Ein Kommentar von Hermann Ploppa (apolut)
Donald Trump hat jetzt nach seinem triumphalen Wahlsieg alle Hebel in der Hand, um die Vereinigten Staaten von Amerika nach seinem Bilde zu formen. Es darf bezweifelt werden, dass die Trump-Kur dem Patienten USA wieder auf die Beine helfen wird.
Trump, der strahlende Sieger. Oder?
Strahlend eigentlich weniger. Denn meistens ist Trump übellaunig am Motzen in Richtung seiner Gegner. Seine Mitbewerberin Kamala Harris war für Trump die „Kommunistin“ und „linksradikale Genossin“. Bisweilen war Trump auch einfach nur peinlich. Wenn er zum Beispiel in der TV-Debatte behauptete, illegale Einwanderer würden über das Provinzstädtchen Springfield herfallen und den rechtmäßigen Einwohnern die Haustiere klauen. Um sie dann als losgelassene Wilde zu verspeisen <1>.
Dennoch ist Trump eine begnadete Rampensau. So spricht man in Fachkreisen voller Respekt von Rednern, die ihr Auditorium zum Toben bringen. Meistens pflegt Trump einen eher assoziativen Redestil, ohne sich allzu lang mit einem lästigen roten Faden abzuquälen. Trump war vier Jahre Entertainer im Fernsehen. Das hat ihn berühmt und beliebt gemacht. Trumps beherzte Improvisationen empfinden die Leute draußen im Land als angenehmes Kontrastprogramm zu den rhetorisch geschniegelten Aaglatt-Politikern aus Washington.
Die Abschlusskundgebung seiner Wahlkampagne im voll besetzten New Yorker Madison Square Garden wurde zum rauschenden Feuerwerk der guten Laune. Alle sind sie da. Robert Kennedy Junior, der sich eine konsequente Aufarbeitung der Corona-Verbrechen durch den cholerischen Zampano erhofft. Der König der Silicon Valley-Trumpisten, Peter Thiel <2>, ist diesmal nicht in der ersten Reihe. Dafür aber der Welt reichster Steuervermeider, Elon Musk. Mister Tesla und Mister Starlink zugleich. Sonniges Gemüt. Volkstümlich wie kein zweiter Multimilliardär. Ein Popstar des Transhumanismus. Zweifellos eine Ausnahme-Erscheinung wie dereinst Henry Ford. Der einzige Unternehmer in den USA, der es geschafft hat, der Welt heutzutage noch amerikanische Autos zu verkaufen. Die zwanzigtausend Trump-Fans skandieren ausgelassen: „Elon! Elon! Elon!“ Der so bejubelte reibt sich narzisstisch befriedigt die Brust. Und kaum fängt er an zu reden, grätscht schon Howard Lutnick in Musks Rede <3>. Lutnick ist Investmantbanker und Multimilliardär wie Musk. Er ist Trumps Wahlkampagnenleiter und soll in der Übergangsperiode, bis der gewählte Trump als Präsident ins Amt eingeschworen wird, das Trump-Team leiten. Lutnick fragt Musk, der bei Trump so eine Art Sonderminister für effektives Regieren werden soll: „Elon, wie viele der von Biden und Harris vergeudeten Regierungsausgaben in Höhe von 6,5 Billionen Dollar würdest Du sofort streichen?“ Musk überlegt ein bisschen, dann: „ Also, hm, sich würde sagen: zwei Billionen!“ Das gefällt Lutnick sehr: „Höhöhö! Das ist großartig! Sehr gut!“ Das Publikum jubelt. Moment mal? Wo werden die zwei Billionen US-Dollar wohl gestrichen, wenn Trump die Steuern für die Reichen und Schönen weiter senken will? Wohl kaum bei der Rüstung. Wohl eher bei Gesundheit und Bildung. Egal. So ist er nun einmal, unser großer Fighter. Unsere letzte Hoffnung – Trump! Die Trump-Fans sind verzweifelt und ohne Alternative. Wen kann man denn sonst wählen? Immer mehr US-Amerikaner wohnen nicht mehr im eigenen Haus. Vermögensverwalter wie Blackrock und Blackstone haben massenhaft Immobilien aufgekauft. Jetzt steigen die Mieten in den USA. Immer mehr Amerikaner können die Miete nicht mehr aufbringen. Die improvisierten Zeltstädte nehmen immer mehr aus ihren Wohnungen Vertriebene auf. Die Enteigneten und Entrechteten wollen nichts mehr zu tun haben mit dem politischen Establishment. Vielleicht geschieht ja doch ein Wunder, und die volkstümlichen Superreichen um Donald Trump geben uns ein paar Bröckchen von ihrem angehäuften Reichtum ab? By the way: Blackrock und Blackstone sind wichtige Spender für Trumps Wahlkampagne. Aber diese Vermögensverwalter geben natürlich auch Geld für Trumps Mitbewerberin Kamala Harris. Egal wer gewinnt: Blackrock und Blackstone sind immer mit im Boot.
Und nu isser wieder da
So titelt jedenfalls ein Hamburger Boulevard-Blatt über das Comeback des 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, der auch schon der 45. Präsident gewesen ist. Und diesmal ist Trump sehr viel mächtiger als beim ersten Mal. Bei der ersten Amtsperiode hatte Trump lediglich die Mehrheit der Wahlmänner hinter sich. Während seine Mitbewerberin Hillary Clinton immerhin drei Millionen Wähler mehr für sich verbuchen konnte als Trump. Bei seinem Comeback hat Trump nun allerdings gegen Kamala Harris mit 51 Prozent auch klar die Wähler hinter sich gebracht. Und nicht nur das: im gesamten Kongress hat Donald Trump nun mit der Republikanischen Partei willige Unterstützer hinter sich. Senat und Repräsentantenhaus stehen hinter Trump. Nebenbei verloren auch noch zwei Gouverneure der Demokratischen Partei ihren Posten gegen republikanische Herausforderer. Donald Trump kann jetzt durchregieren.
Und noch dazu: als Trump im Jahre 2016 US-Präsident wurde, war er noch ein isolierter Außenseiter in Washington. Auch hatte er damals noch kein ausgearbeitetes politisches Programm. Er wurschtelte sich so als Selfmade-Politiker von einer Improvisation zur nächsten. Wie er es eben bei seiner erfolgreichen Fernseh-Serie gemacht hatte. Zum Entsetzen des außenpolitischen Establishments zog er sich damals mal eben mit Putin in ein Hinterzimmer zurück, um unter vier Augen einen „Deal“ zu verabreden. Ebenso hielt er es mit dem wohlgenährten nordkoreanischen Diktator Kim. Insgesamt war die erste Präsidentschaft von Trump eher harmlos und es hat sich nicht so viel verändert, als Trump das Weiße Haus im Jahre 2021 wieder verließ.
Das ist diesmal völlig anders. Trump ist so gut vernetzt, dass er jetzt der Mainstream ist, und die realitätsabstinente demokratische Filterblase ist an den Rand gedrängt. Zum einen haben die Trumpisten ein Regierungsprogramm, die Agenda 47 <4>. Da steht viel Nettes drin: neben der Abschaffung des woken Szene verspricht Trump auch eine Steuerentlastung der Mittelschicht und der Arbeiter. Die zwanzig Millionen illegalen Einwanderer sollen konsequent abgeschoben werden. Und den bösen Chinesen soll das Leben schwer gemacht werden durch rabiate Anhebung der Zölle. Auch den Muslimen soll das Leben schwer gemacht werden.
Und dann gibt das da noch das Project 2025 <5>. Ein 900 Seiten umfassender Leitfaden für den kommenden Präsidenten. Ein Gemeinschaftprojekt von über hundert ultrakonservativen Stiftungen und Denkfabriken, unter Federführung der Heritage Foundation. Project 2025 stellt fest, dass Trumps erste Präsidentschaft ohne roten Faden auskam und deshalb im Endeffekt wenig verändert wurde. Das soll diesmal anders werden. Schon vor einem Jahr wurde ein Transition Team zusammengestellt, das alle Sachfragen klären soll. Und zwar schon von jetzt ab, wenn Trump gewählt ist, bis zu dem Zeitpunkt, wenn Trump sein Amt antritt, indem er vor dem Capitol seinen Amtseid ablegt.
Die Heritage Stiftung hatte bereits dem früheren Präsidenten Ronald Reagan einen solchen Leitfaden an die Hand gegeben. Reagan hatte damals im Jahre 1980 jedem seiner Mitarbeiter das Papier der Heritage-Leute in die Hand gegeben mit der Verpflichtung, es genau zu studieren und dann auch umzusetzen. Die Vorgaben der Heritage-Stiftung werden also mit hoher Wahrscheinlichkeit umgesetzt. Auch wenn Trump sogar sagte, er halte nichts vom Project 2025 und er habe es noch nicht einmal gelesen. Projektleiter und Heritage-Präsident Kevin Roberts hat gesagt, die Umsetzung von Project 2025 sei eine unblutige Revolution – gesetzt der Fall, die „Linken“ würden sich nicht widersetzen <6>. Die „Linken“: das sind alle Leute, die nicht so rechtsextrem sind wie Kevin Roberts. Kevin Roberts steht dem katholischen rechtsextremen Laienorden Opus Dei sehr nahe. Er hält öfter Vorträge bei der CIC, einer Washingtoner Denkfabrik von Opus Dei <7>.
Project 2025 sieht unter anderem vor, dem US-Präsidenten eine größere Machtfülle zuzuschanzen als bisher. Bis zu 10.000 Beamte sollen entlassen und durch loyale Mitarbeiter ersetzt werden. Das kann dann auch der Oberste Gerichtshof, der Supreme Court, nicht mehr verhindern. Denn in Trumps erster Regierungszeit sind drei neue Oberste Richter eingesetzt worden, ganz nach dem Gusto von Trump: erzkonservativ und autoritär eingestellt. Die Mehrheit der Obersten Richter steht auf Trumps Seite. Ansonsten ist das Programm der Heritage-Clique ziemlich „retro“: es soll alles wieder so werden wie in den 1950er Jahren. Die US-Bürger sollen sich auf christliche Werte besinnen. Die gute alte Todesstrafe soll wieder richtig zum Zuge kommen. Illegale Ausländer sollen rausgeworfen werden. Die Gelbe Gefahr muss abgewendet werden. Aber wichtig vor allem anderen: die Wirtschaft soll wieder in vollem Umfang auf die gute alte Fossilwirtschaft eingestellt werden. Öl und Gas made in the USA! Das geht rein technisch heutzutage nur mit noch mehr Fracking. Oder der Umwälzung ganzer Regionen, um Teer aus Sand zu gewinnen, wie im kanadischen Bundesstaat Alberta. Sozusagen ein Giga-Bitterfeld. Weg mit den bösen Windrädern. Immer noch ist für die rückwärts gewandten Fossil-Mogule in den USA Öl die eierlegende Wollmilchsau und Gelddruckmaschine schlechthin.
Um es kurz zusammenzufassen: eine Zukunftsperspektive ist dieses Retro-Paket in keiner Weise. Es fehlt ein wirklich in die Zukunft weisender Entwurf, wie ihn im Jahre 1933 der damalige Präsident Franklin Delano Roosevelt hingelegt hat. Roosevelt ließ in ähnlicher Situation wie heute die Börsen für einhundert Tage schließen und legte der wild gewordenen Finanzwelt enge Bandagen an. Gleichzeitig holte Roosevelt die enteigneten und entrechteten Amerikaner wieder zurück in die Gesellschaft, indem der Staat massiv in die Wirtschaft investierte und damit Arbeitsplätze schuf. Mit seinem New Deal rettete Roosevelt den Kapitalismus davor, sich in seiner Gier selber aufzuessen. Für eine solche mutige Initiative gibt es heute keine politischen Potentiale in den USA mehr. Trump wird die USA nicht mehr retten können. Dazu ist er dann doch viel zu sehr ein Teil jener Kaste der Superreichen, die sich in den selbstgefälligen Kokon der Betriebsblindheit eingewoben haben.
Was haben wir von Trump zu erwarten?
Während sich das politische und wirtschaftliche Establishment in Europa und Deutschland bei der ersten Präsidentschaft von Donald Trump noch über den Außenseiter lustig gemacht hat, überwiegt jetzt die nackte Angst. Die Herrschenden in Deutschland sind komplett auf das vorwiegend von Demokraten geprägte amerikanische Establishment fixiert. Sie haben, wie das Handelsblatt kürzlich zutreffend feststellte, kein Konzept, um mit Trump erfolgreich umzugehen <8>. Vorsichtshalber haben die deutschen Konzernlenker dennoch dem Trump schon mal mehr Schutzgeld vor die Füße geworfen als der voraussichtlichen Verliererin Kamala Harris <9>.
Deswegen rollen schon vom Tag des triumphalen Wahlsieges von Trump im befreundeten Ausland jede Menge Köpfe. Der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant ist sofort von seinem Regierungschef Netanyahu gefeuert worden. Galant wurde offenkundig von der Biden-Regierung geschützt, als Netanyahu Galant schon früher mal los werden wollte. Da Netanyahu ein enger Freund von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ist, hat er jetzt freie Hand, Galant loszuwerden. Ein Indikator dafür, dass Israel jetzt von Trump eine noch radikalere licence to kill erhalten wird.
Und gleich sofort am Tag der Verkündung von Trump als neuem US-Präsidenten krachte schon die deutsche Ampel-Koalition in sich zusammen. Wieder einmal macht ein Mitglied der FDP den Königsmörder. Denn die sozialliberale Koalition unter Kanzler Schmidt wurde damals durch ein Denkpapier des „Marktgrafen“ Otto von Lambsdorff gesprengt. Diesmal ist es der nunmehr ehemalige Finanzminister Christian Lindner von der FDP, der mit einem 18-seitigen Denkpapier die Koalition mit Sozialdemokraten und Grünen gekillt hat. Das Thesenpapier von Lindner spiegelt eigentlich ziemlich genau die Forderungen des Project 2025 wider <10>. Lindner und seine Freunde fordern eine radikale Senkung der Körperschaftssteuer, also mit anderen Worten die Entlastung der multinationalen Konzerne. Dafür soll es den Rentnern und Bürgergeld-Empfängern an den Kragen gehen. Das verfügbare Geld muss mehr in Rüstung gesteckt werden. Die Experimente mit nachhaltiger Energie kann man ruhig zurückfahren. Deutschland muss sein Erdöl selber fördern. Zum Beispiel durch Ölbohrungen auf der Nordseeinsel Borkum. Es muss möglich sein, in ganz Deutschland mithilfe von Fracking vom Öl der bösen Russen unabhängig zu werden. Das Lindner-Papier enthält Trumpismus pur, keine Frage. Die Präsidentschaft von Trump gibt jetzt die Rückendeckung, auch in Deutschland eine von ökologischen und sozialen Skrupeln befreite neue Regierung an die Macht zu bringen. Und Olaf Scholz bereitet diesen Leuten den Roten Teppich <11>. Im Januar wird Scholz Neuwahlen durch die kalkulierte Niederlage bei seiner Vertrauensfrage im Bundestag ermöglichen. Und im März bei den Neuwahlen wählen wir dann den forschen Merz. Bekannt als „Mister Blackrock“, weil er zehn Jahre Deutschland-Chef der weltweit größten Vermögensverwaltungsfirma mit einem Portfolio von über zehn Billionen Dollar gewesen ist. Die Öffentlichkeit steht verdutzt vor diesen turbulenten Veränderungen und hat kein Konzept gegen seine eigene Total-Rasur durch die Trumpisten in Deutschland.
Trumps Außenpolitik?
Wir Europäer werden unter Trump vielleicht eine Atempause im Krieg bekommen. Zu oft und zu definitiv hat Trump versprochen, schon in der Übergangsphase bis zu seiner Vereidigung den Ukraine-Krieg am Verhandlungstisch zu beenden. Es entsteht der Eindruck, dass die Trumpisten Russland aus der Phalanx der BRICS-Staaten herausholen wollen, um dann alle kriegerische Kraft gegen den Iran und schließlich gegen den Finalgegner China richten zu können. Ein solches Herausbrechen Russlands aus BRICS würde aber bedeuten, dass die USA als Erstes die von Russland konfiszierten 300 Milliarden Dollar herausrückt, von deren Zinsen die USA ihre maroden Finanzen ein bisschen aufbessert.
Wir können davon ausgehen, dass das außenpolitische Konzept der Trumpisten nicht aufgehen wird. Der anmaßende Ton gegenüber den Ländern der Südhalbkugel wird sich auch unter Trump nicht ändern. Trump ist, um es nochmal zu sagen, komplett in der Filterblase der Superreichen eingesponnen. Zudem werden die sozialen Kahlschläge, die unter Trump zu erwarten sind, die Spannungen in der US-Gesellschaft auf neue Siedepunkte bringen. So agiert Trump letztlich als ultimativer Totengräber der USA.
Wir hier in Europa sind gut beraten, uns auf unsere eigene Kraft zu besinnen und eine souveräne Außenpolitik und eine wirklich solide Sozialpolitik auf den Weg zu bringen. Eine Politik, die alle Bürger in unserer Gesellschaft wirklich wieder mitnimmt. Wie wäre es, wenn sich bis zur Neuwahl im März eine wirklich unabhängige Koalition der Vernunft zusammenfindet und die Filterblase der Superreichen zum Platzen bringt?
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