weitaus höhere Zahl der Arbeitslosen, als es die manipulierten Statistiken hergeben, haben dazu geführt, dass Arbeiter und Angestellte erpressbar sind, eine der vielen negativen Folgen des Liberalismus – das Angebot ist viel höher als die Nachfrage. Die in den 50er und 60 er Jahren erfolgten Verkürzungen der Arbeitszeit haben damals bewirkt, dass die Zahl der Arbeitslosen nicht schon damals stark anstieg. Die EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) hat bereits in den 60er Jahren bewirkt, das Zechen und Stahlwerke die Zahl der Arbeitnehmer stark reduziert haben, doch das konnte noch durch die Abwanderung in andere Berufszweige kompensiert werden.

Aber heute stehen kaum noch freie Stellen zur Verfügung, mit der Folge, dass nicht nur der Wissensstand der Bewerber in den Forderungen der Arbeitgeber weit über die Erfordernisse hinausgehen (die Bildung nach WK2 war erheblich geringer als heute), sondern die Arbeitnehmer sind auch erpressbar – weniger Lohn oder kein Job und wenn ein Job, dann befristet.

Die Zahl der Geburten spielt keine Rolle, denn fehlende Arbeitskräfte kann man aus dem Ausland anwerben, wie in der Vergangenheit auch und ich denke, dass wir eigentlich ein leuchtendes Bespiel sein sollten, denn die Welt ist überbevölkert und den Nutzen davon haben nur die Reichen, weil sie an den erwirtschafteten Gewinnen die Arbeitnehmer nicht angemessen beteiligen und zusätzlich auch noch jeden Cent Steuern einsparen, entweder durch die von der Politik geschaffenen Steuerschlupflöcher oder vielfach durch die mit der Globalisierung wie Pilze aus dem Boden schießenden „Steueroasen“. Und die Politik redet zwar darüber, macht aber keine Anstalten, diese Schlupflöcher zu schließen und die Ausweichung in Steueroasen zu verhindern.

Der zweite falsche Ansatz von Borchert ist die Kinderrente, die zwar von Schreiber und Höpfner (die Väter des Umlage-Rentensystems) angedeutet, aber nicht verwirklich wurde. Prinzipiell ist aber jedes Versicherungssystem ein Umlagesystem, wie die gesetzliche Rente auch. Nach dem Mackenroth-Theorem ist es immer die arbeitende Generation, die für beide demographischen Enden aufkommen müssen. Die Demographie hat nämlich zwei Enden. Die ersten ca. 20 Jahre im Leben eines Menschen werden zu einem nicht geringen Teil gesellschaftlich getragen, allerdings dieses Mal von der gesamten Gesellschaft und nicht alleine von der Arbeitnehmerschaft. Indirekt gibt es längst die Kinderrente, denn was ist Kindergeld anderes? Und wie viele der heutigen Rentner haben damals ihre Kinder großgezogen, ohne dafür mit staatlichen Leistungen „subventioniert“ zu werden. Kinder zu bekommen ist kein Wirtschaftsmodell, sondern eine mehr oder weniger bewusste Entscheidung durch den Kindsvater und die Kindsmutter und das heute übliche Gejammer mancher Eltern über den Kostenfaktor Kind wäre den früheren Generationen nicht in den Sinn gekommen. Das ist eine Folge des politischen Geschwafels über den Generationenvertrag, das nur dazu dient, dem Motto „divide et impera“ zu folgen.

Wir werden vor allem von den Medien infolge politischer Aussagen ständig mit den Zukunftsprognosen ab 2030 und wie schlimm es der heutigen Jugend dann als Rentner geht malträtiert. Verschwiegen wird dabei immer, dass dieses Rentensystem mit Fremdlasten überfrachtet ist und weitere politische Vorhaben ausschließlich durch Beitragszahler finanziert werden sollen, obwohl es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handelt. Das hat selbst das DIW in einer wirtschaftlichen Begutachtung für die Bundesregierung als fehlerhaft angeprangert und dem DIW linke Motive nachzusagen, halte ich für verfehlt. Die Mütterrente der Frau Nahles ist eine solche Fremdlast. Ebenfalls wird nie thematisiert, wie hoch die Überschüsse der GRV waren, die für andere politische Vorhaben verwendet wurden. Denn zu Zeiten der Vollbeschäftigung war die Mindestreserve immer prall gefüllt und mit allen darüber hinausgehenden Einnahmen hat sich so mancher Politiker selbst ein Denkmal gesetzt.

Die GRV hat nichts mit einem Generationenvertrag zu tun. Sie ist eine vom Staat eingeführte Zwangsversicherung und mit dem Terminus Generationenvertrag versucht der Staat sich nun aus der Verantwortung zu stehlen. Aber es ist ein Versicherungssystem und es sind nicht die Alten, die jeden sozialversicherten Arbeitnehmer in dieses System pressen, sondern der Staat. Damit ist der Staat ganz eindeutig das Versicherungsunternehmen. Das Umlagesystem erfüllt die Bedingungen, die das Mackenroth-Theorem eindeutig beschrieben hat und es ist dabei weitaus wirtschaftlicher (vom gesamtgesellschaftlichen Standpunkt aus gesehen) als jedes private Rentensystem. Die Beitragszahlungen werden nicht dem Wirtschaftskreislauf entzogen, es müssen aus den Beiträgen nicht zusätzliche Provisionen und Gewinne erwirtschaftet werden, weil die aus den Beiträgen eingezahlten Gelder sofort wieder in die Wirtschaft fließen und vor allem dem staatlich vernachlässigten Binnenmarkt zugutekommen. Nicht nur das, der Staat selbst profitiert erheblich von diesem System, weil das Konsumverhalten der Rentner im sofort wieder Steuern in die Kassen spült in Form von Mehrwertsteuer und indirekten Steuern. Man könnte auch sagen, mit den Rentenkürzungen kastriert sich der Staat selbst, bewusst, um der Wirtschaft dienlich zu sein. Aber Juristen sehen das nicht, denn dieses Vertragssystem ist nicht in enge Paragraphen gezwängt, eigentlich ein Unding, denn das Vertragsrecht sieht diese Form von Verträgen im Prinzip als strafwürdig an.

In einem hatte Sarrazin recht, Deutschland schafft sich ab. Aber nicht durch Zuwanderung, sondern wegen verschwiegener politischer Vorhaben, großartig als Globalisierung bezeichnet, aber in Wirklichkeit die immer offener zutage tretende Übergabe jeglicher staatlicher Gewalt an Konzerne. Die WTO ist die Fortsetzung der Kolonialisierung, inzwischen ausgeweitet auf die früher als Kolonialmächte aufgetretenen Staaten und die neuen Kolonialmächte sind multinationale Konzerne. GATS hat das bereits kenntlich gemacht (Voraussetzung dabei ist, dass man sich auch mal damit beschäftigt hat) und CETA und TTIP sind die Fortsetzung solcher Machenschaften, mit denen man die „Systemfehler“ von GATS auszumerzen versucht. Systemfehler aus Sicht der Konzerne sind z. B. die noch in GATS bestehenden Austrittsregeln ebenso, wie die noch rein auf Staatenbasis bestehenden Klageregelungen, die man bei CETA und TTIP nun auf „Konzerne gegen Staaten“ bei den Schiedsgerichtsverfahren ausweitet. Damit wird auch die Justiz obsolet, aber aus einem mir nicht ersichtlichen Grund scheint das weder die Presse noch die Justiz sonderlich zu tangieren.

Ich denke, auf unsere Jugend kommen weit gefährlichere Themen zu, als die Debatte über Renten. Wenn sie nicht allmählich aktiv wird, spielt vielleicht schon in 50 Jahren die Nationalität keine Rolle mehr, weil sie dann „Bürger von Unilever, Krafft, Monsanto, Bayer, Springer, Bertelsmann und weiterer Konzerne“ sind und die Schlafplätze unter Brücken, auf Parkbänken oder sonstigen „Freiluft-Schlafgelegenheiten“ für die Zahl der Bewerber (gerne auch Hochschulabsolventen) nicht mehr ausreichen.

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